machen, daß wir die Veteranen früherer Kriege einst so un-
glaublich vernachlässigt haben.“
Herzhaftig, ja ins Herz treffend, diese Worte von der
Schuld und heiligen Verpflichtung, diese Brandmarkung des
Wuchers mit der Quelle unserer Kraft und unseres Schaffens,
ein echtes Zeugnis wahrer, echt christlicher Menschen- und
Heimatliebe.
Da hinreichender Grund zu der Annahme besteht, daß
auch innerhalb der katholischen Kirche Sachsens volles
Verständnis für die Bedeutung der Sache und reges In-
teresse gegenüber dieser Frage vorhanden ist, so läßt sich
wohl von einem edlen Wetteifer in dieser großen Sache
sprechen, einer seltenen, aber um so erfreulicheren Ein-
mütigkeit bei einer Gelegenheit, die ebenso davon zeugt, ob
lebendiger Glaube vorhanden, wie sie ihn ihrerseits zu lebens-
voller Betätigung weckt. Wahrlich, wenn je eine Gelegen-
heit sich bot, so ist es die Frage der Kriegerheimstätten, von
der Fürstbischof Bettinger gesagt hat: „In dieser Frage
soll meine Kirche nicht mit= oder gar nachgehen, sondern
vorangehen soll sie“, die Gelegenheit bietet, so nicht wieder-
kehrend, dem Volke in seiner Gesamtheit in schönster Be-
tätigung echten Glaubens sich dienstbar zu erweisen und
damit auch den ihr Entfremdeten zu bezeugen, daß es ihr
am guten, an ernstem, zielbewußtem, festem Willen nicht
fehlt. Solches Verhalten wird dazu beitragen, daß das Ver-
trauen zu ihr gestärkt. wird, es dürfte als ein wichtiger
Schritt auf dem Wege zur Volksbkirche sich erweisen,
wie es in der Entschließung einer Konferenz von Synodalen
vom 2. Dezember 1915 mit den Worten ausgeführt ist:
„Soll unsere Landeskirche zur Volkbskirche werden, so
muß sie zu allen sozialen und nationalen Problemen, die
für die sittliche und religiöse Gesundheit unseres Volks-
lebens grundlegend sind, öffentlich Stellung nehmen.“
Wir schließen diesen Abschnitt, indem wir nur noch eines
gedenken, der sich um die Sache der Kriegerheimstätten be-
sonders verdient gemacht, des Pfarrers Johannes Steude-
Großdrebnitzbei Bischofswerda, dessen Veröffentlichung über
Kriegerheimstätten im nächsten Abschnitt noch besonders zu
besprechen sein wird. Aus der praktischen Tätigkeit der Seel-
sorge ist ihm bei Gelegenheit von Vorträgen im Lazarett das
Verständnis für die Größe der Sache erwachsen, dem er in
seiner Schrift beredten Ausdruck verliehen hat.
. Schule, Presse und sonstige Förderer der Krie-
gerheimstätten, insbesondere Siedler-
organisationen
Beginnen wir auch bei der Schule mit der Stellung der
obersten Schulbehörde zur Frage der Kriegeransiedlung. Das
Ministerium des Kultus und öffentlichen Un-
terrichts hat laut Mitteilung zur Ständischen Schrift
Nr. 45 vom 26. Oktober 1916 sich gern bereit erklärt,
die Bestrebungen für den weiteren Ausbau der Wohnungs-
fürsorge, insbesondere für Kriegsteilnehmer mit allen tun-
lichen Mitteln auch in seinem Geschäftsbereiche zu fördern.
„Dac Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts
wird,“ so heißt es wörtlich daselbst weiter, „deshalb wie
schon bisher ganz besonders solche unvermögende Schul-
gemeinden, deren Schulaufwand im Verhältnisse zur
vorhandenen Steuerkraft namentlich durch Gründung von
Hausgartenwirtschaften und Wirtschaftsheimstätten, über-
baupt durch Entstehen von Kleinansiedlungen, den Bau von
Kleinwohnungen auf gemeinnütziger Grundlage u. a. m. er-
heblich gesteigert wird, durch Baubeihilfen bei Schul-Neu-
oder Erweiterungsbauten oder durch Gewährung außer-
ordentlicher laufender Beihilfen zu den Unterhaltungskosten
des Volksschulwesens im allgemeinen nach Maßgabe der
verfügbaren Mittel unterstützen, falls hierüber von den zu-
ständigen Bezirboschulinspektionen befürwortende Berichte
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unter Nachweis des Bedürfnisses erstattet werden. Auch
für Bereilstellung von Land, vornehmlich für die Errichtung
von Wohnstätten aus Schulbesitz, fehlt es nicht an grund-
sätzlicher Bereitschaft, wobei freilich zu bemerken ist, daß
für solche Zwecke geeigneter Besitz nur in sehr beschränktem
Umfange vorhanden ist.“
Eo ist kein Zweifel, daß die Frage der zweckmäßigen
Verteilung der Schullasten von einschneidender, ja
geradezu entscheidender Bedeutung für die Verwirklichung
des Kriegerheimstättengedankens bei näherer Betrachtung
sich erweist. Weil mit dem dadurch bewirkten Zuzuge von
Bevölkerung, gerade kinderreicher Bevölkerung zu rechnen
ist, wird diese Frage ausreichender Behebung anwachsender
Schullasten besonders brennend. Weil es im Siediungs-
interesse aber so besonders wichtig ist, wird eine wirksame
und ausreichende Hilfe wohl nur von einer Neuregelung
der Verteilung der Schullasten zu erhoffen sein,
eine dringliche und für das Gelingen des vaterländischen
Werkes grundlegende Angelegenheit.
Neben dieser unmittelbaren Mitwirkung ist der Tätigkeft
zur Verbreitung des Verständnisses für das Siedlungswesen
Erwähnung zu tun. Diese ist darum höchst wichtig, weil da-
durch erst wahres Interesse, einsichtsvolles Interesse geweckt
wird. Dies zu tun aber hat die Schule, d. h. aber in erster
Linie die Lehrerschaft sich in hohem Grade angelegen
sein lassen.
Zunächst sei erwähnt, daß die oberste Schulbehörde in
einer Verordnung vom 20. Oktober 1917 auf die Sied-
lungosnummer des Heimatdank (Nr. 20 von 1917) beson-
dero hingewiesen und ihre Anschaffung für Schülerbüchereien
sowie die Besprechung ihres Inhaltes in geeigneter Weise
beim Unterricht empfohlen hat.
Und in der Tat gibt es ja kaum eine bessere Gelegenheit,
auf volkswirtschaftliche Zusammenhänge, auf die Aufgaben
des Staates, auf die Tätigkeit der Regierung in Wahr-
nehmung der Interessen des Gemeinwohles hinzuweisen,
als anläßlich der Siedlungofrage — zumal da von dieser
Seite durch den Krieg das Problem der sozialen Frage erst
in seine volle, umfassende Beleuchtung gerückt worden ist.
So wurden — als der Aushungerungsplan bekannt wurde
— regierungsseitig Kurse zur Belehrung abgehalten,
die zugleich die Wichtigkeit der Siedlungsfrage mit erbennen
ließen, und in großer Zahl waren es Lehreralter Schul-
gattungen, welche daran teilnahmen. Lehrervereine ge-
hörten mit zu den ersten Mitgliedern des Hauptausschusses
für Kriegerheimstätten in Berlin, Lehrer traten hervor, als
es galt, den Gedanken der Kriegerheimstätten zu verbreiten.
Wir erwähnen in diesem Zusammenhange, daß in einer
Lehrerversammlung in Dresden 1917 eigens Herr Dr. Da-
maschke gesprochen, wir erwähnen die auch in Druck er-
schienene Rede des Seminar-Oberlehrers Dr. Milkner-=
Dresden über Kriegerheimstätten, gehalten am 26. Januar
1918 im Lehrerseminar zu Dresden-Plauen als Vorfeier
für Kaisers Geburtstag.
Eine Umfrage in den Kreisen der Lehrer Sachsens hat
ergeben, daß — wie auch in den Kreisen der Geistlichen —
bei den verschiedensten Gelegenheiten der Kriegerheimstätten-
sache gedacht worden ist, soweit aber doch von dieser Seite
das Ohr des Volkes nicht erreicht wurde, dürfte die Auf-
klärung durch Vorträge im Felde ein übriges getan haben:
zahlreiche Zeugnisse bekunden, daß das Wort auf empfäng-
lichen Boden gefallen — fast scheint des Guten zuviel ge-
schehen zu sein, man habe falsche Hoffnungen erweckt, Ver-
sprechungen gegeben, die nun nicht erfüllt würden. Warum
aber nicht erfüllt? Weil der Gesamtwille doch nicht recht-
zeitig die Verwirklichung des Gedankens herbeizwang. Wir
sprachen schon davon, daß dann manches anders hätte ver-
laufen können: Kriegerheimstätten eine Lebens= und Schick-
salsfrage unseres Volkes!