Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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mentern stehenden gesunden Knechte, die nicht als ihr be- 
siegeltes Los ansehen sollten, daß auch sie „nach langen 
Diensten und empfangenen Blessuren betteln“ gehen müßten, 
veranlaßte die Fürsten, auf Abhilfe zu sinnen. Dies um so 
mehr, je mehr das Halten eines stehenden Heeres zur 
Gepflogenheit wurde, was in Sachsen seit 1682 unter Jo- 
hann Georg III. der Fall war. 
Der erste Fürst, der eine solche regelmäßige Fürsorge 
einführte, war wohl Moritz von Nassau (1612), der ein 
Johann George, Churfürst 2c. 
Abgedanckter L## und Hochgelahrte Räthe, lieben 
Soldaten Getreue. Es kommen bep Uns fast 
Klagen, we= täglich Unsere abgedanckte Soldaten mit un- 
Len Hino, terthänigsten Supplieiren und Klagen ein, wie 
rflesaten“ sie, eines und andern Orths, bey denen Mei- 
Hönfftezu stern ihres hiebevor erlerneten ehrlichen 
dommen. Handwercks, in die Zunffte und Innungen 
nicht aufgenommen, sondern theils gänzlich 
abgewiesen, kheils aber (unter welchen ekli- 
che bereits Unsere Befehlige und Anordnung 
erhoben) mit Verfertigung kostbarer Mei- 
sterstücke, und anderen Unkosten, dermaßen 
beschwerk werden wollten, daß es ihnen zu 
erschwinden unmöglich, und nur zu dem En- 
de angesehen sey, damit sie von ihren Vor- 
haben ganzlich abstehen, und sich in andere 
Fürstemhümer und Gebiethe zu wenden Ur- 
Dan Kous sach erlangen solten. Nun damn dieses ein 
Werck von Iberck von sonderbarer Consideration, die 
Tonũdera. zufoͤrderst auf das Aufnehmen und Fopuli- 
tion. rung derer hin und wieder verwuͤsteten Staͤd- 
te und Flecken mehr, als die allzugenaue Ob- 
servanz derer Haͤndwercks-Gewohnheiten, 
und, bey guten ruhigen Zeiten, aufgerichteten 
Innmungs-Articul (in deren Consirmation wir 
Uns zwar ohnediß die freye Hand sedesmahl 
fürbehalten) ein Aluge zuschlagen, Wir auch 
hiernächst einen üblen Nachklang in- und 
außer Landes besorgen mußten, daferne Un- 
sere gewesene Soldaten, über die wenigen 
Addamkungs-Gelder, und nach Himerlas- 
sung aller Besdldungs-Reste, ihrer langwie- 
rigen getreuen Dienste, und bey vielen, nach 
erscheinenden gesöhrlichen Leibes-Schäden 
und Gebrechen, keine bessere Erkänmaiw, 
Danck und Ergözlichkeit zu hoffen hätten, 
Leibesschäden und Gebrechen keine bessere Erkänntniß, Danck 
und Ergözlichkeit zu hoffen stünde, als daß sie Armuths 
halber ausgestoßen würden“. Sie sollten daher „das ge- 
ringste Meisterstück machen dürfen und mit den sonst 
üblichen Wanderjahren und anderen Spesen verschont 
werden“. 
Dee hier ebenfalls abgebildete Erlaß August des Starken 
vom Jahre 1608 wiederholt diese Verordnung. Er sieht 
aber auch die Erleichterung der Niederlassung auf 
als daß man sie, Armuths halber, zu denen 
Innungen nicht achnittiren, vielmehr davon 
oleichsam verstoßen, und ihnen dassenige, 
was sie umer anderen Herren, und fremden 
Obrigkeiten, mit allen IWillen erlangenkönn= 
ten, so gar versagen thäte. * 
Als sind QGir verursachet worden, sol= Gucdigs= 
chem Unwesen und mit unterlauffenden Relelation. 
Muthwillen derer Handwercker, zu steuren, 
und Uns gegemwärtiger absonderlicher Kelo- 
lution zu entschlüßen, gnädigst begehrende, 
Ihr wollet daran seon, und, auf einkommen- 
de Supplicationes, die gemessene Anordnung 
thun, auch, mit Dichrung gewisser Straffe, 
verfügen, daß die unter Unserer Armacke biß= Soldaten, (5 
her gewesene Soldaten, woferne sie ihre un-in Churfürstl. 
tadeliche Geburths= und Lehr-Brieffe für- Dien gewe- 
weisen haben, bey denen Handwercker- * 
* gste Wei- 
Jumfften und Innungen, als Meistere auf sterstück ma- 
und angenommen, mit denen sonst gebräuch-chen dürffen. 
lichen Wander-Jahren, sowohl kostbaren 
Meister-Stücken, und anderen Spelen, ihres 
Unvermägens wegen, verschonek, und allein 
mit PVerfertigung des geringsten und die we- 
nigsten Kosten erfordernden Meister-Stü- 
ckes beleget werden sollen. Hierdurch wird 
Unfer Landes Bestes, nebenst denen Steuern 
und andern Gesällen befördert, Wir vieles 
Anlauffs und ungleicher Nachrede entübri- 
get, und ihr vollbringet 2c. Datum Dreß- 
den, am 14. Februarü-, Anno 1631. 
Johann Georg, Churfürst. 
An 
die Regierung zu Dreßden. 
Befehl des Kurfürsten Johann Georg vom 15. Februar 1051 
„jährliches Leibgeding“ aussetzte, wenn einer seiner „armen 
Knechte hinkend, gliedlos oder gelähmt wurde“. In Sachsen 
stammen die ersten Nachrichten über eine Invalidenfürsorge, 
die wir aber schon weiter zurückreichend uns vorstellen 
müssen, aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Aus dem 
bier abgebildeten „Befehl“ des Kurfürsten Johann Georg, 
vom 16. Februar 1651, geht zunächst hervor, daß den Sel- 
daten Abdankungögelder zustanden. Diese waren aber 
„wenige“ und es erschien daher angemessen, auf andere 
Weise noch für die Leute zu sorgen. Es zeigt sich aber auch, 
daß sehon früher gegen „das Unwesen und mit unterlauffen- 
den Mutwillen derer Handwerker“ vorgegangen worden 
war, deren schikanöse Innungsbestimmungen den gewesenen 
Soldaten den Eintritt und damit die Möglichkeit einer Aus- 
übung des Gewerbes verwehrten. Denn jetzt wurde er- 
neut befohlen, daß „nicht durch Verlangen der Verferti- 
gung kostbarer Meisterstüücke und andere Spesen“ jene 
Verfügung umgangen werden sollte, damit nicht den ge- 
wesenen Sodaten für ihre getreuen Dienste und gefährlichen 
den Dörfern, insbesondere aber in den Städten vor, die 
auch im Interesse der Bevölkerungspolitik gelegen sei, und 
fordert, „daß den abgedankten Soldaten alle Willfahrigkeiten 
zu erweisen seien, und wenn sie sich niedergelassen hätten, 
ihnen wüste Baustellen oder herrenlose Wohnungen unent- 
geltlich eingeräumt werden sollten, sie auch vier Jahre lang 
von allen Steuern und Abgaben, Contributionen, Ser- 
bis, Einquartierung und allen anderen oneribus befreit 
und exemt“ sein sollten. 1738 wurden die wegen Inva- 
lidität verabschiedeten Soldaten „für alle Zeiten von jeden 
Personal-Prästandis"“ befreit. 
Allmählich begannen die Abdankungsgelder, durch die 
Gnade des Fürsten, wie in anderen Ländern, so auch in 
Sachsen, zunächst wohl nur für besonders verdiente Leute, 
dann aber regelmäßig in Renten, damals als „Provisionen“ 
bezeichnet, überzugehen. So finden wir #m Etat der kur- 
sächsischen Armee von 1687 bei einem jährlichen Gesamt- 
aufwand von 773910 Talern 21 Groschen, etwa 7200 Ta- 
ler an „Provisions-, wie auch Gnaden= und Wartegeldern“,
	        
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