Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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schen der Landwirtschaft nach Zuziehung beim Ansiedlungs- 
geschäfte Rechnung zu tragen, weil ja der Charakter der An- 
siedlung ein überwiegend ländlicher — wenn auch nicht land- 
wirtschaftlicher, so doch wenigstens ländlicher — sein wird. 
Es wird ja auch danach gestrebt, daß bei den Siedlungen in 
der Nähe der Städte jedenfalls soviel Gartenland mit be- 
schafft wird, um etwas Kleinvieh zu halten und die Familien 
Gmise und Kartoffeln für den eigenen Bedarf erbauen zu 
assen. 
Neben der juristischen und technischen Zentralstelle, die 
die Ansiedlung vermittelt, stehen dann lokale Instanzen, die 
hauptsächlich die Grundstücksbeschaffung im einzelnen Falle, 
die Kreditvermittlung und Beratung durchführen sollen. 
Das sind die Bezirksverbände mit den Amtshauptmann-= 
schaften. Der Bezirksverband erhält durch den Entwurf 
eine ganz neue Aufgabe zugewiesen ... Er soll jetzt die 
nötige Ermächtigung erhalten, um die Ansiedlung fördern 
zu können. Ihm werden auch besondere Aufgaben zu- 
gewiesen; er soll nämlich Land erwerben und an die An- 
siedler verkaufen können, Erbbaurecht daran bestellen, die 
Ansiedlungsstellen beleihen oder für die Kauf= und Bau- 
gelderhypotheken gemeinschaftlich mit der Gemeinde Bürg- 
schaft übernehmen bönnen. 
Es ist auch zur Sprache gekommen, was in der Ersten 
Kammer von Herrn Wirkl. Geh. Rat Dr. Waentig aus- 
geführt worden ist, daß es sich nämlich empfehle, besonders 
darauf hinzuweisen, daß die Bestrebungen zur Förderung 
des Erbbaurechtes weiter ausgebaut werden möchten. 
Es ist von Sr. Exzellenz Dr. Waentig nicht mit Unrecht 
darauf hingewiesen worden, daß namentlich in der Provinz 
Posen die Ansiedlungstätigkeit insofern erschwert ist, als die 
Ansiedlungsstellen dort zum Gegenstande von Grundstücks- 
spekulationen gemacht worden sind, und da wird empfohlen, 
doch diesen Spekulationen durch alsbaldigen Verkauf der 
Ansiedlergelände vorzubeugen, indem man eben die Stelle 
nur in Erbbaurecht überträgt oder, wenn man es nicht tut, 
daß man in der Weise verfährt, wie es die Stadt Ulm tut, 
oder daß man sich wenigstens das Vorkaufsrecht für eine 
Reihe von Jahren vorbehält.“ 
Der Entwurf fand auch in der Zweiten Kammer ein- 
stimmig Annahme. 
II. Die Behandlung des Antrages Dr. Seyfert und Genossen 
1. Der Antrag Dr. Seyfert, Dr. Niethammer 
und Genossen auf Schaffung von Kriegerheimstätten 
vom 6. April 1916 (Ltg. Bericht. 2. Kammer Nr. 321 S. 31): 
Die Kammer wolle beschließen, die Königliche Staats- 
regierung zu ersuchen 
I. 1. Gemeinden und Bezirbsverbände zu veranlassen, den 
heimkehrenden Kriegern leerstehende Wohnungen in 
erster Linie nachzuweisen, 
2. zwecks Feststellung der leerstehenden Wohnungen in den 
Gemeinden eine Statistik zu erheben und über diese 
baldmöglichst den Ständekammern Mitteilung zu 
machen, 6 
3. den Wohnungsnachweis, den neuen Verhältnissen Rech- 
nung tragend, gründlich auszubauen und Beratungs- 
stellen für Wohnungsfürsorge im allgemeinen und ins- 
besondere für die aus dem Felde Heimkehrenden ein- 
zurichten, 
4. die Gemeinden und Bezirksverbände auch fernerhin an- 
zuhalten, Kleinwohnungsbau unter Beihilfe von Staats- 
mitteln zu fördern. Soweit es sich um Verbesserung 
alter Wohnungen, beziehentlich um Umbau solcher für 
Kleinwohnungen handelt und hierbei Maßregeln zur 
Kreditbeschaffung für den bestehenden Hausbesitz in 
Frage kommen, geeignete Maßnahmen zu treffen, so- 
wie weiter reichlich baupolizeiliche Ausnahmen durch 
ihre ausführenden Organe zu gestatten, 
§J. neben der Beschaffung von Handwerker= und Arbeiter- 
stellen für Kriegsteilnehmer, vor allem auch für 
die Kriegsbeschädigten, die gezwungen sind, ihren Be- 
ruf zu wechseln, die Gründung von Hausgarten- 
wirtschaften und von Wirtschaftsheimstätten 
nach jeder Richtung zu fördern und zu diesem Zweck 
soweit möglich staatliche Ländereien zu günstigen Be- 
dingungen zur Verfügung zu stellen, Kirchen= und 
Schulbehörden, sowie Gemeinden und Bezirksverbände 
zu veranlassen, mit ihrem Landbesitz in gleicher Weise 
zu verfahren; « 
II. die Erste Kammer zum Beitritt zu diesen Beschlüssen ein- 
zuladen. 
2. Aus den Deputationsverhandlungen der 
Zweiten Kammer dazu (ogl. Bericht der 2. Kammer 
Nr. 321 vom 4. April 1916, 31 Seiten umfassend): 
Der Antrag Dr. Seyfert und Genossen war das Ergeb- 
nis ausführlicher Deputationsverhandlungen über einen am 
11. November lols bereits von denselben Abgeordneten 
eingebrachten Antrag auf Schaffung von Kriegerheimstätten. 
Dieser Antrag war ohne Vorberatung am 23. November der 
Rechenschaftsdeputation zur Beratung überwiesen worden. 
Er wurde nach Ernennung der Herren Abgeordneten Beda 
und Oertel zu Berichterstattern am 15. und 16. Dezember 
1915, am 7. und 28. Februar sowie am 14., 21., 23. und 
24. März 1916 behandelt. Bei der erstmaligen Beratung 
am 15. Dezember lols hatte ihn der als Gast erschienene 
Abgeordnete Dr. Seyfert eingehend begründet, unter freund- 
licher Aufnahme des Antrags seitens der Deputation. Der 
erste Berichterstatter legte bereits für die Sitzung am 16. De- 
zember Leitsätze von ziemlichem Umfange vor, um eine mög- 
lichst eingehende Aussprache und Klärung der Ansichten her- 
beizuführen. 
Bei der Aussprache über diese Leitsätze kam unter an- 
derem zum Auedruck, daß man hinsichtlich der Wohnungs- 
fürsorge dem Eigenbesitz des Arbeiters aus vielen gewichtigen 
Gründen das Wort nicht reden könne, vielmehr solle einer 
Beschränkung der Freizügigkeit entschieden vorgebeugt wer- 
den. Dem wurde entgegengehalten, daß die Absicht persön- 
licher Freiheitsbeschränkung allgemein nicht zutreffend und 
es ein Irrtum sei, daß die Seßhaftmachung des Arbeiters 
seine Knebelung bedeute, im Gegenteil sei darin namentlich 
für kinderreiche. Familien eine Wohltat zu erblicken. Die 
Hauptschwierigkeit der Lösung dieser Frage wurde in der 
Geldbeschaffung gesehen und dies von mehreren Seiten be- 
tont. Die Deputation kam zu dem Beschluß, neben der Er- 
richtung von Kleinwohnungen in der Hauptsache und in 
erster Linie Wohngelegenheiten für die minderbemittelte Be- 
völkerung und für die aus dem Kriege Heimkehrenden zu 
beschaffen. 
In der Sitzung vom 28. Februar kamen folgende ver- 
kürzte Leitsätze des Berichterstatters zur Beratung: 
„A. Die Übelstände, die auf dem Wohnungsmarkte be- 
reits vor dem Kriege vorhanden waren, werden durch den 
Krieg gesteigert und nach dem Kriege besonders stark her- 
vortreten. Die Wohnungsnot wird nach dem Kriege vor 
allen Dingen die Männer und Familienväter betreffen, die 
jetzt im Felde stehen und aus irgendeinem Grunde ihre 
Wohnungen aufgeben oder wechseln mußten. Gerade diesen, 
gegenüber aber hat die Allgemeinheit die besondere Pflicht, 
ihnen geeignete Wohnstätten bereitzustellen. 
B. Die Wohnungsfürsorge wird sich grundsätzlich im- 
Rahmen der allgemeinen Wohnungsfürsorge zu vollziehen 
haben, jedoch sollen die heimkehrenden Krieger gewisse Be- 
günstigungen genießen, insofern als 
1. in der Zentralstelle für Wohnungsfürsorge für sie 
eine besondere Beratungsstelle eingerichtet werden solk 
und sie 
2, allenthalben zuerst berücksichtigt werden sollen.
	        
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