Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

stoßenden Tatsache, die auch mir noch verborgen war. „Eine für besonders 
zuverlässig gehaltene Frontdivision war für die Aufgabe ausgesucht, den 
Rücken des Großen Hauptquartiers gegen die von Köln bis Aachen vor- 
gekommenen Aufständischen zu decken. Diese Division hatte den 
Offizieren den Gehorsam gekündigt und sich gegen deren 
aus drücklichen Befehl in Bewegung gesetzt, um nach Hause 
zu marschieren.“1 
1 Zitat aus der in der Dresse vom 27. Juli 1919 veröffentlichten Denkschrift: 
„Die Vorgänge des 9. November 1918“, für deren Richtigkeit Hindenburg, Plessen, 
Hintze, Marschall und Schulenburg die Verantwortung übernehmen. Den Hergang 
schildert diese Denkschrift wie folgt: 
„Seine Majestät war angesichts der offenbar immer mehr zunehmenden 
revolutionären Bewegung fest entschlossen, nicht nach zugeben, in der klaren 
Erkenntnis, daß seine Abdankung die Zersetzung von Volk und Heer nach sich 
ziehen würde, und äußerte am 8. November vormittags beim Vortrage die Absicht, 
an der Spitze des Heeres die Ordnung in der Heimat wiederherzustellen. General 
Gröner erhielt Befehl, diese Operation vorzubereiten. 
Am 8. November abends fand hierüber zwischen dem Generalfeldmarschall 
v. Hindenburg, dem Generaloberst v. Plessen und dem Generalleutnant Gröner 
eine Besprechung statt. Die Lage hatte sich bis dahin wie folgt entwickelt: 
Es waren Nachrichten eingegangen, daß die Arbeiter- und Soldatenräte 
in den großen Städten, an der Küste, im Westen und im Süden die tatsächliche Ge- 
walt an sich gerissen hätten. Die Rheinlinie und die wegen des nahe bevorstehen 
den Waffenstillstandes an und hinter diese zurückverlegten großen Magazine 
aller Art sowie die im Innern gelegenen wichtigeren Bahnknotenpunkte waren im 
Besitze der Revolutionäre. Die Verpflegungs- und Munitionsbestände beim Feld- 
heere reichten nur noch für einige Tage aus, während die Zufuhr von rückwärts 
bereits mehrfach, z. B. in Köln und München, verhindert worden war. Die Be- 
satzungstruppen in der Heimat waren fast überall zur Revolution über- 
gegangen, und die dorthin entsandten, von den Kommandobehörden als ganz 
zuverlässig bezeichneten Truppen waren den bösen Einflüssen der Heimat sofort er 
legen. Die Etappenformationen waren völlig verseucht, und auch das Feldheer 
zeigte Spuren der Zersetzung. Aufgelöste Truppen und zahllose Deserteure be- 
stürmten zu vielen Tausenden in Lüttich und Namur die Eisenbahnen. Eine für be- 
sonders zuverlässig gehaltene Division, die für die Aufgabe ausgesucht war, den 
Rücken des Großen Hauptquartiers gegen die von Köln bis Aachen vorgekommenen 
Aufständischen zu decken, kündigte den Offizieren den Gehorsam und setzte sich gegen 
deren ausdrücklichen Befehl in Bewegung, um nach Hause zu marschieren. Für die 
an anderer Stelle Aachen gegenüberstehenden Landsturmbataillone mußte notge- 
drungen die Weisung zum Abmarsch gegeben werden, weil die Leute erklärten, daß 
sie sonst ihren Dosten eigenmächtig verlassen würden. 
Angesichts dieser Verhältnisse bezeichnete General Gröner den Plan eines Vor- 
marsches gegen die Heimat als aussichtslos. Bestimmend hierfür war, daß 
nicht mehr alle Druppen bereit und geeignet waren, gegen die Revolution in der Hei- 
mat zu kämpfen. Das rasche Herausfinden, Vereinigen und Verwenden zuverlässiger 
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