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er sich aus den Zahlen ergibt, ist nicht nur ein Teilbeweis
für die Behauptung, daß die Bewohner der Erde noch nie
so hin und her und durcheinander geworfen worden sind wie
in diesem Weltkriege, sondern auch ein Zeichen dafür, daß
in den Lagern schon rein äußerlich ein reges Leben herrschte,
ein ewiges Kommen und Gehen.
Daß sich dieser Massen- wie auch der Einzelverkehr ohne
Stockung vollziehen konnte, das war der zweckmäßigen An-
lage besonders der großen Gefangenenheime zu danken.
Eine breite Hauptstraße durchzieht ein jedes von ihnen.
Schmälere Seitenwege zweigen sich links und rechts von
ihr ab. Auf beiden Seiten stehen die schmucken Holzhäuser,
die Giebel der Straße zukehrend. Diese sind fortlaufend
numeriert, so daß sich jeder Bewohner und Fremde leicht
Offizierszinimer auf Königstein
zurechtfinden kann. An den Gängen und zwischen den
Häuschen haben kunstsinnige Hände reizende Schmuckbeete
angelegt oder bewundernswerte Denksteine, Kreuze und
andere Kunstwerke errichtet. Man hat nicht Zeit noch Raum,
das alles zu betrachten, denn die Menschen drängen sich,
und neue Eindrücke dringen auf den Besucher ein. Ein
buntes Völkergemisch tritt ihm entgegen: Engländer, Fran-
zosen, Russen, Serben, Rumänen, Italiener, Schwarze
verkehren in grösiter Freundschaft miteinander. Die einen
stehen vor einer Verkaufostelle und kaufen den täglichen
Bedarf, die andern eilen zur Küche, um Kartoffeln zu
schälen, andere wieder fahren in= großen Handwagen Kar-
toffeln, Rüben und Kraut herbei; ein ganzer Zug marschiert
daher, jeder Brote auf den Schultern oder unter den Armen;
vor den Küchen stehen die Köche und lechzen nach frischer
Luft; aus großen Bündeln werden Tausende von Hand-
tüchern verteilt; Krankenpfleger hasten durch das Lager, und
die Wachtposten überschauen all das Getriebe mit Scharf-
blick und Nuhe. Ordnung und Sauberkeit herrscht überall.
Ja, die Unterkunft der Kriegsgefangenen in Sachsen war
musterhaft. Das mußten auch die Verwöhntesten unter
ihnen anerkennen.
Wenn das schon von einem Niesenmannschaftslager galt,
so in erhöhtem Maße von den kleinen Offiziersheimen. In
einem solchen z. B. befanden sich im Kellergeschoß außer
Vorratsräumen und Kohlenbehältern die Küche und die
dazugehörigen Gelasse. Vier Kessel und ein Herd waren
da aufgestellt. In einem der Kessel kochten zwei Russen
unter Aufsicht eines deutschen Unteroffiziers für die briegs-
gefangenen Mannschaften, die die Offiziere bedienten und
sonstige Lagerarbeiten verrichteten. Die übrigen Kochgelegen-
beiten standen den Offizieren allein zur Verfügung. Die
Bereitung der Speisen lag ganz in den Händen eines von
diesen gewählten Ausschusses, der sechs russische Köche und
Burschen damit beschäftigen durfte. Die deutsche Ver-
waltung besprach mit ihm nur den Speiseplan und lieferte
ihm die nötigen Kochmittel. Neben der Küche lag der
Speisesaal, in dem die Offiziere wegen Platzmangels in
zwei Abteilungen speisten. Der Anfang der Mahlzeit ward
durch ein Klingelzeichen bekannt gegeben. Den Offizieren
stand allerdings auch frei, auf ihren
Zimmern zu essen, was viele taten.
Aus dem Speisesaal konnte man in
das Spielzimmer gehen, in dem
ein Billard und ein Klavier stan-
den, und das darum auch ale Unter-
haltungsraum benutzt wurde. Daran
grenzte der Verkaufsraum, in dem
man Wein, Bier, Tabak, JZigarren,
Zigaretten, Lebensmittel, Gebrauchs-
gegenstände usw. erwerben bonnte.
Endlich enthielt das Kellergeschoß
noch eine Tischlerei, in der zwei
russische Tischler vorwiegend für die
Offiziere arbeiteten.
Im Erd= sowie im ersten und
zweiten Obergeschoß befanden sich
die Wohnungen der Offiziere und
Mannschaften sowie die Stuben der
Lagerverwaltung, von jenen nachts
durch verschlossene Lattentüren ge-
trennt. Hier konnten die Gefangenen
täglich beim Lager= oder Wirtschafts-
offizier, beim ersten Gesprächsmitt-
ler oder auch bei dem Befehlshaber
ihre Wünsche und Beschwerden an-
bringen; hier war die Kassenver-
waltung untergebracht, in der sie
halbmonatlich ihr Gehalt abheben
und ihr Guthaben in Anspruch nehmen durften. In
einem großen Raume des zweiten Stockwerkes waren
kostbare Waren wie Porzellan, Bronzen, Bücher ufsw.
zum Verkaufe ausgestellt; hier walteten auch zwei russische
Haarschneider ihres Amtes, und zwar unter Aufsicht von
Offizieren. Der Verkehr in diesem Raume war deshalb
sehr lebhaft. In einem andern Flügel des gleichen Ge-
schosses hatte die Lagerverwaltung eine Stube zur Kapelle
hergerichtet. Die Ausstattung rührte teilweise von den Ge-
fangenen selbst her, teilweise war sie durch Vermittlung
einiger Ausschüsse beschafft worden. Der Schmuck bestand
in russischen Heiligenbildern, Teppichen und kunstvoll ge-
schnitzten Kerzenständern. Durch die Fürsprache des Lager-
vorstandes stellte man den Kriegsgefangenen die Meßgeräte
der griechischen Kirche in Leipzig zur Verfügung. Die Gottes-
dienste fanden regelmäßig Sonnabend abend und Sonntag
früh statt, außerdem an hohen russischen Feiertagen. Ein
kriegsgefangener russischer Priester leitete sie.
Das dritte Obergeschoß enthielt einen großen Unter-
haltungsraum, der von der Verwaltung mit Vorhängen und
Korbmöbeln, von den Offizieren mit Bildern ausgeschmückt
wurde. Hier fand man eine große Bücherei, die ein Offizier
verwaltete, und die sich großen Zuspruches erfreute. Endlich
war im Lager auch eine Handwerkerstube eingerichtet
worden, in der russische Schneider und Schuhmacher im
Auftrage der Offiziere die Kleidung und Schuhe der Ge-