geisterungsfroh und idealgesinnt, gaben der Jugend ein
leuchtendes Beispiel einer keine Selbstschonung kennenden
Aufopferungsfähigkeit und bereiteten den ihrer geistigen
Pflege Befohlenen Stunden erhebendster Art voll edlen blei-
benden Gewinns für Kopf und Herz.
Wie brennend gern hätten Eltern und Erzieher das heran-
wachsende Geschlecht vor den schlimmen Folgen der harten
Kriegsjahre behütet! Aber so weittragend waren die Aus-
wirkungen dieses ungeheuren Völkerkampfes, daß auch die
Kinder nicht verschont blieben. Es wird ein wichtiges Stück
der inneren Kriegsgeschichte 1914/18 sein, einmal das gei-
stige Erleben der Jugend in diesen inhaltsschweren
Jahren darzustellen; Erfreuliches und Betrübliches wird sich
bei solchem Bilde mischen. Nachrichten von Kampf und
Sieg, von heldenhafter Tat und abenteuerlichem Erleben
wirken auf die jugendliche Phantasie besonders stark; in
glücklicher Naivität nimmt der Knabe mit feurigem Ent-
zücken dies hin, ohne über das Schreckhafte dabei zu grü-
beln; und auch dem Mädchen konnte viel Anregendes von
dem Schicksal und Tun mutiger, treuer Frauen erzeählt
werden. Im Schulunterricht war die Empfänglichkeit für
manches Altgewohnte entschieden gemindert; aufgeschlossen
aber war der Sinn für alles, was für das unmittelbare
Erleben des Tages Bedeutung gewinnen konnte: Deutsch,
Geschichte und fremde Länderkunde mochten am meisten
fesseln. Dazu wurde die Jugend zu allerhand praktischen
Aufgaben für das Gemeinwohl herangezogen; das war
nützlich und gut, freilich wurde bisweilen allzuwenig be-
dacht, daß die jugendliche Seele, noch zart und keimhaft,
des kundigen Gärtners bedarf und bei allzu praktischer
Ausnützung leicht verkümmert. Zu Hilfsarbeiten bei der
Ernte, zum Sammeln von Laub und Streu, zum Pflücken
von Lindenblüten und zum Schneeschippen, zur Goldsamm-
lung, zum Straßenverkauf von Karten, Blumen, Broschen
und anderen Gedenkzeichen, sogar zum Werben für die
Kriegsanleihe wurden jugendliche Helfer aufgeboten; an-
fänglich geschah solch ungewohnte Leistung, schon um der
schulfreien Tage willen, mit sichtlicher Lust, aber eine
Ermüdung an innerer Bereitwilligkeit war auf die Dauer
kaum vermeidbar. Von dem sittlichen Aufschwung nach
Kriegsbeginn war die Jugend kräftig erfaßt worden; man
griff ja auch damals gegen Ausschreitungen ohne viel Feder
lesen durch. Aber im Laufe des Krieges wandelte sich dies
ins Ungünstige: die lange Abwesenheit der Väter vom
Hause, ein gewisses Nachlassen der gleichmäßigen Schul-
zucht, bei der schulentlassenen Jugend auch die all-
zuleichte Möglichkeit frühen ungewöhnlich hohen Verdienstes,
überhaupt das Sinken der öffentlichen Moral, drückten
den Stand sittlicher JZucht und Gewöhnung herab; die
Kriminalität der Jugendlichen nahm erschreckend zu trotz
der Bemühungen weiter ausgedehnter Jugendpflege, die
ihr Bestes tat, um dem hereinbrechenden Übel zu steuern.
Durch die Vorgänge des Krieges waren Fragen der Er-
ziehungs= und Bildungsreform mächtig angeregt,
obschon die ruhige Erörterung in der Fachpresse durch die
Schwierigkeiten auf dem Büchermarkt eingeschränkt war.
Die Forderung „Freie Bahn dem Tüchtigen“ ward weit-
hin verbreitet und zum gern gebrauchten Schlagwort ge-
macht. Sehr natürlich war es, daß das Verlangen laut
erhoben wurde, die Pflege des Deutschtums, deutscher
Sprache, Kultur und Gesinnung, ganz anders als bisher in
den Mittelpunkt des Unterrichts zu rücken, bisweilen in
übertriebener Art, so daß die Übermittlung eines gründ-
lichen Wissens in anderen Lehrfächern in Frage gestellt er-
scheinen konnte. Auch der Geschichtsunterricht beschäftigte
die öffentliche Meinung sowie die Fachkundigen; ein kennt-
nisreiches und maßvolles Buch darüber schrieb Professor
Fr. Friedrich in Leipzig (Stoffe und Probleme des Ge-
schichtsunterrichts an höheren Schulen, 1915). In Perthes
381
Schriften zum Weltkrieg behandelte Bürgerschuloberlehrer
Dr. Krebs-Leipzig „Krieg und Volksschule“, ein Zeitbild
mit Vorschlägen für Leitung und Unterricht. So herrschte
auch auf diesem Gebiete geistigen Lebens während der
Kriegszeit in Sachsen große Regsamkeit. Durch eine reiche
Tätigkeit in Wort und Schrift über kulturpädagogische
Probleme erwarb sich der Leipziger Universitätsprofessor
für Philosophie Ed. Spranger den Ruf eines der gründ-
lichsten Kenner dieser Fragen in Deutschland.
Noch unmittelbarer wichtig als Schule und Jugend-
pflege, war im Kriege die geistige und sittliche Bildung der
Erwachsenen aller Schichten des Volks; denn von der Ein-
sicht in das für die Gesamtheit Zweckvolle und Notwen-
dige und von der Selbstbeherrschung zum Wohle des Gan-
zen hing, soweit die Kräfte des geistigen Lebens den Aus-
schlag geben und nicht die Wirtschaft und technische Macht-
mittel, im letzten Grunde die Entscheidung des ganzen Nin-
gens ab.
Eine großzügige Organisation der Volksbildung in dem
während des Krieges überhaupt denkbaren Rahmen war nur
den Militärbehörden im Zusammenwirken mit der Jivilver-
waltung möglich. In der Friedenszeit hatte der Unterricht
beim Militär für die Allgemeinbildung nicht allzuviel be-
deutet. Auch in den Mobilmachungsplan war Bildungs-
fürsorge nicht eingestellt. Bei einem kurzen Feldzuge wäre
dies in der Tat auch nicht nötig gewesen: Stimmung war
da; im übrigen gab es Wichtigeres zu tun. Doch als der
Krieg zum Dauerzustand ward, erwies sich die Schaffung
eines provisorischen Bildungswesens bei den Truppen an
der Front und in den Ruhestellungen, im besetzten Gebiet
auch für die bei der Zivilverwaltung tätigen Deutschen,
als Notwendigkeit. Es haben Sachsen dabei in hervorragen-
der Weise mitgewirkt: in Brüssel wurden dank dem Vorgehen
des Geheimen Hofrat Dr. L. Volkmann aus Leipzig (tätig
in der Abteilung für die Presse) die Bildungomöglichkeiten
in reichem Maße geboten; die „Bildungszentrale“ sorgte
für Vorträge, Konzerte, Theateraufführungen, guten Lese-
stoff; später schuf Volkmann ähnliches in Bukarest. Auch
längere Lehrkurse wurden eingerichtet, und den jüngsten
Feldgrauen gewährte man die Gelegenheit, soviel an „Bil-
dung“ sich anzueignen, um vorgeschriebene Prüfungen zu
bestehen. Allgemeinere Wichtigkeit erlangte die Durchfüh-
rung des „vaterländischen Unterrichts“, allerdings erst in
der Spätzeit des Krieges. Lehrbräfte fanden sich reichlich bei
den Truppen selbst; insbesondere höhere Verwaltungsbe-
amte, Land-und Amtorichter, sowie die Lehrer von Gymnasien,
Seminarien und Volksschulen konnten dabei eine ihrem
Wissen und ihrer Begabung angemessene Tätigkeit entsal-
ten. Doch auch aus der Heimat wurden Lehrende herbei-
gezogen; der Verfasser dieser Zeilen denkt noch gern der
Stunden, die er im Frühjahr lols bei verschiedenen säch-
sischen Truppenverbänden in Belgien und um Metz dieser
schönen Aufgabe durch Vorträge zur sächsischen Geschichte
widmen durfte. Bevorzugt waren bei solchem Unterricht
Staatsbürgerkunde und Volkswirtschaftslehre, auch Ge-
schichte und Geographie. Sicher haben die Truppen manche
Freude davon gehabt und nützliche Belehrung empfangen;
für eine tiefer greifende Wirkung war es wohl schon zu
spät, zumal da die Empfänglichkeit für solchen meist auf
bestimmte Leitgedanken eingestellten Unterricht nicht mehr
unbefangen genug vorhanden war.
Auch in Sachsen war zur Pflege der Volksbildung zu-
nächst nur die Selbsthilfe der Bevölkerung regsam. Mit
bezeichnendem Ausdruck wurde ein Vortragszyklus im Leip-
ziger Buchgewerbehaus, worin über die Organisation der
heimischen Wirtschaft und anderes Kriegsnotwendige Auf-
klärung geboten ward, „Die Wacht daheim“ genannt. Auch
die von Friedenszeiten her bestehenden Bestrebungen wirk-
ten fort. Nach wie vor wurden „Volkstümliche Hochschul-