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Sachsen voran auf dem Wege der Kriegerheimstätten
Von Professor Dr. H. Propst
Vorbemerkung
Verfasser war bemüht, die Unterlagen als Zeugnisse aus
einer wichtigen Zeit möglichst selbst sprechen zu lassen,
meinend, daß nur so das vielfach zerstreut im Druck Er-
schienene vereinigt zu einer Gesamtwirkung gebracht werden
könnte. Nur Unkenntnis der Dinge kann ver-
kennen, daß tatsächlich Bedeutendes geleistet wor-
den ist, sie zu beheben, zugleich aber auch dem Leser alles
Erforderliche an die Hand zu geben, sollte der Dienst sein
für die große Sache.
Allen denen, die durch Bereitstellung von Unterlagen
und Erteilung von Auskunft es ermöglichten, den Gegen-
stand vielseitig zu beleuchten, nicht zuletzt der Verlagsbuch=
handlung, die die Anregung gegeben, sagt der Verfasser im
Interesse der Sache seinen aufrichtigsten Dank.
Nur wo der deutsche Mensch Land sein eigen
nennt, wo seine Kräfte in Berührung mit dem
Lande sich stählen und erneuern — nur dort kann
er auf die Dauer gedeihen. Hans Ostwald.
A. Der Kriegerheimstättengedanke
1. Das Wesen der Heimstätte an Hand der
Geschichte
Das Wort, der Name, der Begriff Kriegerheimstätte hat
einen guten Klang, er ist seit dem Weltkriege in aller
Munde, und es ist gut so, daß dies der Fall ist. Nur be-
steht freilich eine Gefahr, groß genug, um ernster Abwehr
zu bedürfen, die Gefahr, der ein anderes ähnlich bedeut-
sames Wort anheimgefallen — zum Schlagwort zu
werden. Hervorgegangen aus den Folgen des gesteigerten
Industrialismus der jüngsten Gegenwart hatte als bewußte.
Abkehr von der gedrängten Wohnweise in Massenmiet-
häusern der Großstädte mit dem bekannten Wohnelende um
die Wende des Jahrhunderts eine Bewegung, von Eng-
land herkommend, eingesetzt und rasch an Boden auch in
Deutschland gewonnen —: die Gartenstadtbewegung.
Das Wesen einer Gartenstadt besteht ja gewiß nicht einfach
darin, das man Gruppen von Landhäusern errichtet — als
ob jedwede Villenkolonie eine Gartenstadt wäre — vielmehr
ist eine Gartenstadt im strengen, genauen Sinne des Wortes
nach der Satzung der „deutschen Gartenstadtgesellschaft“
eine planmäßig gestaltete Siedlung auf wohlfeilem Gelände,
das dauernd iimn Obereigentum der Gemeinde erhalten wird
derart, daß jede Spekulation mit dem Grund und Boden
dauernd unmöglich ist. Sie ist, wie es weiter heißt, ein
neuer Stadttypus, der eine durchgreifende Wohnungsreform
ermäöglicht, für Industrie und Handwerk vorteilhafte Pro-
duktionsbedingungen gewährleistet und einen großen Teil
seines Gebietes dauernd dem Garten= und Ackerbau sichert.
Neben der baulichen Form weiträumiger Siedlungsweise ist,
wie die angeführte Begriffsbeslimmung zeigt, die wirtschaft-
liche Seite dabei nicht zu übersehen, ja sie ist die eigent-
liche Grundlage und Grundbedingung. Erst wenn man dies
beachtet, wird man dem gerecht, was die Gartenstadt-
bewegung erstrebt.
Wir beginnen mit dem Hinweise auf diese Bewegung ein-
mal, um anzudeuten, daß auch bei dem Wesen der Krieger-
heimstätte es nicht mit einem schlagwortartigen Begriff sem
Bewenden haben kann — eine Kriegerheimstätte ist nicht
jede beliebige für einen Krieger errichtete Wohngelegen-
heit —, sodann aber, und vor allem deshalb, weil die Idee
der Gartenstadt in ihrem wesenhaften Sinne in enger Be-
ziehung zu dem Gedanken der Kriegerheimstätte steht.
Wollen wir genau wissen, was Kriegerheimstätten ihrem
Wesen nach sind, so ist auszugehen vom Wesen der Heim-
stätte überhaupt, von der die Kriegerheimstätte ja nur ein
besonderer, freilich besonders wichtiger und zeitgemäßer
Fall ist.
Auch der Gedanke der Heimstätte ist wie der der Garten-
stadt — vom Auslande, vom feindlichen Auslande zu ung
gekommen, er ist als solcher an sich älter und ursprüng-
licher als die Idee der Gartenstadt, er stammt — aus
Amerika, wo in den 40er Jahren des vorigen Jahr-
hunderts die Anfänge der Heimstättensiedlung sich zeigen.
Amerika, dieses Land der unbegrenzten Möglichkeiten, dieser
Kontinent mit einst ungeheurem Neuland, das durch den
Farmer besiedelt und dadurch der Kultur erschlossen wurde,
bot diesem den Boden, die Grundlage seiner Erxistenz, an-
fangs nahegu bostenlos dar. Ungezählte Scharen Siedlungs-
lustiger fanden sich aus aller Herren Ländern ein und be-
gründeten so sich eine zweite Heimat. Aber so blieb es nicht.
Bald genug bildeten sich Spekulationsgesellschaften, die das
Land aufkauften und unter reicher Ausbeutung ihrerseits den
freien Zugang zu Grund und Boden je länger je mehr ver-
binderten.
Gegen dieses Vorgehen richtete sich die ameribanische
Heimstättengesetzgebung, namentlich das Bundesheim-
stättengesetz der Vereinigten Staaten von Nord-
amerika vom 20. Mai 1862. Es geiährt, wie uns das
Handbuch der Staatswissenschaften darüber belehrt, jedem
Bürger die rechtliche Möglichkeit zu fast unentgeltlicher
Niederlassung auf einem bestimmten Ausmaße noch un-
bebauter öffentlicher Ländereien. Es war bereits eine Fort-
bildung des vorberigen Vorkaufsrechts der Erstbegründer
und Selbstbewirtschafter von Farmen gegen Zahlung der
jedesmaligen Mindestpreise. 1891 wurde das Gesetz dahin
geändert, daß bei Zahlung eines vorausbestimmten geringen
Kaufschillings der Erwerb des Eigentums an der Heim-
stätte schon nach 14 Monaten eintritt, und daß gegen Miß-
brauch eidlich zu versichern ist, daß der Heimstättner weder
Agent einer Gesellschaft noch einem Dritten gegenüber sein
Besitzrecht aufzugeben gezwungen noch auch ein Strohmann
sei. Nach der Eigenart des Gesetzes haften die Farmer für
so geschaffene Farmen in keiner Weise für Schulden, welche
vor Ausstellung des Eigentumstitels kontrahiert worden
sind. Dadurch wurde die Erlangung von Betriebskredit aller-
dings erschwert. Dem trug die Rechtsprechung aber da-
durch Rechnung, daß sie eine unterpfändliche Belastung der
Heimstätten auch schon fünf Jahre vor Ausfolgung des Eigen-
tumotitels als zulässig erklärte.
Die Wirkung des Gesetzes bestand in erfolgreicher Ein-
dämmung der Macht des Großkapitals bei Landverteilung
und Besiedlung und in einer Förderung des wirtschaftlichen
Aufschwunges des Westens. —
Wir beabsichtigen nicht, eine Geschichte der Ausbreitung
des Heimstättengedankens in Europa zu geben, erwähnen
vLielmehr nur, daß solche in zwei Abschnitten verlief, einem
älteren Zeitraume, in erster Linie durch die Agrarkrise der
80er Jahre charakterisiert, in dem sich der Gedanke auf die
Schweiz, auf Österreich-Ungarn und ganz wesentlich auch
auf Deutschland erstreckte — in Deutschland war es seit
1800 Freiherr von Niepenhausen, dessen un Reichs-
tage eingebrachter Entwurf eine lebhafte Heimstättenagitation
hervorrief, die 1004 zur Annahme desselben in überarbeiteter
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