Und auf der andern Seite: vermehrter Zuzug nach der
Stadt. Die städtische Bevölkerung hat nicht nur absolut stark
zugenommen, sondern vor allem auch relativ. Handel und
Gewerbe aller Art, namentlich aber die Industrie sind in
den Städten vertreten, nicht selten in ausschlaggebendem
Maße, man denke nur an Chemnitz oder Reichenbach, an
Leipzig für den Handel In den Großstädten aber und in
den größeren Mittelstädten sind die vielen Bewohner auf
engen Naum beschränkt, es herrscht eine Wohndichte bei
hohen Wohnpreisen, die solche Wohnweise als in hohem
Grade unzweckmäßig
empfunden werden
lassen müßte, trügen
nicht Gewohnheit, Ge-
dankenlosigkeit und eine
Reihe oft nur vermeint-
licher Vorzüge und Vor-
teile des städtischen
Lebens — Bildungs-
Möglichkeiten, Ver-
gnügungsmöglichkeiten,
angeblich leichtere Ver-
dienstmöglichkeiten, das
ihre dazu bei, mit dem
Unnatürlichen der
Wohnweise in dem Ge-
trenntsein von Boden
und Natur sich als mit
etwas Selbstverständ-
lichem, Unabänder-
lichem abzusinden.
So lebt ein hoher
Prozentsatz unseres
Volkes, ein allzuhoher,
ein Scheinleben, weit entfernt von einer gesunden, boden-
ständigen, urwüchsigen Kultur, wohl gar sich erhaben
fühlend oder dünkend über das Landvolk mit seiner ein-
facheren aber gesunden Lebensweise, ohne der Bezlehungen
zu gedenken zwischen Stadt und Land, hätte nicht der Krieg
vielen die Augen geöffnet und sie erkennen lassen, daß es
längst höchste Zeit gewesen, sich zu besinnen.
Der Weltkrieg hat die Verbreitung der Einsicht gefördert,
daß es nur dann wohl um ungs alle steht, wenn wieder
möglichst viele in Verbindung, in Berührung mit der all-
schaffenden, allernährenden Mutter Erde treten, wenn eine
Wohnweise erstrebt wird, die diesem Ziele Rechnung trägt,
die bewirkt, daß nicht immerfort immer mehr und mehr
Menschen der falschen Verstädterung sich zukehren, sondern
umgekehrt selbst in den Städten, in den Außenteilen der
Städte die Menschen sich verländlichen durch eine Wohn-
und Siedlungsweise, welche zur Wohnung ein angemessenes
Stück Gartenland bereit stellt und beide zusammen in einer
Form, die Dauerhaftigkeit des Besitzes — Seßhaftigkeit —
und mäßige Preise — Preiswürdigkeit — gewährleistet.
Wenn nach der Statistik von 1907 von lo# Hektar der
landwirtschaftlich benutzten Fläche auf Betriebe von unter
2 Hektar §,1, davon von unter 0,5 Hektar nur 1,3, von
2—35 Hektar 9,1, von 5—20 Hektar 41,5, von 20—100
Hektar 30,5, von über 100 Hektar 13,8, davon von über
200 Hektar 6,1 Hektar Anteil entfielen, so ist gewiß von
einem UÜberwiegen des Großgrundbesitzes nicht zu reden, wohl
aber können noch viele Kleinstellen eingerichtet werden, ohne
daß man von Zersplitterung des Besitzes sprechen könnte.
Ein Vergleich mit andern dichtbesiedelten Teilen Deutsch-
lands, so mit der Rheinprovinz und der Provinz West-
falen, zeigt daselbst weit höhere Zahlen — 11,9 bzw. 9,6
— an Betrieben unter 2 Hektar. Vgl. bierzu auch die An-
sicht von Dr. Breymann Seite 318.
Im ganzen und zusammenfassend läßt sich wohl sagen:
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in siedlungspolitischer Hinsicht liegen in Sachsen die Ver-
hältnisse so, daß auch für unsere engere Heimat die Frage
der Errichtung von Heimstätten für unsere Krieger — aller-
dings eng verbunden mit der Beschaffung von Klein=
wohnungen überhaupt — eine überaus zeitgemäße und not-
wendige Maßnahme bedeutet. Bei Lösung dieser Frage ist im
einzelnen so zu verfahren, daß einerseits eine ansehnliche
Zahl kleinbäuerlicher Siedlungsstellen für landwirtschaftliche
Arbeitskräfte geschaffen, Kleinstellen, soweit sie vorhanden
sind, möglichst erhalten werden, die Bildung von Groß-
Straßenbild aus der Siedlung Auerswalde bei Chemnitz
grundbesitz — neuerdings durch Kriegsaufkäufe beliebt —
Mröglichst hintangehalten wird, daß andrerseits die Industrie
mit ihren Arbeiterscharen soweit angängig aufs Land ver-
legt wird oder aber in den Außenbezirken der Großstadt die
weiträumige Siedlung in Flachbau Anwendung findet.
2. Der Landesverband Sachsen des Bundes
deutscher Bodenreformer zur Frage der Krieger-
heimstätten
Bald nachdem der Hauptausschuß für Kriegerheimstätten
in Berlin seine „Grundzüge“ für eine Kriegerheimstätten-
gesetz verabschiedet hatte, entschloß sich der Landesverband
der sächsischen Bodenreformer zu wirksamer Mithilfe in
dieser wichtigen Angelegenheit. Die ersten Erörterungen dar-
über fanden bei Gelegenheit der Jahreshauptversammlung
am 28. November lols statt. Ihr war am 27. November
eine öffentliche Versammlung vorausgegangen, in der zwei
Redner, Herr Universitätsprofessor Dr. Rein-Jena und
Herr Pastor Johannes Wehrmann-Hamburg, über
Kriegerheimstätten sprachen. In der Aussprache trat Herr
Professor Dr. Kraft mit bedeutsamen Ausführungen er-
gänzend hervor.
Das Jahr 1916 war in erster Linie der Werbetätigkeit
für den Hauptausschuß in Berlin gewidmet. Zu diesem
Zwecke kamen gegen 4000 Werbeanschreiben an alle
wichtigeren Vereine Sachsens zur Versendung. Ein Preß-
ausschuß für Kriegerheimstätten unter Leitung des Herrn
Lehrer Merker-Leipzig-Marienbrunn und unter Mithilfe
des Herrn Professor Hedrich-Leisnig wurde eingerichtet
und vermittelte in mäßigen Zeitabständen kleinere Artikel
zur Frage der Kriegerheimstätten an etwa loo sächsische Zei-
tungen. Des weiteren stellte der Landesverband seinen Orts-
gruppen eine von Professor Dr. Propst, dem Verfasser
dieser Zusammenstellung, entworfene „Übersicht über die