Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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höheres Ziel lockte, die durch Johann Sobieskis Tod 1696 
erledigte polnische Königskrone; aber sächsische Truppen 
unter dem Befehl des Feldzeugmeisters Grafen Reuß 
blieben auch ferner in Ungarn und hatten Anteil an dem 
großen Türkensiege des Prinzen Eugen von Savoyen 
bei JZenta am 1. September 1697. Die sächsischen Ver- 
luste hierbei waren an Zahl nicht beträchtlich, unter ihnen 
befand sich aber der Oberkommandierende der Sachsen, 
Feldzeugmeister, zuletzt Feldmarschall Graf Reuß selbst, 
der am 11. Oktober seiner Verwundung erlag. 
Bei seiner Erhebung zum König von Polen hatte Au- 
gust in den Pacta conventa, dem zwischen ihm und der 
  
Johann Matthias Graf von der Schulenburg, 
sächsischer Genecalleutnant 
Republik Polen vereinbarten Wahlvertrag, beschwören müssen, 
die Festung Kamienier in Podolien, die 1672 von den 
Türken erobert worden war, zurückzugewinnen. Er unter- 
nahm desöhalb bereits 1608 einen Feldzug zur Rückerwer- 
bung Podoliens und der Ukraine, wobei ihn besonders der 
Gedanke mit antrieb, dem polnisch-sächsischen Handel einen 
Ausgang nach dem Schwarzen Meere zu verschaffen. In- 
folge des unsicheren Zustandes der polnischen Kronarmee 
und der litauischen Armee, die weniger ein Machtmittel 
des Herrschers, als ein gefährliches Werkzeug in der Hand 
ihrer oft unbotmäßigen Führer, des Krongroßfeldherrn und 
des litauischen Feldherrn, waren, war die Stellung eines 
Polenkönigs ziemlich machtlos, wenn er sich nicht auf eine 
ihm wirklich treue und zuverlässige Truppenmgcht stützen 
konnte; daher war es Augusts Streben, einen Teil seiner 
sächsischen Armee, die damals schon zu fast drei Vierteln 
aus ausgehobenen sächsischen Landeskindern bestand, in Polen 
bei sich zu haben, ein Streben, das freilich bei den Polen auf 
wenig Gegenliebe stieß, da ihnen sowohl der Unterhalt 
dieser Truppen lästig, wie ihre Anwesenheit an sich schon 
als Hemmnio ihrer politischen Umtriebe verhaßt war. Lang 
andauernde, heftige Streitigkeiten zwischen dem König und 
seinen rebellischen Untertanen über die Belassung oder Ent- 
fernung der sächsischen Truppen in Polen haben sich daher 
jahrelang hingezogen und bildeten besonders in den Jahren 
nach Augusts Wiederfestsetzung auf dem Thron nach 1700 
bis 1717 den Anlaß heftigsten Widerspruchs und sogar 
erbitterten Bürgerkriegs. 
Zunächst aber beim Regierungsantritt war diese Stim- 
mung unter den Polen noch nicht verbreitet und sie ließen 
es sich recht wohl gefallen, daß sächsische Truppen bei 
Lemberg in Galizien zusammengezogen wurden, um ver- 
eint mit den Polen gegen die Türken zu fechten. Es 
kam jedoch nicht zu ernsteren Kämpfen; der herannahende 
Winter und dann am 12. Januar 1690 der Friede von 
Carlowitz zwischen Österreich, Polen und der Türkei be- 
endeten den Krieg, August räumte die in der Moldau be- 
setzten Plätze und gab der Türkei dieses Land zurück, wo- 
gegen der Sultan Mustafa lI. seine Truppen aus der 
Ukraine und Podolien mit Kamieniec zurückzog, so daß 
August sein der Republik gegebnes Versprechen der Rück- 
gewinnung dieser Grenzfestung einlösen konnte. 
Der Schwedisch-Polnische Krieg 1700—1706 
Es galt nun, auch die Provinz Livland, die Polen be- 
anspruchte, den Schweden abzunehmen. Die Gelegen- 
heit schien günstig, da gegen den jungen Schwedenkönig 
Karl XlI. sich ein übermächtig scheinender Bund von Dine- 
mark (zu dem damals auch Norwegen gehörte), Sachsen— 
Polen und Rußland bildete. Ein Handstreich sächsischer 
Regimenter gegen Riga selbst im Winter 1699 auf 1700 
scheiterte zwar, aber außer anderen bleinen Befestigungen 
wurde die Hafenfestung von Riga, Dünamünde, be- 
stürmt und mußte am 23. März kapitulieren, am 30. Jull. 
1700 wurde ein schwedisches Heer bei Jungfernhof ge- 
schlagen, Niga selbst eingeschlossen, am 7. Oktober Koben- 
husen an der Düna oberhalb Rigas erstürmt. Karlo XII. 
Sieg bei Narwa am 20. November vernichtete aber das 
russische Heer Peters des Großen und die Sachsen bezogen 
an der Dünga Verteidigungsstellungen, die teil- 
weise den Stellungen entsprechen, in denen mehr als zwei 
Jahrhunderte später, seit dem Herbst 1015, auch sächsische 
Truppen die Dünalinie behaupteten, nur daß im Jahre 
1700 die Sachsen auch drei Brückenköpfe auf dem rechten 
nördlichen Ufer hielten, während lols feindliche Streit- 
bräfte auch noch Teile des Südufers innehatten. Sächsischer 
Befehlshaber war Feldmarschall Steinau, unter ihm Ge- 
neral von Paykul. Oberhalb Rigas gelang aber den Schwe- 
den im folgenden Jahre 1701 unter Benutzung von Ka- 
nonenboten überraschend der Dünaübergang und sie konnten 
nun am 1o. Juli die sächsische Stellung auf dem linken 
Ufer aufrollen, zumal von den Sachsen nur 4400 gegen 
über 20 Oco Schweden im Gefecht gewesen waren. Das 
sächsische Heer wurde nach Sachsen zurückgeführt. Nur die 
kleine Festung Dünamünde (die Sachsen hatten sie 
bei der Besetzung Augustusburg umbenannt) blieb von 1047 
Mann, meist Grenadieren aus verschiedenen Regimentern 
unter dem Obersten von Kanitz besetzt und wahrte in 
einer halbjährigen schweren Belagerung trotz andauernder 
Beschießung, Nahrungomangel, Krankheiten und völliger 
Aussichtslosigkeit von Entsatz die Ehre des sächsischen 
Heeres. Von Juli bis Dezember hielten die Wackeren gegen 
zehnfache Ubermacht stand, bis sie auf 16 Hffiziere und 
53 Mann zusammengeschmolzen waren, die am 21. De- 
zember 1701 mit kriegerischen Ehren abzogen und in die 
Heimat zurückkehren durften; selbst ein so energischer, 
rücksichtsloser Soldat wie ihr königlicher Gegner Karl XII. 
war voll Lobes ihrer mutigen, heldenhaften Ausdauer. 
Ungehindert, da Polen auch in diesen kritischen Zeiten in 
Prrteiungen gespalten blieb und die polnischen Truppen 
zur in geringer Jahl zusammenkamen, rückten die Schwe- 
den in Litauen und im Frühjahr 1702 in Polen selbst 
ein und besetzten Warschau; die neu hinbeorderten sächsi- 
schen Truppen marschierten nach Krakau, wurden aber 
am 10. Juni 1702 bei Klissow (nordöstlich von Krakau)
	        
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