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davon auszunehmen, in diesem Punkte streng zu sein und
darauf zu halten, daß dieses Gesetz vorzugsweise auf die
Edelleute und die Reichen Anwendung fände; niemand
würde darüber murren; dann würden die, welche ihre Zeit
gedient hätten, mit Geringschätzung auf die berabsehen, die
dem Gesetz zuwiderhandelten, und ganz unmerklich würde
es zu einer Ehre werden, zu dienen: der arme Bürger
würde sich trösten können mit dem Beispiele des reichen,
und dieser wieder würde nicht wagen, sich zu beklagen,
wenn er auch den Adligen dienen sähe. Der Krieg ist eine
ehrenvolle Tätigkeit. Wie viele Fürsten haben die Muskete
getragen!“
Das Hauptgewicht ist also auf die völlige Ausnahms-
losigbeit gelegt; bein Stand soll befreit sein. Dieser Stand-
punkt ist der Grundpfeiler der allgemeinen Wehrpflicht.
Dienstpflicht hatte es in gewissem Sinne zuch noch im
16. bis 18. Jahrhundert gegeben, die Lehnsfolge der Va-
sallen war nie aufgehoben, die übrigen Einwohner waren
teilweise zum Dienst bei den Defensionern, bei Schützen-
kompagnien und andern Einrichtungen verpflichtet. Aber
nirgends gab es eine Organisation, die alle Bevölkerungs-
kreise gleichmäßig umfaßte und erfaßte, die dem An-
gehörigen der oberen Gesellschaftsschichten und dem Reichen
es unmöglich machte, sich dem Dienste des Vaterlandes zu
entziehen. Mit seiner eignen Person sollte jeder einstehen;
verständnisvoll betont Moritz dabei, daß dann keiner mehr
Anlaß habe, sich beschwert zu fühlen; gleiches Recht für
alle war sein Grundsatz. Besonderes Feingefühl verrät der
Hinweis, wie der anfängliche Zwang sich bald zur Ebren-
sache herausbilden werde. Die Entwicklung im 19. Jahr-
hundert hat ihm durchaus recht gegeben, wenn er sagte,
daß der gediente Mann sich dem ungedienten überlegen vor-
kommen werde, eine Wahrnehmung, die man besonders auf
dem Lande stets machen kann; denn nicht bloß in seinen
eignen Augen fühlt sich der ehemalige Soldat, „der Re-
servemann, der treu gedient hat seine Zeit“, herausgehoben
aus der übrigen Bevölkerung, sondern auch in den Augen
jener andern selbst, vor allem der Frauen und Mädchen.
Mit dem Begriff des Nichtgedienthabens verbindet sich ja
leicht und unwillkürlich, besonders im Gedankengang der
einfachen Leute, die leise Vorstellung, daß da etwas nicht
recht in Ordnung sein müsse, mag es nun in gesundheit-
licher oder anderer Hinsicht sein.
Moritz war aber nicht nur ein selbständiger Beurteiler
militärischer Fragen und ein geistvoller Schriftsteller, son-
dern bewies seine kriegerische Befähigung auch praktisch
in der besten und wirksamsten Weise, im Kriege und auf
dem Schlachtfeld. Die glänzendsten Siege, die das damals
mit Friedrich dem. Großen gegen England und Österreich
verbündete Frankreich im ganzen 18. Jahrhundert errang,
sind an seinen Namen geknüpft: Fontenon 1745, Raucour
1746, Laffeld 1747. Auch die Einnahme zahlreicher fester
Plätze (Tournai, Gent, Audenarde, Ostende, Brügge, Namur,
Antwerpen, Bergen op Joom) gelang unter Moritzens
Oberbefehl und die Statthalterschaft der Niederlande mit
dem Sitz in Brüssel bildete 1743 den Abschluß dieses
Wirkens. Näher ist hier auf diese Kämpfe nicht einzugehen,
da es nicht sächsische Truppen waren, die sie ausfochten;
unvergessen aber in der sächsischen Kriegsgeschichte soll es
bleiben, daß ein Sachse es war, der zielbewußt vor Scharn-
borst und vor dem Grafen Wilhelm von Schaumburg-
Lippe für die allgemeine Wehrpflicht eintrat, und daß der-
selbe Sachse einer der glänzendsten Heerführer seines Jahr-
bunderts wurde, dem selbst ein Friedrich der Große höchste
Anerkennung zollte; als Moritz 1750 starb, ehrte er ihn
durch eine berühmte Ode, wie alle Dichnngen Friedrichs
in französischer Sprache, die mit den Worten beginnt:
„Er ist nicht mehr, dieser Sachse, der Held .. der das
Gleichgewicht des hochmütigen Engländers erschütterte, der
den erschreckten Belgier in seinen Schilfniederungen be-
-
Der polnische Thronfolgekrieg
In den ersten Regierungsjahren von Augusts des Starken
Nachfolger August III. überwog in der Leitung der sächsi-
schen Staatsgeschäfte noch nicht der Einfluß des persönlich
trotz boher Militärwürden unkriegerischen Premierministers
Grafen Brühl, sondern der des alten Feldmarschalls Grafen
Wackerbarth (der aber schon 1734 starb) und des Grafen
Alerander Joseph Sulkowoki, der als General unbedeutend
war, aber doch genügendes Interesse für das Militärwesen
besaß, um die sehönen Ergebnisse der Ausbildungstätigkeit
Augusts des Starken nicht zu verwahrlosen; auch trug der
alobald ausbrechende Kampf um die polnische Thronfolge,
den August IlII. gegen seinen Nebenbuhler Stanislaus
Leozezynski und dessen Schützer, die Franzosen, führte,
dazu bei, demn sächsischen Heere die gebührende Beachtung
zu sichern. Die sächsischen Truppen in Polen befehligten
Herzog Johann Adolf II. von Sachsen-Weißen-
fels und Graf Baudissin. Zu größeren Schlachten
kam es zunächst nicht; die Entscheidung drängte sich um
Danzig zusammen, worin Stanislaus mit einem Teile
seiner Anhänger und geringer französischer Unterstützung
sich festgesetzt hatte. Seit Februar 1734 belagerte ihn hier
ein schwaches russisches Heer unter General Lacy, dann
unter Feldmarschall Münnich mit wenig Erfolg; ein Sturm
auf den Hagelsberg am 9. Mai, um die Stadt vor dem
Eintreffen der Sachsen allein zu erobern, brachte den
Russen eine schwere Niederlage und große Verluste. Die
Heranbringung schwerer Artillerie aus Sachsen und die
Verstärkung der Belagerer durch die sächsischen Truppen
ermöglichten einen besseren Fortgang der Kämpfe, auch
russische Verstärkungen kamen heran. Die Sachsen, acht
Bataillone Infanterie und 21 Schwadronen Kavallerie,
lagerten westlich der Stadt bei Oliva und Langfuhr. Weißen=
fels führte die Einschließung energisch durch und ver-
schärfte die Beschießung; eine russische Flotte sperrte die
Verbindung mit der Ostsee. Am 24. Jum ergaben sich die
Franzosen in Fahrtasser und die Besatzung der Hafen-
festung Weichselmünde an die Russen und Sachsen; Sta-
nislaus floh nächtlich aus Danzig, das am gH. Juli kapitu-
lierte und August als König huldigte.
Im Jahre 17385 hatten kleinere sächsische Truppenkörper
in Polen wiederholt durch Uberfälle und Einschließungen
seitens größerer Scharen von Anhängern des Gegenkönigs
zu leiden, erwehrten sich ihrer aber aufs tapferste und mit
großem Verlust der Polen, so am 10. und 18. Februar
bei Konopnice, wo der Major O Byrn mit Promntitz-
Kürassieren, und bei Warta (zwischen Kalisch und Lodz),
wo Generalleutnant von Birkholz und unter ihm besonders
Oberstleutnant von Maffey mit Chevalier-de-Sare-Dra-
gonern sich sehr wacker schlugen. Rühmlich war auch die
Verteidigung von 260 Mann des Iufanterieregiments
Nochow unter Major von Watzdorf im Schlosse zu Karge
(das ist Unruhstadt südwestlich von Posen) am F*. und
6. März gegen eine Übermacht von mehreren tausend Polen;
zwei Tage hielt sich die kleine Schar gegen alle Angriffe
und schließlich mußten ihr die Polen freien Abzug mit
klingendem Spiel gestatten. Eine gemischte Abteilung von
400 Sachsen und 250 Russen unter dem Generalmajor
von Spybilski schlug und zersprengte einen polnischen Haufen
von fast 8o0o Mann am 20. März bei Lissa (in der Pro-
vinz Posen). Gleichzeitig nahmen am Rheinfeldzug
des Reichsheeres gegen Frankreich auch Sachsen unter
dem Generalleutnant Freiherrn von Friesen teil und be-
währten ihren alten Ruf, doch verlief der Feldzug ohne
wesentliche Erfolge und wurde durch den Wiener Vertrag
im Oktober 17338 beendet, der Augusts III. polnisches König-
tum sicherte.