Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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Auch den Winter über herrschte fast völlige Ruhe an der 
Front. 
Das neue Jahr 1917 machte die Division so recht mit 
den Leiden des russischen Winters bekannt. Die Temperatur 
sank auf 20 Grad Kälte, die Seen froren fast zu; erhöhte 
Wachsamkeit machte sich deshalb auch in der Seenstellung 
notwendig. 
Im Februar wurde, um die Vermischung preußischer 
und sächsischer Truppenteile in der Kriegsgliederung zu be- 
seitigen, ein Tausch zwischen den beiden preußischen Batail- 
lonen des Infanterieregiments 425 und den beiden sächsischen 
des Infanterieregiments 351 vorgenommen. Die beiden zur 
123. Infanteriedivision tretenden sächsischen Bataillone wur- 
den mit dem I. Bataillon Infanterieregiments 425 zu dem 
sächsischen Infanterieregiment 351 vereint. 
Am 26. Februar kehrte das Reserve-Infanterieregiment 
106 von der achten Armee zurück und wurde Korporeserve, 
bis es mit Teilen im April zur Ablösung des II. Batail- 
lons Infanterieregiments 178 in die vorderste Linie rückte. 
Im Mai wurde auch der Südabschnitt taktisch der 248. 
Infanteriebrigade unterstellt. Die Brigade verlegte ihr 
Quartier nach Polowoizy. 
Mit Eintritt der Frühjahrs trat die Schneeschmelze ein, 
welche etwa vierzehn Tage anhielt. Der hierdurch in der 
Stellung angerichtete Schaden war erheblich. Die Aus- 
besserung an den Stellungen erforderte viel Zeit und alle 
verfügbaren Kräfte. Die Annäherungs= und Verbindungs- 
wege standen mehrere Tage unter Wasser. Die Batterie- 
stellungen litten kaum nennenswert unter der Schnee- 
schmelze, dagegen wurden die rückwärtigen Verbindungen 
sehr erheblich beschädigt. Sie wurden durch das Auftauen 
bald völlig grundlos. Der Wagenverkehr wurde beinahe 
unmöglich. Bei dem schlechten Zustande der Pferde muß- 
ten ganz außergewöhnlich hohe Anforderungen gestellt wer- 
den, um den Betrieb einigermaßen aufrecht erhalten zu 
können. Auch für die Wegebesserung wurden alle nur irgend 
verfügbaren Arbeitskräfte beansprucht. Die Wilia führte 
kurz nach dem einsetzenden Eisgange ein derartiges 
Hochwasser, daß ein Teil der Feldbahnstrecke beim Vor- 
werk Tupalschtisna mehrere Tage unter Wasser stand und 
unbenutzbar war. Der Nachschub an Verpflegung und 
Material mußte ausschließlich durch Kolonnenfahrzeuge auf- 
recht erhalten werden. 
Die Russen begannen in ihrem Verhalten den Deutschen 
gegenüber jetzt recht zutraulich zu werden. Wiederholt kamen 
sie, meist Tücher schwenkend, in die vordere deutsche Linie. 
Meist wurden sie, mit Zeitungen versehen, wieder zurück- 
geschickt. Sie erzählten, daß sich bei ihnen englische und 
französische Offiziere befänden, die ihnen nicht erlauben 
wollten, die Gräben zu verlassen. Eines Tages wurden 
plötzlich etwa loo Russen gesehen, welche sich außerhalb 
der Deckung bewegten und weiße Tücher gegen die deutschen 
Linien schwenkten. Auch eine schwarz-weiß-rote Fahne sah 
man in der russischen Stellung wehen. 
So verbrachte die 123. Infanteriedivision bis Mitte 
Juli eine ausgiebige Erholungsseit. 
Erst durch die am 10. Juli beginnende russische Angriffs- 
schlacht bei Smorgon—Krewo wurde die 123. Infanterie- 
division in weitgehendstem Maße in Anspruch genommen. 
Erhebliche Kräfte der Division gingen zur unmittelbaren 
Abwehr des russischen Angriffs und zu Wiedergewinnung 
verlorenen Geländes nach dem Kampfgelände des ver- 
stärkten III. Armeekorps ab. Das gesamte Reserve-Infan- 
terieregiment 106, je eine Maschinengewehrkompagnie der 
Negimenter 178 und 351, die beiden Lehrkompagnien der 
Division, verschiedene Feld- und schwere Batterien wurden 
teils in ununterbrochener Fahrt auf den Feldbahnen, teils in 
starken Fußmärschen in das Kampfgebiet überführt. Die 
123. Infanteriedivision erlitt hierdurch eine erbebliche 
Schwächung. Nur 9 Bataillone, darunter 3 Landsturi- 
bataillone, verblieben der 123. Infanteriedivision inzwi- 
schen zur Verteidigung ihres beinahe 20 Kilometer breiten 
Abschnitts. Mit schweren Angriffen des Gegners an der 
Front der 123. Infanteriedivision mußte jederzeit gerechnet 
werden, da solche durch das Gelände wie durch die allge- 
meine taktische Lage äußerst begünstigt erschienen. Um den 
Gegner über die eigene Schwäche einerseits im Unklaren 
zu lassen und ihm andererseits Entlastungsangriffe vor- 
zutäuschen, befahl die Division die starken feindlichen Stel- 
lungen von Dubatowka bis Simionki durch zusammen- 
gefaßtes Artillerie-und Minenwerferfeuer zu zerstören und 
von ihnen mit starken Stoßtrupps Besitz zu ergreifen. In 
mustergültiger Weise vollzog sich das an mehreren Tagen 
wiederholte Zerstörungsschießen. Mit großem Schneid war- 
fen am 18. Juli die Stoßtrupps des Infanterieregiments 
178 den Gegner auf fast 4 Kilometer Breite aus seinen 
Stellungen am Park von Dubatowka, Leschtschenjäty und 
Simionki, aus denen der Gegner von dieser Zeit ab für 
immer verdrängt blieb. Während des Zerstörungsschießens 
auf die feindlichen Gräben wurden über das sumpfige 
Hintergelände flüchtende russische Abteilungen durch gut 
liegendes Artilleriefeuer gefaßt und zerstreut. 
Abgesehen von der Besitznahme des starken russischen 
Stellungssystems wurde durch Uberläuferaussagen fest- 
gestellt, daß der Gegner deutsche Entlastungsangriffe im 
Bereiche der 123. Infanteriedivision befürchtete und in- 
folgedessen Kräfte, die für seine Angriffe im Raume Smor- 
gon— Krewo bestimmt und schon dorthin in Marsch gesetzt 
waren, gegenüber der 123. Infanteriedivision zurückhielt. 
Durch unablässige Vorstöße wurde der Gegner dauernd in 
dieser Beurteilung der Lage bestärkt. Während so alle unter 
dem Befehl der 123. Infanteriedidtsion stehenden Trup- 
pen sowohl in schneidigen Unternehmungen als auch in 
dauernder höchster Gefechtsbereitschaft vortreffliches leiste- 
ten, hatten die auf dem eigentlichen Kampffelde der Ab- 
wehrschlacht eingesetzten Truppen der Division hervorragen- 
den Anteil an der Rückeroberung der von der 226. Infan- 
teriedivision verlorenen Stellungen. 
Am 20. Juli wurde das Reserve-Infanterieregiment 106 
nach Soly in Marsch gesetzt. Die im Abschnitt eingesetzten 
Regimenter 178 und 351 beunruhigten den Feind weiter 
durch Patrouillenunternehmungen. So zeichneten sich am 
26. August Stoßtrupps aus, welche gegen die feindlichen 
Stellungen bei Simionki vorgingen. Einer dieser Abtei- 
lungen gelang es durch die stark beschädigten Hindernisse 
in die feindlichen Gräben einzudringen. Ohne auf einen 
Russen zu stoßen, wurde der Graben auf etwa 300 Meter 
Breite abgesucht. Außer herumliegender Infanteriemuni- 
tion wurden keine Ausrüstungsstücke oder Waffen gefunden. 
In der Morgendämmerung kehrte der Stoßtrupp ungehin- 
dert in die Ausgangsstellung zurück. Zwei andere Stoß- 
trupps kamen bis an die feindlichen Horchposten heran. 
Hier wurden sie von den russischen Grabenbesatzungen leb- 
haft beschossen und zur Rückkehr gezwungen. Am Abend des 
27. Juli griff ein Teil der Divisionskampfschule Simionki 
an. Es gelang in den russischen Graben einzudringen und 
einen Posten und einen anderen Russen nach heftiger Gegen- 
wehr im Unterstande niederzumachen. 
Auch in den nächsten Tagen war die Patrouillentätigkeit 
rege, bis am 2. August vom verstärkten III. Armeekorps 
der Befehl eintraf, daß die 123. Infanteriedivision von 
der 226. Infanteriedivision, der sie in den Abwehrkämpfen 
so tatkräftig Hilfe geleistet hatte, abgelöst würde und in 
der Gegend von Soly zu anderweitiger Verwendung bereit- 
zustellen sei. Am 3. und 4. August wurde die ÜUbergabe 
des Abschnitts durchgeführt. Die Truppen gelangten dann 
mittels Förderbahn und Landmärschen in die Gegend von 
Soly und wurden dort untergebracht. Sie fanden hier in
	        
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