Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

124 
und schritt, nachdem er herzliche Worte der Begrüßung 
an den kommandierenden General, General der Infanterie 
d'Elsa, gerichtet hatte, die Front der Truppen ab, wobei er 
jeden Truppenteil besonders begrüßte. Anschließend fand 
ein einmaliger Vorbeimarsch statt, Infanterie in Zug- 
kolonne, Kavallerie in Zügen, Artillerie in Batteriefront. 
Nach dem Vorbeimarsch richtete der König an die 
Truppen folgende Ansprache: 
„Ich freue mich, hier draußen einen großen Teil der 
Truppen des 12. Armeekorps begrüßen zu können. Das 
Korps hat, seitdem ich es das letztemal gesehen habe, 
harte Kämpfe ruhmvoll und ehrenvoll bestanden. Es drängt 
mich, den tapferen Kämpfern von Craonne und den Hel- 
den, die bei P. in schwerstem Artilleriefeuer ausgeharrt 
und ihr Blut vergossen haben, persönlich meine vollste 
Anerkennung augzusprechen. Nach glanzvoller Vergangen- 
heit seit Beginn des Krieges sehe ich heute einen großen 
Teil des Korps, das ich selber mehrere Jahre hindurch — 
leider nur im Frieden — zu führen Gelegenheit hatte, um 
mich versammelt. Wenn ich bedenke, daß die Truppe seit 
nunmehr fast acht Monaten ihr Blut und Leben täglich 
für das Wohl des Vaterlandes geopfert hat, so kann ich 
nurmeine vollste 
will ich auch äußerlich durch Verleihung von Auszeich- 
nungen zum Ausdruck bringen. Ich erwarte, daß Sie 
durchhalten, bis der Sieg endgültig ist!“. 
Kapitänleutnant von Mücke 
Zwei Tage vor Kriegsausbruch verließ der deutsche 
Kreuzer „Emden“ den Kriegshafen zu Tsingtau in Ostasien 
und dampfte ins Gelbe Mecr. Hier empfing der Komman-= 
dant der „Emden“, Fregattenkapitän von Müller, durch 
Funkspruch Mitteilung von der Kriegserklärung und bezog 
sofort die erste Kriegswache auf der Brücke. In sehr 
dunkler, unsichtiger Nacht, aber bei starkem Meerleuchten 
stieß die „Emden“ durch die Tschuschimastraße nach Wladi- 
wostok vor. Hier hatten lgo die Japaner der russischen 
Flotte den Garaus gemacht. Nun fuhr das dußerste deutsche 
Kriegsschiff verstohlen in finsterer Nacht diese Straße, 
kriegsbereite Männer an Bord, die bloß erst vom Kriege 
gegen Rußland und Frankreich wußten, Japans Tücke 
noch nicht kannten. Die zweite Kriegswache der „Emden“ 
bezog um 12 Uhr nachts, den Kapitän ablösend, der erste 
Offizier, Kapitänleutnant Hellmuth von Mücke, aus 
· Zwickau in Sach- 
  
Zufriedenheit 
und meinen auf- 
richtigsien Dank 
für die ausge- 
zeichnete Hal- 
tung und die 
Strammbeit 
meiner TLruppen 
aussprechen. 
Mein Dank gilt 
nicht nur denen, 
die heute als Ab- 
ordnung vor mir 
stehen, sondern 
auch allen, die 
augenblicklich 
nahe an dem 
Feinde liegen. « 
Alle Truppen haben, auch im Verein mit hervorragenden 
preußischen Truppenteilen, schier Ubermenschliches 
geleistet und dauernd die sächsische Waffenehre hochge- 
halten. Um der Freude über die Leistungen meiner Truppen 
Auedruck zu geben, habe ich beschlossen, heute eine Anzahl 
Auszeichnungen zu verleihen.“ 
Bei jenem zweiten Besuche des Königs auf dem west- 
lichen Kriegsschauplatz hatten ferner am 24. März 1915 
das 2. Bataillon des Infanterie-Regiments Kronprinz 
Nr. 104, eine Abordnung des 6. Feldartillerie-Regiments 
Nr. 68 und ein Rekrutendepot die Ehre, besichtigt zu werden. 
Damit wurde den beiden erstgenannten Truppenteilen für 
ihren hervorragenden Anteil an den letzten harten Kämpfen 
bei Neuve Chapelle eine besondere Ehrung erwiesen. Der 
König schritt die Front der Truppen ab und zeichnete viele 
Offiziere und Mannschaften durch leutselige Ansprachen 
aug. Alodann richtete der König folgende Ansprache 
an die Truppen: 
„Es freut mich, daß ich heute Truppenteile begrüßen. 
konnte, die an den jüngsten Kämpfen Anteil gehabt haben. 
Trotz schwerer Verluste haben Sie unter besonders schwie- 
rigen Verhältnissen im furchtbarsten Granatfeuer ausge- 
halten und weit überlegenen feindlichen Kräften Trotz 
geboten. Sie haben damit unseren alten sächsi- 
schen Waffenruhm bewahrt und erneuert. 
Ihr jungen Mannschaften vom Rekrutendepot, nehmt euch 
jene Helden von Neuve Chapelle zum Vorbild, wenn ihr 
demnächst zur Front kommt. Meinen königlichen Dank 
  
S. M. Kl. Kreuzer „Emden“ 
sen, 1885 ge- 
boren als der 
zweite Sohn des 
im Jahre darauf 
in Halle ver- 
storbenen Haupt- 
mannsa.D. Kurt 
von Mücke, der 
1870/71 bei Se- 
dan schwer ver- 
wundet wurde 
und als Fähn- 
rich für hervor- 
ragende Tapfer- 
keit das Eiserne 
Kreuz und die 
Goldene 
St. Heinrichs- 
medaille erhielt. Kapitänleutnant von Mücke stand bis 4 Uhr, 
ohne Verdächtiges zu sichten, und wurde wiederum vom 
Kommandanten abgelöst. Kaum in seiner Kammer, hörte 
Hellmuth von Mücke das Signal: Klar Schiff zum Gefecht! 
Im Morgengrauen tauchte ein Schiff am Horizonte auf, 
anscheinend ein russischer Kreuzer. Man stieß mit höchster 
Fahrt auf ihn zu. Zum Kampfe ging's, zum Kamrfel Alle 
Augen flammten. Aber der Russe drehte weg und entwich 
in außerster Fahrt. „Stoppen Sie!“ flog das Signal auf 
der „Emden“ hoch, und ein Signalschuß wurde gelöst. 
Der Russe lief alle Knoten. Da schlug die „Emden“ einen 
schärferen Ton an, Granaten vor Bug und Bord des Aus- 
reißers. Auf dreitausend Meter Entfernung setzte er in 
allen Toppen die russische Flagge, der russische Freiwilligen- 
dampfer „Rjäsan“, in der ersten Kriegsnacht die erste Prise 
der „Emden“. Auf Umwegen wurde die Beute nach Tsing- 
tau geschleppt und dort der „Rjäsan“ zum deutschen Hilfs- 
kreuzer armiert. Aus der deutschen Kolonie in vollem 
Kriegsbetriebe und voller deutscher Begeisterung brach die 
„Emden“" dann zum Südseegeschwader des Admirals Grafen 
Spee auf, wurde aber bereits am 13. August von ihm 
entlassen, mit dem Befehl, Kreuzerkrieg im indischen 
Ozean zu führen. 
Und nun begann die beispiellose Ruhmesszeit des ersten 
deutschen Kaperschiffes und seiner Helden. Alle Welt er- 
füllte sie mit ihren kecken Taten, und selbst die Feinde 
versagten ihr nicht eine gewisse Anerkennung höchster see- 
männischer Bravour. Der „vierte Schornstein“ der „Em-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.