ihnen ein Stück Heimaterde und Heimatscholle zu geben,
mit der Bodenständigkeit die Kraft des Landlebens zu ver-
binden
Aber auch um der binderreichen Familien willen! Ge-
rade die Kinder haben ein tiefes Zusammengehörigkeitsgefühl
mit der Allmutter Erde. Alles, was kreucht und fleucht, was
blüht und lebt — wo ihr es packt, da ist es ihnen interessant.
Gerade auch um ihrer und um ihrer Erziehung willen ist
dieser Antrag so wertvoll, und wenn durch die Seßbaft-
machung des Arbeiters und bkleinen Mannes auch seine Frei-
zügigkeit in gewisser Weise beeinträchtigt zu sein scheint, so
wird das reichlich wettgemacht durch die Verringerung der
Fluktuation der Bevölkerung, wodurch die Schulbildung ge-
hindert und das Niveau der Schule durch die wandernden
und abwandernden Kinder gedrückt wird. Und zuletzt sind
doch Vaterland und Vaterhaus eng miteinander verbunden;
und wer keine liebe Erinnerung an ein liebes Vaterhaus hat,
dem es eine Heimstätte ist, dem ist oft auch das Vaterland
nur ein geographisches Gebilde oder ein politischer oder ge-
schichtlicher Begriff, und er versteht die Wehmut des Liedes
nicht: „Ich hatte einst ein schönes Vaterland — es war
ein Traum!“, und er hört auf den Sirenengesang des Welt-
bürgertums: Ubi bene — ibi patria! Aber wir möchten
diese Worte in ihr Gegenteil umändern: Ubi patria — ibi-
bene! Wo dein Vaterland ist, da soll dir's auch wohlgefallen,
und da soll dir's gut gehen. Dazu wollen wir auch mit
unserm Antrag die Hand reichen!“
4. Aus den Ausführungen zu dem Antrage
Dr. Seyfert, Dr. Niethammer und Genossen
(tg. Mitt. 2. Kammer S. 1483 A bis 1485 A);
Abgeordneter Dr. Seyfert: „ Die Kriegerheim-
stättenfrage ist nicht lediglich eine siedlungspolitische, sondern
eben eine volkswirtschaftliche Frage ganz allgemeiner Art;
und wenn der Gesetzentwurf, wie ich meine mit Recht, der
landwirtschaftlichen Seite der Frage besonderes Gewicht
beimißt, möchte ich doch nicht unausgesprochen lassen, daß
wir auch die Verpflichtungen der Städte, der mittleren und
der größeren Städte, in der Richtung der Anträge nachdrück-
lich betonen müssen.“
Vizepräsident Fräßdorf nahm im Namen seiner, der
sozialdemokratischen, Partei eingehend zur Wohn= und Sied-
lungsfrage Stellung, betonte, daß man mit den Punkten 1
bie 3 des Antrags einverstanden sei, dagegen sich veranlaßt
sehe, gegen die Absätze 4 und # zu stimmen, und bat des-
halb auch den Herrn Präsidenten, eine getrennte Abstim-
mung vorzunehmen. Über die allgemeine Stellung seiner
Parteifreunde zur Wohnungsfrage sagte er wörtlich (a. a. O.
S. 1481 ff.):
„Die sozialdemokratische Partei legt der Wohnungsfrage
die größte Bedeutung bei und hat sie überall in Reich, Staat
und Gemeinden durch ihre Vertreter fördern lassen. Das
kann ja auch nicht anders sein: berührt doch die Wohnungs-
fürsorge vor allem diejenigen Volkögenossen, deren Vertreter
wir Sozialdemokraten vor allem sind. Wir sind für die staat-
liche Wohnungofürsorge und ebenso für die gemeindliche und
wünschen von beiden Teilen finanzielle Unterstützung in ir-
gendeiner Form, sei es in der Hergabe von billigem Bau-
land durch die Gemeinde, sei es durch Hergabe billiger Gel-
der durch den Staat.
Die Baugenossenschaften halten wir zur Lösung der Woh-
nungsfrage nach wie vor für die besten Träger des Klein-
wohnungsbaues. Wir kennen die Ziele des Bauwesens und
wissen, daß beim Kleinwohnungsbau ganz selten Geschäfte
zu machen sind. Wir können also, wenn die Kleinwohnungen
gut und preiswert sein sollen, dem Unternehmertum den
Kleinwohnungsbau nicht überlassen.
Wir halten die Kontrolle, die die Mitglieder einer Bau-
genossenschaft untereinander ausüben, für sehr nützlich und
300
erzieherisch. Wir haben hier in Dresden wie auch in anderen
Teilen des Landes damit bereits sehr gute Erfolge erzielt.
Die Wohnungen werden besser gehalten, es wird nicht zum
Schaden der Genossenschaft gearbeitet, man sieht auch darauf,
dass Mietverluste möglichst nucht eintreten, und anderes mehr.
Und gute Beispiele wirken bekanntlich am erzieherischsten:
das gilt nicht nur für die Männer in einer solchen Genossen-
schaft, sondern auch für die Frauen.
Wir halten aber auch nach anderer Richtung die Bau-
genossenschaften für die besten Träger einer guten Wohnunge-
politik. Die Erwerbung eines Grundstücks für den einzelnen
kleinen Mann, im besonderen für den Arbeiter ist nach un-
serer Meinung nicht ein IJdeal.. Der Arbeiter muß im
allgemeinen doch bei den wechselnden Konjunkturen, auch
wegen der Mode in der Fabrikation, in der Lage sein, den
Ort zu verlassen und anderweit Arbeit zu suchen. Und da
werden dann, wenn er ein eigenes Heim hat, meistens die
Sparpfennige, die er im Hause hat, verloren gehen. Dafür
liegen viele Beweise vor, und deshalb stehen wir auf dem
Standpunkte, man sollte vor allem durch die Baugenossen-
schaften diese Frage mit zur Lösung bringen.
Wir sind aus dem gleichen Grunde auch gegen die so-
genannten Fabrikhäuser. Gewiß werden auch da vielerorts
Bestimmungen getroffen werden, und zwar besonders durch
die Darleiher von Geld, daß die Arbeiter, die den Arbeits-
platz verlassen, nicht sofort auch die Wohnung räumen
müssen. So hat die Versicherungsanstalt Königreich Sachsen
bestimmt: es werden Gelder für Fabrikhäuser nur dann
hergegeben, wenn in den Mietverträgen eine Bestimmung
aufgenommen wird, wonach die Arbeiter, die den Arbeits-
platz verlassen, mindestens noch das Recht haben, die Woh-
nung auf die Dauer von vier Wochen zu benützen.
Die sächsische Regierung hat, wie ihr auch von
uns nachgesagt wird, sich dieser Frage mit Wärme
angenommen. Ich habe gewiß keine Veranlassung, mich
als Anwalt der sächsischen Regierung aufzuwerfen, aber es
kann doch gesagt werden, daß in dieser Frage die säch-
sische Regierung den übrigennicht nachsteht. Ich
kann nur wünschen, daß auf diesem Wege seitens der Re-
gierung fortgegangen wird, so daß sie auch unsere volle
Zustimmung findet.“
Betreffs der
beißt es sodann:
„Wir siind bisher in Sachsen — besonders
durch die Tätigbeit des Heimatschutzes im Klein-
wohnungsbau auf gutem Wege, den sollten wir
ohne zwingenden Grund nicht wieder verlassen und etwa
nach dem Kriege Kleinwohnungen errichten, an denen un-
sere Nachkommen und wir selber Anstoß nehmen würden.
Nicht eine triste, unrationelle Bauweise soll wieder durch
gewisse Flaumacherei eingeführt werden, beine Verschande-
lung von Stadt und Land soll wieder Platz greifen, wie
wir sie in den siebziger Jahren gehabt haben . . . Mit dem
Wohnhaus ist es eben anders als mit der Kleidung. Wenn
ein Anzug ungeschickt gemacht oder unmodern geworden
ist, kann man ihn beseitigen, das Haus aber steht auf
lange Jahre, vielleicht auf Hunderte von Jahren, und dem-
zufolge muß Rücksicht genommen werden nicht bloß auf
die Bewohner, sondern auf die Allgemeinheit, die verlangen
kann, daß man den Schönheitssinn nicht verletzt.“
Den Schluß der Rede bildeten die Worte:
„Hoffentlich gelingt es bald, im Reiche der
wüsten Bodenspekulation das Handwerk völlig
zu legen. Der Grund und Boden sollte bein
Spekulationsgegenstand sein. Nach dieser Rich-
tung bin sollten alsbald gesetzliche Maßnahmen
im Reiche ergriffen werden. Zur Lösung der
Wohnungosfrage wird die sozialdemokratische
Partei auch dabei ihre Hilfe nicht versagen.“
baupolizeilichen Ausnahmen