Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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reichen und strengere geistige Schulung voraussetzenden Bü- 
chern war dies der Fall (Deutschland und der Weltkrieg, 
B. G. Teubner 1916; in zwei starken Bänden 10.—14. 
Tausend). Erheblichere Ziffern des Absatzes nach Zahl und 
Auflage der Schriften erzielte auch die religiös erbauliche 
Literatur (C. Hinrichs-Leipzig; C. L. Ungelenk-Dresden). 
Aber Werke zumal schwierigeren Gehalts, die nicht dem 
Tagecsinteresse dienten, konnten nur schwer Förderung durch 
den Druck erfahren; manche Zeitschriften gerieten ins 
Stocken oder gingen wohl auch ganz ein. Dabei ließ sich 
die merkwürdige Beobachtung machen, daß die Kauflust 
unter den Abnehmern besonders infolge der manchem zu- 
fallenden ansehnlichen Kriegsgewinne, keineswegs flau war; 
man sprach sogar von guten Jahren des Buchhandelo. Auch 
der Antiquariatsbuchhandel zog daraus seinen Nutzen. Doch 
ald allmählich die Vorräte erschöpft waren und die Her- 
stellung von Neudrucken die größten Schwierigkeiten fand, 
da wurde es mühselig und oft unmöglich, selbst sehr be- 
gehrte Schriften im Buchhandel aufzutreiben: auch in diesem 
geistigsten aller Gewerbe trat etwa im vierten Kriegsjahr 
ein Erschöpfungszustand ein. 
Eine Aufgabe besonderer Art, wie sie der Krieg ganz 
neu stellte, war die Fürsorge für die geistige Nahrung der 
sächsischen Truppen. Ein planmäßiges Vorgehen tat hier 
not; ermöglicht wurde es dank dem Eingreifen der Liebes- 
tätigkeit. Auf Anregung des Kronprinzen Georg sowie seines 
jüngeren Bruders Prinz Friedrich Christian wurde unter 
Vorsitz Seiner Kgl. Hoheit des Prinzen Johann Georg 
am 18. Februar 1915 in Dresden ein „Landesausschuß 
zur Versorgung der Truppen im Feldemit Lese- 
stoff“ begründet. Zwei Unternehmen sollten dem erstrebten 
Zwecke dienen: die Herausgabe einer besonderen, den Trup- 
pen im Stellungskrieg bis in die vordersten Reihen folgenden 
sächsischen Kriegszeitung, deren schon oben gedacht worden 
ist, und die Versendung geeigneter Schriften mannigfaltig- 
sten Inhalts. Dafür wurde ein besonderer „Bücheraus- 
schuß“ eingesetzt, an dessen Spitze der Direktor der Landes- 
bibliothek in Dresden, Geh. Regierungsrat Dr. H. Ermisch, 
stand; die Auswahl der Schriften (Saxonica, unterhaltende 
und humoristische Literatur, Kriegsschriften, Erbauungs- 
schriften) bearbeitete Dr. Brunn, Direktor der Städtischen 
Jentralbibliothek in Dresden, das weitere besorgte der Bib- 
liothekar der Stände, Dr. Hoppe. So gingen schon im ersten 
Jahre über 170 000 Druckschriften ins Feld; ein Teil davon 
war durch die in den höheren Schulen des Landes veran- 
staltete „Kriegsbuchwoche“ aufgebracht worden. Den Dank 
bezeugten viele Zuschriften: 
Was unser Wunsch im stillen längst begehrt, 
Habt ihr uns freundlich da beschert. 
Für beitere, für ernste Stunden 
Hat jeder seinen Teil gefunden. 
Ein jedes Buch, wie ihr es aufgeprägt, 
Uns Heimatgrüfe in die Fremde trägt. 
So webt sich fester stets das Band, 
Das uns verknüpft dem Vaterland. 
(Feld-Art.-Reg. 64, 3. Batt. 8. Juni 1915.) 
Der Kriegsgefangenen nahm sich die Universität Leipzig 
an. Auf Anregung des Geheimrat Professor Dr. A. 
Köster wurde bei ihr eine „Sammelstelle von Bü- 
chern für Gefangenenlager in Frankreich“ be- 
gründet. In Ergänzung der von Berlin aus in die Wege ge- 
leiteten Versorgung der Kriegögefangenen mit Lesestoff arbei- 
tete die Leipziger Sammelstelle zusammen mit der bei der 
Deutschen Gesandtschaft in Bern unter Leitung von Professor 
Dr. Woltereck (aus Leipzig) tätigen Zentralstelle für Ge- 
fangenenfürsorge in Frankreich und Italien sowie mit den 
vier schweizerischen Hochschulbomitees in Basel, Bern, 
Freiburg und Zürich. Hauptaufgabe war, die eingehenden 
Einzelwünsche der Gefangenen nach mehr oder minder klar 
bezeichneten Büchern, insbesondere nach Schriften wissen- 
schaftlicher Art, soweit es bei der Kriegslage möglich war, 
zu befriedigen; doch wurden auch Lehrbücher, unterhaltende 
Literatur und Musikalien an viele Lagerbibliotheken zu 
allgemeinem Gebrauch gesandt und die dort eingerichteten 
Lehrkurse nach Kräften gefördert. Die Leitung der Leipziger 
Sammelstelle, insbesondere auch die Beschaffung der finan- 
ziellen Mittel, besorgte Professor Köster selbst, den Verkehr 
mit den Buchhandlungen Professor R. Kötzschke; für die 
Sekretariatsgeschäfte war Frau Dr. Marshall gewonnen. 
Die Bücherwahl lag einem Ausschuß von Universitäts= 
dozenten ob. 
2. Hochschulen und Wissenschaft. 
Wenn der Waffenlärm tost, schweigen die Musen. Mußte 
sich nicht die Wahrheit dieses Spruchs, während der furcht- 
barste Krieg der Weltgeschichte Deutschland umbrandete, 
an Sachsens Hochschulen erfüllen? Gewiß, die hohen Hal- 
len, in denen sonst die eifrigen Jünger der Wissenschaft in 
so stattlichen Scharen aus= und eingingen, die wohleinge- 
richteten Arbeitsstätten für eigene fleißige Forschung wur- 
den öde und still. Aber die sächsischen Staatsbehörden in 
Übereinsiummung mit den verantwortlichen Stellen an den 
Hochschulen selbst entschieden dafür, daß es Ehre und Pflicht 
sei, den Hochschulbetrieb trotz der Kriegsschwierigkeiten auf- 
rechtzuerhalten: wer nicht zu den Waffen gerufen war, 
wer als Kriegsverletzter heimkam, dem sollte es möglich 
sein, seinem Studium obzuliegen, wenn auch draußen die 
Kameraden noch in heißem Kampfe für die Rettung der 
Heimat standen. Der Weltkrieg mit all seinen Opfern und 
Schrecken hat Sachsens Hochschulen nicht niederzuzwingen 
vermocht; das wird ein Nuhmesblatt in der Geschichte des 
geistigen Lebens in Sachsen während der großen Kriegs- 
zeit bleiben. « 
Als der Krieg ausbrach, war die Universität Leipzig 
im Begriff, ihre gewöhnlichen Ferien= zu beginnen; ein 
großer Teil der Studierenden war schon abgereist. Eine 
gemeinsame Kundgebung fand nicht statt; doch noch ehe 
die letzte Entscheidung gefallen war, hatte wohl ein jeder 
Universitätslehrer ernste und herzliche Worte des Abschieds 
an seine Kommilitonen gerichtet, in zündender Rede vor 
dichtgedrängter Schar oder in schlichter Ansprache an einen 
schon gelichteten Kreis der Lauschenden, voll kräftigster 
Entschlossenheit, dem Vaterland das Opfer des „heiligen 
Frühlings“ zu bringen, zugleich mit dem festen Gelübde, 
daß auch die Daheimbleibenden mit Einsetzung aller Kraft 
auf ihrem Posten stehen werden: „Und wenn der Erdkreis 
zusammenstürzt, wir bleiben furchtlos und treu.“ Erst 
bei der viel schlichter als sonst gehaltenen Feier des Rek- 
toratswechsels am 31.Oktober 1914 war Gelegenheit ge- 
boten, die großen Gemeingefühle der Universität bundzutun, 
als Geheimrat Professor Dr. jur. Otto Mayer das Rektorat 
seinem Nachfolger übergab und nun der neue Rektor, Ge- 
heimrat Professor Dr. Alb. Köster, in großzügiger Rede über 
„die Universitäten und den Krieg“ sprach, nach weitem ge- 
schichtlichen Uberblick mit tiefempfundenem Ausdruck des 
geistigen Erlebens der in ihrer Art wahrhaft großen Gegen- 
wart und am Schluß mit dem zuversichtlichen Blick auf 
die Zukunft der Hochschulen: „wenn wieder Friede im Lande 
ist, dann kommt unsere Zeit.“ 
Doch auf den ersten und zweiten Kriegsrektor folgten 
noch drei (von Strümpell, W. Stieda, N. Kittel); die Uni- 
versität eingedenk, daß die Zeit von ihr manchen Verzicht 
fordern werde, richtete sich auf den Kriegszustand ein. 
Aufs schwerste wurde sie in der Tat von der allgemeinen 
Volksnot mit betroffen; denn beine Gruppe der ganzen Be- 
Lölkerung hat einen gleichen Anteil an Todesopfern gebracht, 
wie die ihrer Obhut anvertraute Schar blühender Jüng- 
linge, aus der die geistigen Führer des Volkes hervorgehen 
sollten. Wie einst in den Tagen der Freiheitskriege war auch
	        
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