mußte wieder aufgegeben werden, und die Sachsen mar—
schierten schließ ich mißmutig und hungrig nach dem nörd-
lichen Böhmen ab. Bei solch schlimmer Lage übernahm am
J. April 1742 Herzog Johann Adolf II. von Weißenfels
den Oberbefehl. Tief bekümmert hatte dieser erfahrene
Führer bisher zusehen müssen, wie Brühl das wichtigste
Mittel jeder Politik, das Heer, verbümmern ließ, wie die
Soldaten an Brot und Kleid Mangel litten. Selbst ein
guter Hauahalter, sab er die Wurzel allen Ubels in der ver-
lotterten Geldwirtschaft des Ministers, tiefer Ingrimm,
Haß und Verachtung erfüllten sein Herz. Aber er ordnete
seine Gefühle dem Wohle des Vaterlands unter. Ein treuer,
ehrlicher Mann, ein immer sorgender Soldatenrater war er,
aber bein Feldherr und kein großer Staatsmann. Alc
Freund Osterreichs arbeitete er am Sturze Brühls; der ge-
wandte und nie verlegene Minister fing den Stoß dadurch
auf, daß er daran ging, den bisherigen Bundesgenossen zu
verlassen und sich der Habsburgerin zu nähern, was ihm
um so leichter wurde, als er sich von Friedrich, der mit
aller Tatkraft nur seinen eigenen Vorteil suchte, getäuscht
fühlte. Von dieser Zeit an sah Brühl in dem jungen Könige
von Preußen nur den gefährlichen und rücksichtslosen Gegner.
Da,o Land hat in langen, langen Kriegsjahren bitter unter
diesem Hasse zu leiden gehabt. . .
Während die Preußen bei Chotusitz entscheidend siegten
(17. Mai) und am 28. Juni zum Frieden kamen, standen
die Sachsen untätig hinter der Eger. Brühl machte zwar
einige Versuche, etwas bei den Verhandlungen für sich
herauszuschlagen, mußte sich aber schließlich am 11. Sep-
tember zu einem völlig ergebnislosen Abschlusse mit Maria
Theresia herbeilassen. Während die Diplomaten berieten,
waren die Regimenter über das Gebirge zurück in die Hei-
mat gezogen. Sie kehrten stärker heim, als sie ausgeruͤckt
waren. Der Herzog hatte mit großer Tatkraft verstanden,
dad Heer auf 34000 Mann und 800 Mann Kreistruppen
zu bringen, obwohl es sehr starke Krankheitsverluste gehabt
hatte. Nun arbeitete er unablässig am Ausbau der Macht,
er glaubte nicht an einen Frieden von Dauer. Darin war
er einmal mit Brühl einig. Und so wurde nicht abgerüstet,
wie sonst, wenn der sanfte Friedensmarsch heimwärts ge-
schlagen hatte. 15 000 Mann unter Rutowski blieben mobil,
die übrigen rückten kriegsstark in ihre Standorte ab. Vor
den Toren tobte der Erbfolgekrieg weiter, für Sachsen ver-
ging das Jahr 1743 in Ruhe und Arbeit. Brühl billigte
äußerlich die weisen Verbesserungsvorschläge des Herzogs,
ließ sie aber nicht ausführen, er brauchte das Geld ander-
wärts. Neue Bündnisse wurden geschlossen, nunmehr mit
Osterreich und seinen Anhängern gegen Preußen. Am
13. Mai 1744 versprach Sachsen, mit 20 Ooo Mann Maria
Theresia zu Hilfe zu kommen, wenn sie in ihren Erblanden
angegriffen würde, dafür sollte es im gleichen Falle mit
30 000 Osterreichern unterstützt werden.
Im Hochsommer war der Hof in Warschau, wohin pol-
nische Geschäfte ihn gerufen hatten, der Feldmarschall
weilte in Weißenfels und widmete sich der Regierung seines
Landes. Da traf die Nachricht ein, daß König Friedrich am
11. August in Sachsen eingebrochen wäre und den Durch-
marsch von 30—60 co0 Mann „kaiserlicher Hilfsvölker“
forderte. Die Bestürzung war allgemein, am ersten faßte
sich der Soldat. Er machte gute Miene zum bösen Spiele
und förderte den Durchmarsch der Preußen nach Kräften,
schon weil er sie so am schnellsten wieder los wurde. Zum
Widerstande war er nicht bereit. Die Leute hatte er wohl,
aber Brühl hatte für die zum Pferdeankauf und zu Vor-
ratshäusern bestimmten Gelder andere Verwendung gefunden.
Gegen die Verlotterung des Ausrüstungewesens war der
Herzog machtlos geblieben, beiner seiner Berichte erreichte
den Kurfürsten. In einem davon heißt es bitter: „Denen,
die für ihren Herren zu sterben bereit sind, muß man zu
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leben geben.“ Während König Friedrich noch auf die Mög-
lichkeit, Sachsen zu sich hinüberzuziehen, hoffte, während
man in Wien sehnsüchtig nach der Hilfe von sächsischen
Waffen ausschaute und anfing mißtrauisch zu werden, sah
Brühl die Zukunft in rosigem Lichte. Der Endsieg würde
sein werden, wenn auch Preußen anfangs leichte Erfolge
erziele. Nach langem Zögern und einer großen Geldhilfe
wurden endlich am 2. Oktober 20 Ooo Mann Sachsen unter
dem Herzog Johann Adolf von Adorf aus gegen Eger in
Marsch gesetzt, zur selben Zeit vereinigte sich Prinz Karl
von Lothringen bei Mirotitz an der Moldau mit dem öster-
reichischen Heere unter Batthyanyi, am 21. Oktober trafen
die Sachsen in seiner Nähe bei Wosekan ein. Aber noch
war Sachsen „neutral“. Der Kurfürst behauptete, „in
Freundschaft mit dem Kaiser und dem Könige von Preußen
und den ihnen Verbündeten zu leben, auch sonst keinen An-
teil am Kriege zu nehmen und niemals etwas, was gegen
die Wahl und Würde des Kaisers ginge, zu unternehmen.
Wie König Friedrich seine Truppen als kaiserliche Hilfs-
völker durch Sachsen marschieren ließe, so beteiligen sich
20 000 Sachsen lediglich als Hilfstruppen Maria Tberesias
am Kampfe. Fürst und Land aber wären neutral.“
Zu großen Taten kam es zunächst nicht. Der Herzog
und Prinz Karl stritten sich um den Oberbefehl, während
König Friedrich Prag, Tabor, Budweis und Frauenberg
einnahm. Die Osterreicher räumten Bayern, und Karl VII.
konnte wieder in seine Hauptstadt einzlehen. Die Schlacht-
entscheidung aber, zu der Friedrich schon wegen Lebens-
mittelmangel drängte, war nicht zu erzwvingen, so daß der
König erst nach Kuttenberg, dann über die Elbe zurück-
gehen mußte. Wohl drängten die Österreicher nach, aber
der erste Elbübergang mißlang völlig, „teils war die Bären-
häuterei des Prinzen Karl, teils die Jalousie an dieser
Cacade Schuld“, wie Prinz Ludwig von Braunschweig deut-
lich schrieb. Als aber ein zweiter Versuch Erfolg hatte
(lg. November), mußten die Preußen den Rückzug nach
Schlesien antreten; schwere Fehler seiner Gegner erlaubten
dem Könige sogar das Entkommen durch die Nässe des
Riesengebirges. Selbst die Besatzung Prags unter Ein-
siedel entwischte den verfolgenden Sachsen, denen die Sorge
um die Sicherheit der Heimat jetzt mehr galt, als der Sieg.
Böhmen war zwar ohne Schlacht befreit, aber müde und ver-
stimmt bezogen die Truppen die Winterquartiere, während die
Diplomaten und Kriegsratsstrategen an neue Pläne gingen.
Ein kurzer Vorstoß der Osterreicher nach Troppau und Jä—
gerndorf und ihr alsbaldiger Rückzug beschloß den Feldzug.
Das neue Jahr 1745 brachte am 8. Januar ein Bünd-
nis Englands, Hollands, Österreichs und Sachsens; und
als am 20. Januar Kaiser Karl VII. gebrochenen Herzens
starb und sein Nachfolger, Max III. Josef, sofort Frieden
mit Österreich schloß, da stand Brühl auf dem Gipfel seiner
Staatskunst, nun schien die Vernichtung Preußens und der
sächsische Machttraum Wirklichkeit werden zu sollen. Trotz-
dem wurde das „Spiel der Ohnseitigkeit“ weitergetrieben,
und Friedrich mußte zunächst unter dem Drucke russischer
Drohungen verbissenen Grimms darauf eingehen. In Wien
und Warschau plante man. 6000 Sachsen mußten bei
Leipzig für Braunschweig bereitgestellt werden, nur 7000
schützten das Land, die übrigen sollten als Bündnistruppen
des neutralen Landes an der Entscheidung mitwirken. Reich
an Entwürfen, arm an Entschlüssen verging die Zeir. Der
für Preußen gefährlichste Gedanke, ein Vorstos: durch die
Lausitz in die Mark, wurde abgelehnt, der endlich an-
genommene Plan nicht völlig ausgeführt und schon dadurch
um seine Wirkung gebracht. So lagen im Frühfahre die
Sachsen unter dem Chevalier von Brür bis Leitmeritz in
Unterkunft verteilt, als Versammlungsplatz wurde Jung-
bunglau bestimmt. Prinz Karl freilich, der Führer der dort
erwarteten Österreicher, blieb im schönen Wien, bis alle
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