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Form, unterstützt von den Konservativen, dem Zentrum und
einem Teile der Nationalliberalen führte, jedoch ohne daß
die Regierung der Reichstagsentschließung Folge leistete —
und in einem jüngeren, in dem einesteils Belgien und
Frankreich, andernteils die Balkanländer hervortreten. Hatte
die Bewegung in jenem vorwiegend agrarpolitischen Charak-
ter, so war sie in diesem mehr wohnungspolitischer Art.
Im früheren Zeitraume handelte es sich mehr um erste Ver-
suche, im späteren kam es zu praktischen Verwirklichungen,
in der Durchführung dem ursprünglichen Sinne der ameri-
kanischen Heimstättensiedlung wieder näher verwandt.
Doch genug dieser Andeutungen nach der erwähnten
Quelle — worauf es ankommt, dürfte sich an dem Mit-
geteilten hinlänglich ver deutlichen lassen: es handelt sich um
eine Schutzmaßregel gegen Ausbeutung durch
Bodenspekulation. Das Wesentliche ist, daß die Heim-
stätte eine Siedlungsform ist, die den Schutz des Siedlers
um des erwähnten Zweckes willen durch eine Rechtsform
erstrebt, kraft welcher dem Siedler ein unpfändbares Besitz-
recht eingeräumt wird. Unter Heimstätte, können wir
sagen, versteht man den einer Familie durch zweck-
mäßige gesetzliche Bestimmungen gewährlei-
steten, gegen Verpfändung sichergestellten,
vererbbaren dauernden Besitz eines Stückes
be bauungofähigen Landes nebst zugehöriger
Eigenhauswohnung. Zu den zweckmäßigen gesetzlichen
Bestimmungen gehört nach dem Bisherigen vor allem
1. die grundsätzliche Unbelastbarkeit durch Hypotheken,
wenigstens soweit sie nicht mit den Baulichkeiten und
mit etwaigen Verbesserungen zusammenhängen,
2. die grundsätzliche Unpfändbarkeit bei unverschuldeter
Verschuldung,
3. die grundsätzliche Unteilbarkeit.
Weitere Bestimmungen, die sich als nicht minder notwendig
aus der Erfahrung ergeben haben, wird die fernere Dar-
stellung an geeigneter Stelle (rechte Spalte unten) hinzu-
zufügen haben, der Grundgedanke, der Sinn dürfte aus der
Betrachtung der Geschichte der Heimstättenbewegung vorerst
deutlich genug geworden sein.
Zwei Momente waren so bedeutsam genug hervorgetreten:
einmal die Notwendigkeit weiträumiger Anlagen, andrerseits
diejenige einer den Besitz einer Siedlungsstelle dauernd
sichernden Rechtsform, die freilich noch keineswegs allen An-
forderungen der Gegenwart völlig Rechnung trug.
Der Gedanke der Heimstätte trat eine Zeitlang der ein-
setzenden Gartenstadtbewegung gegenüber in den Hinter-
grund. Diese wiederum wurde von dem Baugenossenschafts-
wesen, das rasch zur Blüte kam, gewissermaßen abgelöst, es
war gerade sein Vorzug, die Besitzfestigung, der aus mehr-
fachen Gründen den Gedanken der Heimstätte nicht zur Aus-
wirkung kommen ließ.
Gleichwohl blieb er lebendig. Der Bund deutscher
Bodenreformer war es, der ihn aufgriff und neu be-
lebte. Am 28. Januar 1012 sprach Dr. Adolf Damaschke,
der erste Vorsitzende dieses Bundes, vor einem Kreise ge-
ladener Bodenreformer von der Bedeutung eines Heim-
stättenrechtes. Man beschloß, die Angelegenheit weiter zu ver-
folgen.
Im Jahre 1913 veröffentlichte Herr Adolf PHohlman, der
zweite Vorsitzende den Bundes deutscher Bodenreformer, in
Nr. 6 der „Bodenreform 1913“ das vorläufige Ergebnis
der ersten Beratungen einer erweiterten Bundesvorstands-
sitzung vom 31. Januar und 1. Februar 1913, Vorschläge
für die Gestaltung eines Heimstättengesetzes, mitgeteilt zur
Aussprache.
Da kam der Weltkrieg mit seinen das gesamte wirtschaft-
liche Leben unsers Volkes gründlich genug umwandelnden
inneren Folgen und seinen inhaltsschweren Lehren. Die Um-
wandlungen der Lebensbedingungen erstrecken sich auch auf
das Wohnwesen, damit aber auf eine Grundvoraussetzung
gedeihlichen Familienlebens, gesunden Volkslebens, leßtbin
des Staates selbst als der geformten Zusammenfassung der
auf die Familie gegründeten Volkszusammengehörigkeit —
auf eine Grundovoraussetzung alles höheren Lebens über-
haupt, deren Nichtbeachtung oder Vernachlässigung die aller-
schwersten und nachhaltigsten Wirkungen natur= und er-
fahrungsgemäß nach sich ziehen muß. Es galt einen Weg
zu finden zu einer glücklichen Lösung der entstandenen
Schwierigkeiten, einen Weg, der zugleich den das Wohn-
problem und das Problem der Bevölkerungsmehrung, der
Ertüchtigung, der Gesunderhaltung, Wehr= und Leistungs-
fähigmachung betreffenden Lehren des Krieges Rechnung
trägt. Einen solchen Weg zuerst, rechtzeitig,
gangbar und großzügig gefunden und der All-
gemeinheit gebührend zum Bewußtsein ge-
bracht zu haben, ist das unbestreitbare hohe
Verdienst des von Dr. Adolf Damaschke in Berlin
zielbewußt und durch gegnerische Entstellungen und Be-
mängelungen unbeirrbar geführten Bundes deutscher
Bodenreformer, aus dessen Mitte der Gedanke der
Schaffung von Kriegerheimstätten als Heimstätten in neu-
zeitlicher, eine große Reihe praktischer Erfahrungen mit-
berücksichtigenden Form hervorgegangen ist.
2. Der Hauptausschuß für Kriegerheimstätten in
Berlin
Kriegerheimstätten, unzweifelhaft eine Wiederauf-
nahme der seinerzeit von Freiherrn von Riepenhausen erstreb-
ten Schaffung von Heimstätten überhaupt, aber eben mit Be-
schränkung auf unsere Krieger, deren Witwen und Kinder
und in einer eben sowohl den Erwerb möglichst erleichtern-
den wie den Schutz des Siedlers wirksam begründenden, den
Anforderungen der besonderen Gegenwartsverhältnisse ent-
sprechenden Rechtsform, Kriegerheimstätten so gedacht, das
war das Ziel, zu dessen Verwirklichung der Bund eine ihm
dienende besondere Organisation schuf: den Hauptaus-
schuß für Kriegerheimstätten in Berlin.
Es liegt auf der Hand, daß die Schaffung eines Heim-
stättengesetzes für Krieger nur erst den Anfang bildet der
Verwirklichung, der endlichen Verwirklichung des Heim-
stättengedankens in Deutschland als der zeitgemäßesten und
zweckmäßigsten Sonder= und Eigenart der Siedlung — nach
Möglichkeit wird einer späteren Zeit die Verallgemeinerung
der Gültigkeit des Gesetzes geboten erscheinen, eine Aufgabe,
die zurzeit schon deshalb unterbleiben muß, weil es dazu
eines Überganges, einer Erprobung zugleich bedarf, ohne die
die Verwirklichung von vornherein in Frage gestellt wäre.
Welche Beschränkung wäre aber treffender als die auf
die Kriegsteilnehmer und deren Angehörige und Hinter-
bliebene — sie, die für den heimischen Boden gekämpft,
mit Opfern an Gesundheit, Lebensglück, an Hab und Gut,
ja ihres Lebens für ihn gestritten. Welch würdigere Form
dauernden Dankes wäre denkbar als die Ermöglichung der
Segnungen einer Heimstätte, um so mehr als der Staat
damit zugleich am wirksamsten seiner Fürsorgepflicht waltet.
In einer, wie wir sagten, verbesserten Rechtsform. Dazu
gehört des weiteren, und damit setzen wir die obige Cha-
rakterisierung fort (linke Spalte Mitte):
4. ihr Erwerb auf dem Wege unkündbarer Tilgungs-
hypothek — aus öffentlicher Hand, auch durch Stif-
tungen, Vermächtnisse usw.,
5. der Ausschluß des freihändigen Verkaufs und
6. der Ausschluß des freiwilligen Verzichts auf die Be-
stimmungen unter 1 bis §,
lauter Bestimmungen, die nur scheinbar Erschwerungen, tat-
sächlich notwendige Sicherungen und heilsame Beschrän-