Full text: Der Geschäftsgang im Bundesrat.

mehr ein „unverantwortliches Organ der Reichsgewalt wie der 
Kaiser selbst“,“) „er steht dem Kaiser als zweites Organ des 
Reiches, ebenso wie der Reichstag, in voller Unabhängigkeit 
gegenüber.“?) 
5. Herwegen?) hat einen Vergleich zwischen dem Ver- 
hältnis der Gesamheit der verbündeten Regierungen zum Bundes- 
rate mit demjenigen des Trägers der Staatsgewalt im mo- 
narchischen Einheitsstaate zum Regenten gezogen und damit 
den Bundesrat einem Regenten analog behandelt, weil beide 
den Träger der Staatsgewalt repräsentieren. Der Unterschied 
zwischen beiden besteht aber darin, daß der Bundesrat ein 
ordentliches, der Regent jedoch nur ausnahmsweise tätig wird, 
und damit ein außerordentliches Organ ist. » 
III. Es ist gezeigt worden, daß die zur Erklärung der 
staatsrechtlichen Stellung des Bundesrats angezogenen Vergleiche 
zwar hier und da äußere Ahnlichkeit mit bekannten Institutionen 
aufweisen können, 20) daß sie aber damit nicht sein eigentliches 
Wesen berücksichtigen und erschöpfend klarlegen, daß also nirgend- 
wo ein dem Deutschen Bundesrate ganz entsprechendes Gebilde 
vorhanden ist, und man schon in die Vergangenheit Deutsch- 
lands selbst zurückgehen muß, um in etwa wenigstens wirkliche 
Ubereinstimmungen zu finden. Im übrigen aber kann der 
Bundesrat nur aus sich selbst heraus erklärt werden. 
IV. Nachdem bis jetzt dargelegt worden ist, was der 
Bundesrat nicht ist, was man ihm aber fälschlicherweise unter- 
schoben #at, ist nunmehr zu erörtern, welche rechtliche Stellung 
denn der Bundesrat, im Norddeutschen Bunde und jetzt im 
deutschen Reiche einnimmt. 
Laband unterscheidet entsprechend dem Charakter des 
Bundesstaates und der Rechtsstellung des Bundespräsidiums. 
sehr scharf eine Doppelstellung;?6) denn ein Bundesstaat ist 
  
22) Schulze, Lehrb. II, S. 48. 
23) Laband, Staatsr. I, S. 236 f. 
24) Herwegen, S. 31. 
20) Weil der Bundesrat eine so verschiedenartige Stellung inne hat, 
bezeichnet ihn R. Gneist als „ein Stück Exekutive, ein Stück Ministerium, 
ein Stück Oberhaus.“ Ebenso Held, S. 113; Auerbach, S. 21. 
20) Laband, Staatsr. I, S. 235 f.; v. Mohl, S. 228; Brie in Grün- 
huts Zeitschr. XI, S. 140. A. A. Gierke in Schmollers Jahrb. VII, S. 50;
	        
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