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machen, ist unter dem 30. Juni 1914 ein Gesetz erlassen
worden mit Inkrafttreten am 1. Januar 1915, das zeitlich
als die erste Maßnahme zur Förderung der Schaffung von
Kriegerheimstätten in Sachsen angesehen werden kann, wenn
auch selbstverständlich damit diesem Zwecke nur mittelbar
und teilweise gedient wird. Wie sehr gleichwohl die Hilfe-
leistung aus den Mitteln dieser Anstalt sich als wichtig er-
wiesen hat, beweist der weitere Ausbau derselben, der den
Landtag seit dem 24. Mai 1917 eingehend beschäftigt hat,
wobei es sich um weitere Beschaffung von Möglichkeiten
vorteilhafter Beleihung seitens dieser Bank handelt.
Nach Eingang des Dekrets 45 an die Stände am
30. April 1917 beschäftigte sich der Landtag mit der Frage
eines noch weiteren Ausbaues der Landesbulturrenten-
anstalt seit dem 24. Mai bis Mitte Oktober dieses Jahres.
Es fanden äußerst eingehende Verhandlungen statt, bei denen
es sich um Entscheidungen handelte, gleich bedeutsam und
folgenreich für diese Anstalt selbst wie für den Zweck, dem
damit gedient werden soll, für die finanzielle Förderung
des Wohn= und Siedlungswesens durch den Staat. Es
wurden gewichtige Gründe für und gegen angeführt und
schließlich Entschließungen gefaßt, die selbst wenn sie auch
nicht alle Wünsche von an sich beachtlichem Werte befrie-
digen, gleichwohl einen überaus bedeutsamen und erfreu-
lichen Fortschritt in der Auzgestaltung der Landeskultur-
rentenbank darstellen und eine gewichtige, der derzeitigen
Zeitlage dienende und ihr angemessene großzügig gedachte,
mit festem Entschluß gewollte Hilfsbereitschaft unverkenn-
bar bekunden.
Die Prüfung des Gesetzes ergab das Bedürfnis, die Dar-
lehen der Landeskulturrentenbank, wenn mit ihnen die Krie-
geransiedlungen möglichst wirksam gefördert werden sollen,
1. auch auf das den Kriegerheimstätten anzufügende Nutz-
land zu erstrecken,
2. die zu entrichtende Rente, soweit tunlich, zu erniedrigen
und
3. die Beschaffung der zum Bau erforderlichen Gelder
aus den Mitteln der Bank auch im übrigen zu er-
leichtern.“
4) Sonstige, den Kleinwohnungsbau und das Siedlungswesen
fördernde Maßnahmen
Mehr anhangsweise, weil zur Frage der Kriegerheim-
stätten auch nur mittelbar in Beziehung stehend, sei der all-
gemeinen Wohnungsfürsorge unserer sächsischen Regierung
gedacht. Sie verdient es um deswillen, weil sie wohl die
wesentlichste Voraussetzung bildet für die besonderen auf
Errichtung von Kriegerheimstätten gerichteten Maßnahmen,
die aus den Erfahrungen bei der Förderung des Klein-
wohnungs= und Siedlungswesens heraus zum guten Teil
mit geschöpft sind.
Gewiß ist es Tatsache, daß die Wohnungsverhältnisse im
allgemeinen auch in unserm Sachsen noch reichlich viel zu
wünschen übrig lassen, soviel, daß es Unkundigen oder Ober-
flächlichen scheinen könnte, als habe sich die allgemeine
Wohnungsfürsorge als unzulänglich, zum mindesten als un-
wirksam erwiesen. Demgegenüber stellen wir die Frage:
Wie würde es denn um das Wohnungswesen stehen, wenn
keine Wohnungsfürsorge geübt worden wire? Es gilt doch
zu bedenken, was heutzutage, also in einigermaßen großer
zeitlicher Entfernung von dem Anfangsstadium der jüngsten
wirtschaftlichen Entwicklung unsres Volkes, mit erhöhter
Einsicht in den Sachverhalt behauptet werden bann, daß
ein allgemeiner wirtschaftlicher, namentlich industriell be-
dingter Aufschwung — der ja letzthin ein Hauptgrund des
Weltkricges gewesen — gegen die Wende de# Jahrhunderts
fast sprunghaft einsetzte und als seine Kehrseite die Miß-
stände im Wohnungswesen ebenso sprunghaft verschärfte,
gegen die die Wohnungöfürsorge sofort auch anzukämpfen
sich bemühte. Daß diesen Verhältnissen gegenüber die Re-
gelung des Wohnungswesens nicht allzubald sich anpassen
konnte, ist aber gerade beim Wohnungswesen nicht allzu
befremdlich, läßt doch die durchschnittlich lange Bestands-
dauer einmal erbauter Häuser in baulicher Hinsicht eine
Anderung ja nur sehr allmählich aufkommen und durch-
dringen. Worauf es ankommt, ist, daß die Neubauten in
einer neuen Bau-, Wohn= und Siedlungsweise erstellt wer-
den. Aber auch zur Durchführung eines solch neuen Sy-
stems, des Systems des Flachbaues und der weiträu-
migen Siedlungsweise, um das es sich doch gegen-
wärtig handelt, bedurfte es vorerst praktischer Erfahrungen,
praktischer Bewährung, die wiederum nur langsam durch-
drang. Man wird dessen inne, daß wir durch eine Zeit des
Übergangs hindurch mußten, wenn man die heutigen Grund-
sätze für die Bauvorschriften mit denen unfres Baugesetzes
vom 1. Juli lgoo bzw. vom 20. Mai 19004 vergleicht.
Oieses war gewiß eine bedeutsame Errungenschaft, ein
Markstein, und es ist ein bleibendes Zeugnis für das ent-
schlossene Wollen, mit dem man der Lage um looo gerecht
zu werden strebte. Heute herrscht weithin das Empfinden,
daß die Grundvoraussetzungen jenes Gesetzes insofern er-
schüttert sind, als nicht das Vielfamilienhaus, sondern das.
Kleinhaus als Ideal angesehen wird. Für dieses gelten aber
eben ganz andere Voraussetzungen und also auch Bestim-
mungen. So verliert das Baugesetz zwar gewiß nicht über-
haupt an Wert und Bedeutung — ee gilt nach wie vor für
das Großhaus, für den Großhausbau, der ja nicht über-
haupt in Wegfall kommt — es bedarf aber unter den ver-
änderten Zeitverhältnissen der Ergänzung durch Sonder-
bestimmungen für den Flachbau und die weiträumige Sied-
lung.
Solche Bestimmungen, vom Standpunkte des Allgemeinen
Baugesetzes aus als Bauerleichterungen gefaßt, recht-
zeitig zu erlassen, hat die Regierung nun keineswegs verfehlt.
Bereits in der Verordnung vom 10. November 1913,
also vor Ausbruch des Weltkrieges, ist diesem Bedürfnisse
Rechnung getragen worden. Die Regierung hat auch darauf
gedrungen, daß solche Bestimmungen nicht nur in örtlichen
Bauordnungen Aufnahme finden, sondern auch Anwen-
dung, so in der Verordnung vom 20. August 1915.
Zum Durchbruch, zur entscheidenden Wendung dürfte
die Flachbauweise recht eigentlich unter dem Einflusse
des Weltbrieges und damit zusammenhängend des Krieger-
heimstättengedankens gekommen sein. Gehen wir fehl, wenn
wir vermuten, daß die gemeinnützigen Bauvereine in Ver-
bindung mit den örtlichen Siedlungsgesellschaften in erster
Linie berufen sein dürften, die Flachbauweise durchzuführen,
die gemeinnützigen Bauvereine, die ja ihrerseits selbst erst
seit lo recht eigentlich erstanden sind als Träger des Fort-
schrittes im Kleinwohnungsbauwesen.
Wie eingehend die Regierung sich mit der Frage der Flach-
bausiedlung beschäftigt hat, zugleich wie weitgehendes Ver-
ständnis und ebenso auch Entgegenkommen sie bewiesen hat,
zeigt die Verordnung vom 10. November 1913 besonders
deutlich.
Gewiß läßt sich sagen: die Regierung, insbesondere
das Ministerium des Innern hat in weitestgehendem
Maße der Wohnungsfürsorgepflicht entspro-
chen — schon in der Zeit vor dem Kriege — an ihr,
an ihm liegt es nicht, wenn noch längst nicht
ideale Justände herrschen, sie hat bereits in der
Verordnung vom 31. März 1903 auf die Wichtigkeit
der Wohnungsfürsorge in Kennzeichnung zugleich ihrer eig-
nen Stellungnahme mit Worten hingewiesen, die noch heute
gelten, sie lauten: