Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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Stoßtrupp, den er gegen die Burg ansetzte. Wohl gaben 
die Wethenici, die dem Markgrafen dienenden, mit kleinen 
Lehen in der Vorstadt ausgestatteten Wendenkrieger, als- 
bald die Verteidigung ihrer unterhalb der Burg gelegenen 
Ansiedlung auf und zogen sich auf das Hauptbollwerk, 
die auf dem Bergdersprunge gelegene Burg selbst, zurück, 
die die deutschen Mannen besetzt bielten. Unter den Hinden 
der plündernden Polen ging die Unterstadt in Flammen 
auf und durch Flugfeuer oder Feuerpfeile fingen auch die 
Bauten der Burg an zwei Stellen Feuer. Die Lage wurde 
um so drohender, als gleichzeitig der Sturm mit größter 
Heftigkeit begann. Doch den von zwei Seiten bedrohten 
Verteidigern erwuchs willkommene Hilfe in ihren Frauen 
und Mädchen: Markgraf Hermann hatte in höchster Be- 
drängnis alo gläubiger Christ seine Zuflucht zum Gebete 
genommen und Christi Hilfe und die Fürbi#tte des heiligen 
Donatus, des Meißner Patrons, angerufen; dabei kam ihm 
der rettende Gedanke, als sein Beick auf die gleichfalls zum 
Gebet versammelten Frauen fiel. Statt sie weiter beten 
und bangen zu lassen, stellte er sie mit zur Hilfeleistung 
an; die einen trugen Steine herzu, die man den stürmen- 
den Polen entgegenschleuderte, andre löschten die Feuer- 
stellen durch Met, da es an genügendem Wasser auf der 
Höhe fehlte. Den vereinten Kräfzen gelang die Abwehr, 
Meißen war für diesen Tag gerettet. Miesko, der von einer 
Nachbarhöhe den Angriff geleitet haite, sah sich zum Ab- 
warten genötigt, bis er Verstärkungen herangezogen hatte; 
als aber erst spät die Streifscharen ermüdet wieder in 
sein Lager einrückten und er sie nicht sofort zur Fortsetzung 
des Sturmes verwenden konnte, gereichte dieser Aufschub 
der Burg zur Rettung. Ein plötzliches Ansteigen des Wasser- 
standes der Elbe bedrohte die rückwirtige Verbindung der 
Polen, die deshalb das linke Ufer räumten und osiwärts 
abzogen. Wir haben es ja bei den meisten dieser Kriegs- 
züge nicht mit lang vorbereiteten, sorgfältig ausgerüsteten 
strategischen Plänen zu tun, sondern mit rasch beschlossenen, 
rasch durchgeführten Uberfällen und Raubzügen, deren Er- 
folge im Verwüsten und Fortschleppen von Menschen und 
andrer Beute oder in der überraschenden Einnahme fester 
Plätze bestand, die man als Stützpunkte der Eroberung fest- 
halten wollte. Die erfolgreiche Verteildigung Mei- 
ßens ist die erste, genau bekannte Ruhmestat un- 
serer Heimatgenossen im Vaterlande selbst. 
Auch in der Folgezeit beteiligten sich die Meißner unter 
ihren Markgrafen an den Kämpfen im Östen, so an den 
Reichskriegen Kaiser Heinrichs IIII gegen Böhmen und 
andere. Markgraf Wilhelm von Meißen bewährte 
sich 1061 auf dem ungartschen Feldzug als reckenhafter 
Streiter. Wilhelm führte das Reichsheer gegen die Ungarn; 
bei Wieselburg, südlich von Preßburg, wurden die Deutschen 
von der ungarischen Übermacht geschlagen; Wilhelm aber 
und Bischof Eppo von Naumburg hatten sich auf eine An- 
höbe zurückgezogen, wo sie rings umstürmt und von er- 
schlagenen Feinden umhäuft vom Abend bis zum Morgen 
einen von den Zeitgenossen bewundertren Heldenkampf durch- 
fochten. Nicht feindliche Waffengewalt, sondern Hunger und 
Erschöpfung nötigten die beiden sich zu ergeben, aber selbst 
den Feinden hatte Wilhelms Heldentum solche Achtung ein- 
geflößt, daß der ungarische Königssohn Geisa für die Ge- 
fangenen nicht nur milde Behandlung erwirkte, sondern Wil- 
helm sogar die Hand einer ungarischen Königstochter zugesagt 
erhielt. Sein früher Tod im nächsten Jahre verhinderte 
diese Ehe. 
Die folgenden Jahrzehnte bieten ein endloses Wirrsal von 
Kämpfen. Nach Wilhelms und ÖOttes, seines Bruders, Tod 
war Meißen an das Haus der Brunonen gekommen, an 
Ekbert J. und seinen Sohn Ekbert lI.; letzterer war eine 
kriegerische, unruhige Natur, persönlich tapfer, aber kein 
Feldherr, mehr ein Streifscharenführer, der haltlos bald 
zum Kaiser Heinrich IV., bald zu dessen Gegnern hielt. Erst 
sein Tod los0 gab dem Lande mehr Ruhez gleichzeitig trat 
in unserer Mark als Nachfolger in der Fürstenwürde das 
Geschlecht auf, das in der Niederlausitz bereits seit fast 
sechzig Jahren regierte: 
Die Wettiner 
Markgraf Heinrich I. (von Eilenburg, so genannt 
nach diesem alten Besitz seines Hauses) ist der erste Wet- 
tiner, der in Meisten und zugleich in der Lausitz des Mark- 
grafenamtes waltete. Ihm folgte 1103 sein Sohn Hein- 
rich II., diesem, wenn auch nicht ohne Kämpfe und Schwie- 
rigkeiten, sein Vetter Konrad (der Große, von Wettin), 
der sich gegen den vom Kaiser Heinrich V. eingesetzten Wi- 
precht von Groitzsch behaupten konnte, da der ihm feindlich 
gesinnte Kaiser bereits im Jahre 1125 starb und der Kaiser 
Lothar, Heinrichs V. Nachfolger, Konrad wohlgesinnt war; 
von ihm erhielt er 1135 auch die Lausitz. Im folgenden 
Jahre begleitete er den Kaiser auf seinem italienischen 
Heerzuge. Als man in die Nähe Anconas kam, führte 
Konrad zusammen mit dem Magdeburger Erzbischof die 
Vorhut, die von den Feinden mit Ubermacht angegriffen 
wurde; es gelang ihm und dem später herankommenden 
Kaiser, die Italiener vernichtend zu schlagen, der Fall An- 
conas war die Folge dieses Sieges. Als nach Lothars Tod 
1137 der Staufer Herzog Konrad von Schwaben zum 
deutschen König gewählt wurde, war Markgraf Konrado 
Haltung zuerst ablehnend, bald aber treffen wir ihn unter 
den Anhängern des Königs, der ihm die Lande Budissin 
und Nisan (Bautzen und das Meißner Hochland) und später 
auch Nochlitz verlieh. Doch nicht bloß weltlichem Länder- 
gewinn galt Konrads Streben; auch seinem Seelenheil 
wollte er mit dem Schwerte dienen. Sein Leben fallt in 
die gewaltige, ganz Europa mit Unruhe und Waffen- 
rüstungen erfüllende Bewegung der Kreuzzüge. Während 
jedoch die Mehrzahl der teils von idealer Glaubensbegeiste- 
rung durchglühten, teils von aben:euerlicher Kampflust er- 
regten Kreuzfahrer sich nach Südosten wandte, um die hei- 
ligen Stätten von Christi Leben und Leiden den Händen 
der sogenannten Ungläubigen zu entreißen und auch viel 
deutsches Blut für ein edelgemeintes, aber nutzloses Trug- 
bild verbraucht wurde, begnügte sich Konrad 1145 mit einer 
friedlichen Wallfahrt in das Heilige Land; den christlichen 
Schwertdienst aber leisteten er und seine Mannen der Hei- 
mat. Er strebte, mit den Forderungen des Glaubens die 
praktische Notwendigkeit als deutscher Grenzhüter zu ver- 
einigen: im Kreuzzuge gegen die heidnischen 
Wenden, insbesondere die Kiutizen, die die Lausitz gefähr- 
deten, erhoffte man dieselben himmlischen Gnaden und 
Vorzüge, die den Orientkämpfern zugesichert waren, und 
dehnte zugleich die deutschen Grenzen in die noch unbezwun- 
genen Lande dieser Feinde aus. 
Vor seinem Tode teilte Konrad seine ausgedehnte Herr- 
schaft unter seine fünf Söhne, von denen der älteste Otto, 
der die Mark Meißen, und Dietrich, der die Marken Lausitz 
und Landsberg mit Eilenburg erhielt, hier genannt seien. 
Alle Glieder des wettinischen Hauses zeichneten sich durch 
ihre Treue zum hohenstaufischen Kaiserhause 
aus und traten zugleich als Gegner des mächtigen Herzogs 
von Sachsen (das heißt Niedersachsen) und Bayern, Hein- 
richs des Löwen, auf. Ald das ka serliche Strafgericht über 
den treulosen und übermütigen Welfen hereinbrach, war 
besonders der Lausitzer Markgraf Dietrich einer der Haupt- 
vertreter scharfer Ahndung. Überhaupt lernen wir in dem 
Markgrafen Dietrich eine leidenschaftliche Natur kennen; 
mag auch die Erzählung über sein Auftreten beim Frie- 
densschluß in Venedig ausgeschmückt sein, so entspricht 
sie doch völlig dem schroff losfahrenden Wesen des Mannes, 
der unbeirrt das, was er als recht und würdig empfand,
	        
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