Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

laue und zögernde Art des Vorgehens geeignet war, einem 
jungen, feurigen Soldaten die ganze Kampfesfreude zu ver- 
gällen, gab Moritz gerade damals einen schönen Beweis 
seines soldatischen Pflichtgefühls. Sein jüngerer Bruder 
August (der spätere Kurfürst) befand sich am Hofe des 
römischen Königs Ferdinand, wo es ihm wenig behagte; 
er regte deshalb bei Moritz an, da mit dem Kriege doch 
nichts rechtes würde, solle er lieber nach Hause auf die 
Jagd gehen und ihn mitnehmen. Diese jugendlich leicht- 
herzige Auffassung Augusts von Fürsten= und Feldherrn= 
pflichten fand aber bei Moritz trotz dessen eigner Jazd- 
neigung beinen Beifall: die bisherige Kriegführung gefalle 
ihm auch nicht, schrieb er zurück, „doch ist unser Hoffnung, 
es solle nit ledig ablaufen und ichts wurklichs und frucht- 
bars ausgericht und geschafft werden; aber uns one das 
um der waidnischen Lust willen anheim zu fugen, seind 
wir (ungeacht, ob wir uns selbs wol zu erinnern wissen, 
daß wir allhie wenig Rum erjagen mogen, hoffen wir 
doch bein Unehr einzulegen) noch zur Zeit nit bedacht“. 
Er mußte allerdings sein Verlangen, an den Feind zu 
kommen, noch lange zügeln; seit dem 18. Juni war er 
in und bei Wien, im Juli lagerte man bei Raab, im 
August und September bei Gran; erst am 28. September 
rückte man vor Pest. Moritzers Hoffnung baldiger Er- 
stürmung dieser Festung sollte aber nicht in Erfüllung 
gehen, der Sturm am 28. September wurde von den 
Türken kraftvoll zurückgeschlagen. Wiederholt kam es zu 
Scharmützeln und in dem einen brachte den jungen Fürsten 
sein ungestümer Kampfesmut in schwerste Gefahr. Am 
1. Oktober unternahmen die Türken einen Ausfall, 
das christliche Heer rückte ihnen entgegen, in den hitzigen 
Kampf griff auch Moritz ein. Seine Hast und seines 
Rosses Schnelligkeit trennte ihn von seinen Sachsen, als 
er voll Eifer auf eine Türkenschar losstürmte, nur sein 
Diener Reibisch, mit dem Beinamen Schnauber, konnte 
ihm folgen. Beim Ansprengen rannte Moritz einem Tür- 
ken seinen Spieß durch den Hals, im folgenden wilden 
Handgemenge zerriß ihm aber der Sattelgurt und er stürzte 
zu Boden. Sofort fielen mehrere Türben über ihn her, 
aber Reibisch sprang ihm bei, erlegte zwei der Feinde, 
wurde aber mit Hieben und Stichen so zugerichtet, daß er 
starb; denn er und Moritz selbst hatten sich bei dem plötz- 
lichen Angriff nicht Zeit genommen sich zu rüsten, sondern 
waren ohne Harnisch aufgesessen. Inzwischen waren aber 
andre auf das Getümmel aufmerksam gewerden und 
rannten herbei; ihnen gelang es, den wunderbarerweise 
unverletzt gebliebenen Herzog herauszuhauen, ihm auf ein 
Pferd zu helfen und ihn dadurch zu retten. Sein Ratgeber 
Georg von Carlowitz schrieb über den Vorfall an des 
Fürsten Schwiegervater, den Landgrafen Philipp von 
Hessen, rühmend und rügend zugleich, denn Moritz selber 
hatte sich in seinem Briefe an Philipp mit der bescheidenen 
Zurückhaltung des echten Kriegers, der nicht selbst von 
seinem Mut und seinen Taten sprechen mag, darüber aus- 
geschwiegen, aber die Kunde verbreitete sich bald und der 
bebannteste Meistersinger dieser Zeit, Nürnbergs berühmter 
Dichter und Schuhmacher Hans Sachs, verherrlichte den 
Kampf in einer Strophe: „Herzog Moritz, der theuer 
Fürst — Der wehrt' sich als ein kühner Held, — Wurd' 
von der Türken Meng“ gefällt. — Jedoch einer seiner 
Trabanten — Von Adel ist ihm beigestanden — Hat auch 
darob sein'n Leib verlorn — Doch ward errett't der wol- 
geborn.“ Nachdem noch ein hitziger Sturm auf eine Bresche 
von den Türken tapfer und mit großem Verlust der 
Christen am 7. Oktober abgewehrt worden war, brach man 
die Belagerung ab und zog zurück. Durch seine Abreise 
am 8. Oktober entging Moritz einer neuen Gefahr, denn 
am 9. Oktober kam es mit den nachrückenden Türken zu 
einem heftigen Kampfe, bei dem diese zwar verlustreich 
253 
zurückgeschlagen wurden, aber viele vornehme Deutsche 
fielen, so daß Carlowitz an Landgraf Philipp schrieb, es 
sei gut, daß sein Herr schon weggewesen sei, denn wer 
sich zu weit hervorgetan habe, was er (Moritz) dann schwer- 
lich gelassen hitte, sei geblieben. 
Hatte dieser Feldzug dem damaligen Erbfeind im Osten 
gegolten, so der des nächsten Jahres im Heere des Kaisers 
Karl V. selbst dem alten, ewigen Erbfeind im 
Westen, den Franzosen. Der Krieg führte 1543 den 
Herzog in belgische und nordfranzösische Ge- 
biete, die im großen Weltkrieg oft als Stitten deutschen 
Waffenruhms genannt wurden; es ist im Hinblick auf die 
Bestrebungen der deutschen Verwaltung in Belgien zur 
Hebung des Vlamentums bemerkenswert, daß in den 
Briefen jener Zeit, auch in Moritzens Schreiben, die Orte 
fast alle mit ihren alten deutschen, beziehentlich vlämischen 
Namen auftreten, Mons heiß: Berga im Hennegau, Löwen 
(Louvain) — Lauen, Le Quesnoy = Kenau, Cambray — 
Camerich. Moritz weilte im Oktober und November da- 
selbst, doch hatten die Sachsen beinen Am#aß sich aus#zu- 
zeichnen. Für das Jahr 1544 wurde Moritz die Führung 
seines Kontingents von lo00 Reizern übertragen. Da die 
Bistümer Metz, Toul und Verdun damals noch nicht von 
Frankreich geraubt waren, auch das Herzogtum Lothringen 
noch zum Deutschen Reiche gehörte, konnte der Stoß von 
Anfang an tief nach Frankreich hinein geführt werden. 
Die Franzosen beschränkten sich im wesentlichen auf die 
Behauptung der Marnelinie St. Dizier, Vitry, Chalono, 
Reims. Moritz wurde mit seinen Neitern und einer Ab- 
teilung von Spaniern gegen Vitry-le-Francof-o (süd- 
östlich von Chalons) entsendet, das er am 24. Juli er- 
stürmte; ein eigentümliches Schicksal ließ also dasselbe Vitry, 
das in den herrlichen ersten Septembertagen von 1914 von 
sächsischen Regimentern besetzt wurde, vor 370 Jahren auch 
in die Hand des Sachsenherzogo fallen. Bei der Einnahme 
waren der Sgadt die zeitüblichen Greuelszenen nicht erspart 
geblieben und man hatte die Schuld Moritzens Leuren zu- 
geschoben; da verwahrte er seine und seiner Leute Kriegs- 
ehre sehr entschieden in einem unmittelbaren Schreiben an 
seinen obersten baiserlichen Kregöherrn Karl V. und be- 
wies in einem beigelegten längeren Bericht, daß er und 
die Seinen das meiste geleistet hatten beim Kampfe, die 
Ausschreitungen hingegen den Welschen zur Last fielen. Sehr 
anschaulich schildert dieser ausführliche Heeresbericht des 
sächsischen Heerführers die Vorfälle, so daß er hier im 
Wortlaut beigegeben sein möge. 
„Mir kommt vertraulicher geheimer Weis fur, wie Eure 
Nomische Kaiserliche Majestat Bericht entpfangen, daß in 
jungst mit den Franzosischen ergangner feindlicher Hand- 
lung meine Reuter die Stadt Vitry geplundert, 
angezundet, Weib und. Kind erschlagen, weg- 
gefuhrt und sonst ungebuhrlicher Gestalt ge- 
handelt, auch vor den Feinden etwas gestutzt und nicht 
nachgedruckt haben sollten, han ich in Ansehung meiner und 
der Meinen Unschuld und daß mir solchs von meinen wider- 
wertigen Misgonnern ohn allen bestendigen Grund der 
Wahrheit unbilliger Weis auferlegt wird, mit Beschwerd 
meines Gemueths vernommen, verhoff auch nicht, daß 
E. Rom. Kais. Majestat noch jemands anders solcher Ge- 
stalt zu gebaren mich erkannt haben.“ Er habe am liebsten 
die ganze Sache mit Stillschweigen übergehen wollen, habe 
aber solche ehrliche Männer von Stand und sonst gute 
Leute unter seinem Befehl, die um der Ehre und um des 
Kaisers willen am Kriege teilnähmen, die sich dadurch be- 
schwert fühlten und es nicht passieren lassen würden. Der 
Kaiser möge deshalb nicht dem ungerechten Bericht, son- 
dern seiner (Moritzens) schriftlichen beiliegenden Anzeige 
Glauben schenken. Er sei auch bereit, sich den Verleumdern 
persönlich gegenüberzustellen und zu verantworten. Der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.