Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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fangenen vertrauten sich zwei Reichsdeutschen an, nämlich 
dem evangelischen Pfarrer Winter aus Dresden und dem 
katholischen Pfarrer Palkowski aus Posen. Für die Ab— 
haltung der Gottesdienste errichtete man in jedem Lager 
bald nach dessen Gründung Lagerkirchen oder richtete be- 
stimmte Räume als solche ein, die man nach Lage der Ver- 
hältnisse nach und nach vornehmer ausstattete. In der 
Regel waren es besondere Holzhäuser, entweder je eines 
für die römisch-katholische und russisch-katholische Glaubens- 
form oder für beide eines mit nur getrennten Altären. Die 
Ausstattung stammte aus Beuteftücken, aus deutschen 
Kirchen, die leihweise heilige Geräte abgaben, aus Neu— 
anschaffungen zu Lasten des Reiches, aus den Heimatländern 
der Gefangenen, aus den Kunstwerkstätten des Lagers und 
aus Liebesgabensendungen. 
Die wenigen evangelisch-lutherischen Kriegsgefangenen 
nahmen, solange sie sich im Lager aupfhielten, unter Auf- 
  
Franzosen-Gedenksiein in Chemnitz 
sicht an den Gottesdiensten teil, die in ihrer Muttersprache 
in der für das Stammlager in Frage kommenden Kirche 
abgehalten wurden, später, wo sie auf Arbeit sich befanden, 
in der Gemeindekirche ihres Aufenthaltsortes. 
Die jüdischen Kriegsgefangenen durften an ihren hohen 
Feiertagen eine benachbarte Kirche ihres Glaubens besuchen 
oder ließen sich durch einen deutschen Rabbiner im Stamm- 
lager erbauen. 
Viele der Gefangenen, besonders die Russen, stärkten 
ibre Seele in der schweren Zeit der Gefangenschaft durch 
Abendandachten. Es lag etwas Rührendes und Erbebendes 
zugleich darin, diese Naturmenschen andachtsvoll stehen 
und kunstlos, aber herrlich frisch die alten slawischen Kirchen- 
weisen singen zu hören, während sich die Nacht auf das 
Lager senkte und ihnen einen neuen Schleier vor ihre nächste 
Zukunft wob. Der Glaube half ihnen über vieles hinweg 
und erwies sich als eine Kraft, die der Mensch ohne Schaden 
micht entbehren bann. 
Er erleichterte ihnen auch den Gang zum Grabe. Aus 
den ergreisenden Liedern der Serben, die sie dem heim- 
bebrenden Kameraden zum letzten Male sangen, erstrahlte 
die Gewißheit, der Mensch ist nicht nur Natur, er ist im 
Innersten ein Leben, das nie sterben kann. Solch eine Ge- 
fangenenbestattung vollzog sich nach Möglichkeit in der 
geheiligten Form des Heimatlandes. Freiwillig begleiteten 
Kameraden den Sarg zur Gruft. Ein kriegsgefangener 
Geistlicher waltete seines Amtes. Das Grab war wie ein 
deutsches aufbereitet und mit einem Kranze geschmückt, 
auf dem Name, Geburts= und Todestag des Verblichenen 
verzeichnet standen. Ein Holz oder Zementkreuz bezeichnete 
später die geweihte Stätte. Solche besondere Gefangenen- 
friedhöfe hatten die Lager Golzern und Truppenübungsplatz 
Königsbrück angelegt, die übrigen benützten die beiligen 
Felder ihres Standortes. Jene bilden eine Sehenswürdig- 
keit der Umgebung, denn sie sind mit Denkmälern ge- 
schmückt, die kriegsgefangene Künstler entworfen und aus- 
geführt baben. Die Gräber werden auch nach Auflösung 
der Lager säuberlich instand gehalten, so daß die Angehörigen 
eines in Sachsen verstorbenen Gefangenen, die übrigens 
von seinem Tode bald unterrichtet wurden, ihren Lieben 
sorglich gebettet wissen dürfen. 
Ganz feierlich wirkten die Gotteodienste, die zum Ge- 
dächtnis der Toten an hoben kirchlichen Feiertagen auf den 
Friedhöfen abgehalten worden sind. Ein kriegsgefangener 
Geistlicher hielt die Erinnerungsrede, die Teilnehmer 
sehmückten Gräber und Denkmäler mit Blumen und 
Kränzen. Fremdartiger, aber jeden berührender Gesang er- 
scholl über die stillen Gruften. So ließ der Deutsche seine 
Feinde auf seinem Boden noch im Tode ehren. 
Ja, der Tod hat nicht nur auf den Kampfgefilden furcht- 
bare Ernte gehalten, er forderte auch in den Gefangenen- 
lagern seine Opfer trotz aller Körper= und Seelenpflege im 
allgemeinen und gewissenhafter gesundheitlicher Maßnahmen 
im besonderen. Aber die Totenliste dürfte sich ohne diese 
furchtbar vergrößert haben, denn der Krieg bringt Seuchen 
mit sich von alters her und tötet durch seine häßliche 
Schwester Pestilenz, was dem Schwerte entrinnt. Darum 
erschien es in dieser Hinsicht als vornehmste Aufgabe jedes 
Lagers, das Gespenst, das man noch heute im Bußtags- 
liede zu zwingen glaubt, die Pest jeder Art, zu bannen. Sie 
ist glänzend gelöst worden dank den gesunden Witterungs- 
verhältnissen unseres Landes, der deutschen Gesundheits- 
wissenschaft und der Arzte Kunst und Pflichttreue. Wo 
sich alledem zum Trotz ansteckende Krankheiten zeigten, weil 
aus dem Felde im Keime eingeschleppt, da gelang es nach 
burzer Zeit, sie in den Anfängen zu fassen und zu ersticken. 
Die Absperrung der Befallnen erfolgte als erster wirkungs- 
voller Eingriff. Allein nicht nur diesen gefährlichen Gegnern 
deo menschlichen Lebens galt der Kampf des Gesundheits- 
dienstes; dieser achtete auch auf die harmlosen und auf die 
Gebrechen der Gefangenen. Um all die schwierigen Dinge 
meistern zu können, hatte jedes Mannschaftslager ein Kranken- 
haus eingerichtet, jedes Offizierslager eine Krankenstube zur 
Verfügung. Hier waltete täglich zu gewissen Tagesstunden 
ein Heeres= oder Bürgerarzt; er war, wenn nötig, auch sonst 
sofort erreichbar. Seine Hilfskräfte bildeten den Gesund- 
heitsdienst, der im wesentlichen aus Deutschen bestand, 
aber durch Kriegsgefangene sich ergänzte. Tag und Nacht 
gingen sie ihrer Plicht nach. 
In Fällen schwerer Erkrankung, für die die Lagerein= 
richtungen nicht genügten, führte man die Kriegsgefangenen 
in Hilfskrankenhäuser über; ebenso dann, wenn sich die Not- 
wendigkeit einer Sonderbehandlung herausstellte. 
Die Kranken befanden sich allenthalben in besonders 
trockenen, hellen Näumen, erhielten Bettstelle und Matratze 
oder Strohsack und Bettwäsche und trugen Krankenkleidung 
nach Art der Deutschen. Fühlte sich ein Kriegogefangener 
krank, so hatte er sich beim deutschen Gesundbeitsdienst 
oder bei seinem Stubenältesten zu melden. Darauf erfolgte 
die Vorstellung beim Arzte. Dieser bezeichnete ihn je nach 
der Art des Leidens als sehonungsbedürftig, als für den
	        
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