Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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Dr. Krug v. Nidda und von Falkenstein stehen zur 
Durchführung der bedeutenden Aufgabe neben den Beamten 
der Landessiedlungsstelle die Geschäftsführer der L.-S.-G., 
die Herren Regierungsräte Dr. Rusch und Dr. Stock- 
hausen sowie ein von der Regierung berufener beratender 
Ausschuß zur Seite. 
Bald genug ergab sich als erste wichtige Obliegenheit die 
Herausarbeitung eines festen Gefüges für den zu errichten- 
den Bau. Es galt die Einzelaufgaben abzuwägen und ab- 
zugrenzen, es galt die Einzelbefugnisse der nachgeordneten 
Behörden und die Beziehungen zu den sonstigen Behörden zu 
gestalten, so zu gestalten, daß einerseits der Landessiedlungs- 
stelle als regelnder, organisatorisch leitender und beratender 
Jentralstelle, als dem eigentlichen Träger der Ansiedlung 
tatsächlich der völlige und klare ÜUberblick über das Werk 
gewahrt, ihr maßgebender Einfluß gesichert blieb, daß an- 
dererseits eine Arbeitsteilung erfolgte, welche den bestehen- 
den Sonderrechten und Sonderpflichten der einzelnen Or- 
gane, der Kreditinstitute, der Baugenossenschaften, der Ver- 
waltungsbehörden, letzterer im Rahmen der revidierten 
Städteordnung, der Stadt= und Landgemeindeordnung Rech- 
nung trug. Diese großzügige Gestaltung ist in ihren Grund- 
zügen erstanden und steht im großen ganzen als abgeschlossen, 
als fertig vor uns. Sie hat ihren Ausdruck gefunden vor 
allem in der 
Anleitung für die bei der Ansiedlung von 
Kriegsteilnehmern mitwirkenden Behörden 
vom 3. Mai 1917. 
Wir heben nur ihren Hauptinhalt hervor. 
Nach §& 1 ist von sämtlichen Stadt= und Landgemeinden 
eine allgemeine Umfrage bei den Gemeindeangehörigen zu 
veranstalten darüber, in welcher Größe, zu welchem Preise 
und von welchen Flurstücken sie bereit sind, Land zur An- 
siedlung von Kriegsteilnehmern von ihrem Eigentum ab- 
zugeben. Ebenso ist von den Gemeindevertretern ein Beschluß 
wegen Abgabe von dem im Gemeindeeigentume befindlichen 
Lande herbeizuführen. Auch ist von den Amtshauptmann- 
schaften eine Umfrage im vorstehenden Sinne an die Eigen- 
tümer der in ihrem Verwaltungsbezirke liegenden selbstän- 
digen Güter zu richten. 
Nach #& 2 werden diese wie alle sonstigen Angebote sei es 
von Siedlungsland, sei es etwaiger fertiger Heimstätten 
nach erfolgter Prüfung in Verzeichnissen abschriftlich den 
Bezirbsverbänden und den bezirkbsfreien und revidierten 
Städten zur Einsichtnahme für Siedlungswerber übersandt, 
können aber auch in der Landecesiedlungostelle eingesehen 
werden. 
§3 und 4 handeln von der Prüfung der gestellten Ge- 
suche um Erlangung einer Heimstätte, §9 5 und 6 von den 
Bedingungen der Anerkennung von Siedlungsgesellschaften, 
Baugenossenschaften und Bauvereinigungen als Ausfüh= 
rungsorganen der Ansiedlung. Sie müssen bereit sein, den 
Gesetzen über das Ansiedlungswesen, den Ausführungs- 
bestimmungen und Anweisungen sich zu unterwerfen, nur 
solche Personen anzusiedeln, die ihrerseits sich gleichfalls 
diesen Gesetzen usw. unterwerfen, es ist ferner erforderlich, 
daß Bezirksverbände bzw. die bezirbsfreien Städte, die sich 
ihrer bedienen, sich an ihnen finanziell beteiligen, und daß 
sie selbst der Landessiedlungsgesellschaft mit einem Mindest- 
anteil von looo Mark beitreten. Nach 6# 7 gilt als Maß 
für die Beteiligung der Bezirksverbände bzw. der Städte 
ein Beitrag von mindestens 10 Pfennigen auf den Kopf 
ihrer Bevölkerung. Als „angemessener Einfluß“ wird bei 
neuen Unternehmungen der Vorsitz des Vorstandes der Ver- 
waltungsbehörde im Aufsichts= oder Verwaltungsrate und 
die Mitgliedschaft einiger Vertreter im Aufsichtsrate (Be- 
zirkoausschuß, Stadtrat, Stadtverordnete) anzusehen sein. 
Außerdem wird von den Bezirksverbänden und bezirksfreien 
Städten eine Beteiligung an der Landessiedlungsgesellschaft 
mit einem Mindestbeitrage von 10 Pfennigen auf den Kopf 
ihrer Bevölkerung erwartet, der auf 20 Pfennige zu be- 
messen ist, wenn sich der Bezirksverband oder die bezirks- 
freie Stadt keiner örtlichen anerkannten Unternehmung, 
sondern nur der Landessiedlungsgesellschaft bedienen will. 
Sehr wichtig sind die Bestimmungen des § 11, welcher 
lautet: 
„Mit dem Auftrage zur Fortstellung des Siedlungs- 
geschäfts wird dem Bezirksverband bzw. der anerkannten 
Siedlungsgesellschaft gleichzeitig die Entschließung der 
Landessiedlungsstelle bekanntgegeben, ob und in welchem 
Umfange die Heimstätte mit einer die Weiterveräußerung 
oder die Verschuldung beschränkenden Bestimmung zu be- 
lasten ist. Als eigentümerähnliche Stellung im Sinne 
der Ausführungsbestimmungen gilt in erster Linie der 
Schutz vor Mietsteigerung und vor willkürlicher Kün- 
digung.“ 
Die Landessiedlungsstelle hat nicht unterlassen, zur Be- 
lehrung der Krieger und ihrer Angehörigen ein 
Merkblatt 
zu verfassen, das unter anderem auf Anregung des Landes- 
verbandes der Bodenreform den Aufklärungsdienststellen 
durch das bisherige Kgl. Kriegsministerium als Material 
übersandt wurde. Insbesondere ist zu erwähnen, daß, wer 
eine ihm passend erscheinende Siedlungsgelegenheit gefun- 
den zu haben glaubt, in einem an die Kreishauptmannschaft 
Dreeden zu richtenden Gesuche, das auch bei der zuständigen 
Amtshauptmannschaft oder Stadtbehörde, dem Stadtrate 
einer revidierten Stadt, eingerescht werden kann, um An- 
siedlung einzukommen hat. Das Merkblatt gibt an, was 
in dem Gesuche vor allem zu erwähnen ist — voller Name, 
Geburtsjahr und -ztag, der frühere und gegenwärtige Beruf 
und Wohnort, Familienstand, Zahl und Alter der Kinder, 
das Militärverhältnis, namentlich ob Kriegsbeschädigter, 
Höhe des verfügbaren Kapitals, Höhe der Militärrente und 
gegebenenfalls Stand des Kapitalabfindungsverfahrens, et- 
waige Wünsche wegen des Baues der Heimstätte. Auch 
auf die Gütervermittlungsstelle beim Landeskulturrat in 
Dresden, Sidonienstraße, wird hingewiesen. Gewarnt 
wird vor Abschließung bindender Kaufverträge ohne Mit- 
wirkung der Siedlungsbehörde — selbstverständlich, aus 
naheliegendem Grunde. 
Die Einfachheit und Klarheit des Inhaltes dieses Merk- 
blattes ist der beste Beweis dafür, daß der Grundgedanke 
der Einrichtung des Siedlungswesens scharf durchdacht ist. 
Das schließt natürlich nicht aus, daß dazwischen noch eine 
Unmenge zum Teil äußerst schwieriger Fragen besteht und 
zu lösen gewesen. 
Es dürfte interessieren, daß trotz der erheblichen allge- 
meinen und besonderen Schwierigkeiten gleichwohl Sied- 
lungsanträge in beachtlichem, stetig wachsendem Umfange 
erledigt worden sind. Laut Jahresbericht der Landessied- 
lungsgesellschaft auf das Jahr lol8 wurden in der Zeit 
vom November 1916 bis 31. Dezember 1918 
Anträge auf Kapitalabfindung gestellt 1027 
bewilligt 555 
in Gesamtsumme von M. 2545892 und zwar für 
a) Wirtschaftsheimstätten 
93 m. Ges.-Summe von M. 506274 
b) Wohnheimstätten 250 „, „ „ „ 1186 421 
JPc) Stärkung eignen 
Grundbesitzes 200 » ,,»853197 
555 M. 2545·892 
Von den Bewerbern hatten sich mit eigenem Vermögen 
bis Ende März 1919 gemeldet 384 Siedler und zwar
	        
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