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beschädigte aus der Landwirtschaft, die sich dazu eigneten,
für gehobene Stellen in der Landwirtschaft ausgebildet.
Kriegsbeschädigte aus dem Baufach (Maurer, Steinmetzen,
Zimmerleute), welche ihren Beruf nicht mehr in der früheren
Weise ausführen konnten, wurden in besonderen Lehrgängen
an den Bauschulen von Dresden, Leipzig, Glauchau, Chem-
nitz zu Polieren, Platzaufsehern und Bauschreibern, bei guter
Eignung auch als Bauzeichner ausgebildet. Für Kriegs-
verletzte aus dem Tertilgewerbe waren Lehrgänge für Spin-
nerei, Weberei, Stickerei und Färberei an den Fachschulen
zu Chemnitz, Reichenbach, Großschönau, Zittau, Glauchau,
Crimmitschau und Plauen i. V. bestimmt. Für kriegsbeschä-
digte Metallarbeiter kamen noch einige Fachschulen in Betracht
wie die Schlosserschule in Roßwein, die Uhrmacherschule in
Glashütte, sowie die Fachschule für Metallbearbeitung und
Lehrgang für Bienenzucht beim Reservelazarett Arnsdorf.
Installation in Aue i. E., für Holzbearbeitung die Fach-
gewerbeschule für die Spiel= und Holzwarenindustrie in
Seiffen, für Lederbearbeitung die deutsche Schuhmacherfach-
schule in Siebenlehn. In den Lehrwerkstätten dieser Fach-
schulen hatte man mit viel Geschick durch besondere Behelfe
Maschinen auch für Arm= bzw. Beinbeschädigte benutzbar ge-
macht, von dem Bestreben ausgehend, die Kriegsverletzten
möglichst ihrem Berufe zu erhalten. Auch für das Nah-
rungemittelgewerbe seien noch zwei Fachschulen genannt,
welche zahlreiche Kriegsbeschädigte ausgebildet haben: die
Konditoreifachschule von Weber in Dresden, welche von
Kriegsbeschädigten aus ganz Deutschland besucht wurde und
in welcher hauptsächlich Bäcker, die ihren Beruf nicht mehr
ausüben konnten, zu Konditoren umgeschult wurden, und
die Fachschule für das Hotelwesen in Buchholz-Friedewald,
in welcher sich kriegsbeschädigte Angestellte aus dem Gast-
wirtsgewerbe zu Hotelsekretären ausbildeten. Auch Lehr-
gänge für Kleintierzucht, insbesondere Bienenzucht, fanden
an verschiedenen Orten statt. Beifolgendes Bild zeigt uns
einen solchen Lehrgang, wie er in Arnsdorf vom dortigen
Verein Heimatdank geboten wurde. Zur Ertüchtigung in-
dustrieller Arbeiter für die praktische Arbeit dienten die Lehr-
werkstätten der Schullazarette zu Dresden, Chemnitz, Leipzig
und Zwickau, welche gleichfallö unter Beteiligung des Heimat-
dankes zusammen mit der Militärbehörde betrieben werden.
Gleichfalls im Anschluß an Reservelazarette bestehen beson-
dere Schuleinrichtungen für Armbeschädigte und
Hirnverletzte. Einarmerschulen wurden in Dresden und
Chemnitz, Leipzig und Zwickau ins Leben gerufen. Der Zweck
derselben ist weniger, den Besuchern eine Berufsausbildung
zu geben, als die gebrauchsfähig gebliebene Hand möglichst
vielseitig auszubilden. Gerade der Verlust der Hand, be-
sonders der rechten, wird schmerzlich empfunden; ein so
schwerer Verlust bringt begreiflicherweise vielfach eine starke
Hemmung der Arbeitslust und eine Lähmung des Willens
mit sich, so daß vor allem die entstandene Mutlosigkeit be-
kämpft werden muß. Es muß dem Einarmigen zunächst ge-
lehrt werden, sich in den Hantierungen des täglichen Lebens
zurechtzufinden und ihm gezeigt werden, daß er auch sonst
eine ganze Anzahl Berufe ausfüllen kann mit einer ge-
übten Hand. In der zuerst begründeten Dresdner Einarmer=
schule war daher das Beispiel eines einarmigen Handwerks-
lehrers von großem Nutzen, der, trotzdem er nur die linke
Hand besaß, fast alle Verrichtungen der verschiedensten
praktischen Berufe ausüben konnte
und den Einarmigen ein gutes Bei-
spiel bot. Außer dem Linkeschreiben
werden an der Einarmerschule auch
allerlei Handfertigkeiten, sowie Ar-
beiten in Metall und Holz getrieben,
zum Teil unter Anwendung einfacher
Behelfe. Auch das Arbeiten mit
Prothesen wird geübt, wenn auch
letztere noch nicht so recht von den
Einarmigen geschätzt werden. Als
ein Beruf, der sich besonders für
Einarmige eignet, wurde der eines
Kontorbetriebsbelfers er-
kannt; sowohl in Dresden als auch
in Leipzig bestehen hierfür besondere
Ausbildungsgelegenheiten. Ein sol-
cher Kontorbetriebshelfer hat alle
Nebenarbeiten im Kontor oder der
Kanzlei zu erledigen, deren Voll-
bringen durch höher qualifizierte Be-
amte eine Energie= und Kostenver-
schwendung bedeuten würde. Solche
Nebenarbeiten sind zum Beispiel
Vervielfältigungen von Schrift-
stücken, Kopieren von Briefen, Einordnen derselben, Post-
fertigmachen von Briefen, Heften von Akten, Führung
einer Kartothek usw. Unser Bild zeigt Einarmige in dieser
Tätigkeit. Einer Anregung des Schreibers dieser Zeilen
folgend, richtete die Stiftung Heimatdank im März 1918
im Reservelazarett Arnsdorf eine Hirnverletztenschule ein,
nach dem Muster derartiger Schulen in Köln, Frankfurt am
Main, Hannover und andere Orten. Die Erfahrung zeigte,
daß die geistigen Funktionen der birnverletzten Kriegs-
beschädigten oft derart herabgesetzt wurden, daß sie zu einer
regulären Beschäftigung nicht fähig waren und in Gefahr
standen zu verblöden. Sprachstörungen und epileptische An-
fälle traten erfahrungsgemäß auch bei derartigen Ver-
letzungen öfter auf. Die Aufgabe unserer Hirnverletzten-
schule bestand nun darin, die Hirnverletzten körperlich und
geistig zu heben und für das fernere Leben wieder brauch-
bar zu machen. Als Mittel hierzu dienten: planmäßiger
Unterricht, von den elementarsten Stufen beginnend (eine
Abbildung zeigt den Anschauungsunterricht, der zur Wieder=
erlangung elementarer Begriffe dient), Ubung der sprach-
lichen und körperlichen Bewegungsfähigkeit; vorbereitende
Werktätigkeit und Werkstättenarbeit. Die Schule wird ge-
leitet von dem in der Hilfsschularbeit erfolgreich tätigen
Lehrer Mehnert (aus Dresden), dem noch vier Hilfsschul-
lehrer zur Seite stehen. Auch der Kreisverband Leipzig hat
eine solche Hirnverletztenschule begründet.
Über die gleichfalls vom Heimatdank eingerichteten
Kriegsprimanerkurse ist schon früher berichtet worden
(siehe das Gesundheitswesen im Weltkriege), nur sei er-