Augusts und seines neugeschaffenen und neuausgebildeten
sächsischen Heeres nichts mit unmittelbarer Beteiligung der
Sachsen an Feldzügen zu tun hat, erschien es doch not-
wendig, gerade diese militärische Reformarbeit, die viel
zu wenig bekannt und gewürdigt ist und die doch den
Grund legte zu der späteren kriegerischen Tüchtigkeit des
sächsischen Heeres, in Kürze mit zu betrachten, auch mit
um ein gerechteres Urteil über diesen Fürsien zu ermög-
lichen, der neben unleugbaren Schwächen und Fehlern auch
in hohem Maße Eigenschaften und Interessen besaß, die
sein Andenken gerade in Soldatenkreisen ehrenvoll lebendig
erhalten müssen.
Als August der Starke am 1. Februar 1733 in Warschau
starb, hinterließ er seinem Sohne ein Heer, das wohl an
Jahl, kaum aber an Güte dem preußischen nachstand; trotz
der riesigen Geldausgaben, die seine glanzvolle, luxus-
liebende Hofhaltung und seine kostspieligen persönlichen
Neigungen verursachten, war Sachsen dank seiner wirt-
schaftlichen Blüte in der Lage, auch diese beträchtlichen
Militärlasten zu tragen. Erst die Unfähigkeit des Nach-
folgers Friedrich August II., als König von Polen
August III. (1733—1763), und seiner Minister ließ
dieses brauchbare Werkzeug zur Wahrung und Sicherung
von Sachsens Bedeutung in Deutschland im Laufe der
nächsten zwanzig Jahre elend verkümmern.
Graf Moritz von Sachsen.
Der Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht
Wir können aber nicht von August dem Starken scheiden,
ohne noch eines ihm nahestehenden Mannes zu gedenken,
des Sachsen, der im 18. Jahrhundert den sächsischen Namen
in militärischer Hinsicht zum höchsten Ruhme bringen sollte:
seines Sohnes Moritz. Augusts einziger Sehn aus seiner
Ehe mit Christiane Eberhardine von Balreuth, der regierende
Kurfürst, war dem Vater geistig so unähnlich wie nur
möglich; ein um so treueres Ebenbild des Königs war da-
für sein Sohn auo seiner Verbindung mit der schönen
Gräfin Aurora Lon Königsmark: Moritz Graf von
Sachsen, berühmt unter dem Namen des Marschalls
Moritz. Moralisch mit denselben Fehlern der Zügellosigkeit
und Genußsucht behaftet, hatte er auch seines Vaters Körper
und Geist geerbt; begabt mit stattlicher Körperkraft, ein
unerschrockener Solde“ von größter persönlicher Tapferkeit,
die gelegentlich an Tollkühnheit grenzte, erfüllt von leb-
haftestem Interesse für alles Militärische, aber kein bloßer
Haudegen, sondern ein denkender Offizier, ein Mann von
selbständigem Blick und Urteil, ein hervorragender Feldherr,
der vor seinem Vater das Glück und das Geschick voraus-
hatte, in allen seinen Schlachten Sieger zu sein: so er-
scheint uns Moritz. Bereits in früher Jugend, als zwölf-
jähriger Knabe, nahm er an den Kämpfen der sächsischen
Truppen in den Niederlanden und Nordfrankreich teil, so
bei Lle 1708, auch am Feldzug in Pommern, trat aber
1720, da die lange Ruhepause im sächsischen Dienst ihm
zu wenig Gelegenheit zur Befriedigung seines Ehrgeizes
bot, in französische Dienste, wo er bald Marschall (maröchal
de camp, etwa unserm Generalmajorsgrad entsprechend),
1744 Marschall von Frankreich und 1747 General-
marschall aller Armeen wurde.
Im Oezember 1732 erkrankt, schrieb er nach seiner
eignen Auosage in dreizehn schlaflosen Nächten das geniale
Werk nieder, das seinem Namen unter den kriegswissen-
schaftlichen Schriftstellern einen Ehrenplatz verschaffte und
bei so bedeutenden Beurteilern, wie Friedrich dem Großen,
dem Prinzen von Ligne, dem Grafen Vorck von Warten-
burg, hohe Anerkennung fand. Eine Fülle von Ideen
mutet ganz neuzeitlich an und manches ist teilweise in
neuester Zeit wieder erneut zur Geltung gekommen, so die
Verwendung von spanischen Reitern und Erdsäcken im
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Feldkriege und die stärkere Ausnützung der Feldartillerie;
die Stellen über die Zugänglichmachung der Offizierslauf=
bahn für Nichtadelige, die Einrichtung von Militärbiblio-
theken, die Bekämpfung des Duellmißbrauchs, die Wert-
schätzung kirchlicher Gebräuche im Heere, zeugen gleichfalls
von seiner Vielseitigkeit und selbständigen Denkweise.
„Meine Träumereien oder Abhandlung über die
Kriegskunst“ betitelte er sein Werk, das natürlich nicht
in jener kurzen Zeitspanne geistig erzeugt wurde, sondern
dessen Probleme ihn seit Jahren beschäftigten; nur der
schriftliche Niederschlag seiner Gedankenarbeit verdankte
jener unfreiwilligen Mußt seine rasche Entstehung. Das
Graf Moritz von Sachsen
erste Kapitel des ersten Buches handelt: Über die Art,
Truppen auszuheben, sie zu bekleiden, zu unterhalten, zu
bezahlen, einzuüben und für den Kampf zu schulen, und
in dessen erstem Abschnitt äußert er sich nun, nachdem er
die in seiner Zeit üblichen Rekrutierungsarten verurteilt
hat, in der folgenden Weise über die Vorzüge der all-
gemeinen Wehrpflicht: „Würde es nicht besser sein, durch
ein Gesetz anzuordnen, daß jeder Mann, von welchem
Stande er auch wäre, verpflichtet sei, seinem Fürsten und
seinem Vaterlande während fünf Jahren zu dienen? Dieses
Gesetz würde nicht gemißbilligt werden bönnen, weil es
naturgemäß und gerecht ist, daß die Bürger zur Ver-
teidigung des Staates verwandt werden. Wenn man sie
zwischen dem 20. und dem Jo. Jahre auswählt, würde
das keinerlei Unzuträglichkeit mit sich bringen. Es sind
dies die Jahre der Ungebundenheit, in denen die Jugend
ihr Glück machen will, sich im Lande umsieht und den
Eltern wenig Unterstützung gewährt. Das würde auch
keine öffentliche Bekümmernis verursachen, weil jeder sicher
sein würde, nach Ablauf der fünf Jahre seinen Abschied
zu erhalten. Diese Art der Truppenaushebung würde einen
unerschöpflichen festen Bestand von schönen und guten
Rekruten ergeben, die nicht der Gefahr der Desertion aus-
gesetzt wären. In der Folgezeit würde man es sich sogar
alo Ehre und Pflicht anrechnen, seine Zeit zu dienen. Aber
um so weit zu kommen, wäre es notwendig, keinen Stand