Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

gedeihen zu lassen. Deutlicher noch als früher trat es 
während der Kriegszeit zutage, daß nur eine hochentwickelte 
Landwirtschaft die Sicherheit des Staates gewährleistet. Die 
Landwirtschaft braucht deshalb eine zielbewußte Förderung 
nicht nur um ihrer selbst willen, sondern als Staatsnotwendig- 
keit, denn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit 
Lebensmitteln steht, wie der Krieg deutlich gezeigt hat, im 
Vordergrund der Staatssicherheit. Wie im ganzen Deutschen 
Reiche, so sind hier vor allem in Sachsen nach dem Kriege 
große Aufgaben zu lösen. Klarer als bei der Industrie liegen 
hier die Jielpunkte zutage, denen künftig in Sachsen jede 
landwirtschaftsfördernde Tätigkeit zuzustreben hat. Treffend 
und deutlich wurden diese JZielpunkte im sächsischen Landtage 
von den Abgeordneten Andrä und Göpfert in der Sitzung 
am 31. Januar 1918 gekennzeichnet, wie sie zu erkennen 
sind in der Förderung der sozialen Fürsorge für die Land- 
arbeiter, in der Beschaffung und Erhaltung genügender land- 
wirtschaftlicher Arbeitsbräfte, in vielseitigster Ausgestaltung 
des landwirtschaftlichen Unterrichts, in der Schaffung ge- 
meinschaftlicher Einrichtungen zur Hebung der Bodenkultur 
und der Tierzucht, in dem Auobau der landwirtschaftlichen 
Versuchs= und Forschungsanstalten, in der Erweiterung 
der Weidewirtschaft im Gebirge, in der Verbesserung der 
Seuchenschutzmaßnahmen usw. In den fünf landwirtschaft- 
lichen Kreisvereinen und im Landeskulturrat hat die sächsische 
Landwirtschaft bewährte und leistungsfähige Träger einer 
unter Förderung der Staatsregierung auch aus eigener Kraft 
vorwärtsstrebenden Entwickelung. Bei umfangreicherem 
Ausbau des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens nicht 
nur nach der Nichtung der Einbaufsgenossenschaften, sondern 
auch nach der Seite der Absatzgenossenschaften würden weitere 
starke Organe landwirtschaftlicher Selbsthilfe als auch einer 
gesicherten Versorgungswirtschaft auf den Plan treten. 
In einer im Ministerium des Innern neugeschaffenen eigenen 
Abteilung für Landwirtschaft wird die geeignete Zentralstelle 
zur Lösung aller dieser Fragen vorhanden sein. 
Eine starke Förderung bedarf zur Wiedererlangung 
seiner alten Leistungsfähigkeit der gewerbliche Mittelstand in 
Sachsen. Die wirtschaftlichen Erschwernisse waren und sind 
hier besonders groß. Durch die Einberufung selbständiger 
Betriebsinhaber, durch die Notwendigkeit von Stillegungen 
und Zusammenlegungen und durch Beschlagnahme der Roh- 
stoffe sind zahlreiche selbständige Eristenzen zugrunde ge- 
gangen. Um einer Proletarisierung des Mittelstandes vor- 
zubeugen und den Wiederaufbau der durch den Krieg ver- 
nichteten selbständigen Eristenzen zu ermöglichen, wird eine 
weitgehende und weitherzige Organisation und Handhabung 
des gewerblichen Kreditwesens nötig sein. Nebenher werden 
die einzelnen mittelständischen Erwerbsgruppen selbst bestrebt 
sein müssen, durch umfangceicheren Ausbau des genossen- 
schaftlichen Gedankens, vor allem nach der Richtung gemein- 
schaftlichen Bezuges von Rohstoffen durch Selbsthilfe tat- 
bräftig zu arbeiten. Der großen mittelständischen Klasse 
der Sffiptichen und privaten Beamten und Angestellten 
werden bessere Gehaltsverhältnisse gesichert werden müssen 
als vor dem Kriege. 
Zu dieser Hilfstätigbeit der Allgemeinheit für die in ihrer 
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Geschwächten muß und 
wird sich eine starke und umfassende Fürsorge für alle die 
gesellen, die der Krieg in ihrer persönlichen Leistungstüchtig- 
beit beeinträchtigt hat: für die Kriegsbeschädigten. Das ist 
nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit, sondern eine Forde- 
rung von hoher volkswirtschaftlicher Bedeutung. Art und 
Maß dieser Fürsorge lassen sich bis in die letzten Einzel- 
heiten noch nicht erkennen und bestimmen. Es ist ein schönes 
Jeugnis für den in Sachsen herrschenden Gemeinsinn, daß 
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gleichwohl diese Tätigkeit bereits frühzeitig im Kriege ein- 
gesetzt und in der Stiftung „Heimatdank“ eine vorbildlich 
arbeitende Zentralstelle gefunden hat. Es ist hier nicht der 
Ort, alle Ziele dieser wahrhaftig großzügigen Organisation 
im einzelnen zu schildern, nur nach der volkswirtschaftlichen 
Seite hin kann ihre Tätigkeit kurz gewürdigt werden. Der 
Heimatdank hat sich neben der Kriegsinvalidenfürsorge, die 
als ergänzende zu der des Reiches gedacht ist, vor allem die 
Kriegsbeschädigtenfürsorge im weitesten Sinne des Wortes, 
die Berufsberatung und Berufsauobildung, die Arbeits- 
ertüchtigung und die Arbeitsvermittelung zum ziele gesetzt. 
Angesichts der reichen Mittel, welche dem Heimatdank zur 
Verfügung stehen, der ausgezeichneten, tatkräftigen Leitung 
seiner Geschäfte und der in mustergültiger Weise alle Landes- 
teile erfassenden Organisationen darf es als Gewiß- 
heit gelten, daß es dem „Heimatdank“ gelingen wird, in 
dem überhaupt möglichen Umfange die Kriegsbeschädigten 
wieder in das Wirtschafts= und Erwerbsleben zurückzuführen. 
Nicht jeder Kriegobeschädigte wird gerade wieder an seinen 
alten Platz gestellt werden können, aber die planmäßig be- 
triebene Arbeit des „Heimatdank“ wird auch weiterhin die 
Mittel finden, um in dem weitverzweigten Wirtschaftsleben 
unseres Landes jedem unter Berücksichtigung seiner Leistungs- 
fähigkeit Arbeit und Verdienst zu vermitteln. Die ein- 
zuschlagenden Wege zeichnet in scharfen Umrissen der um 
die Kriegsverletztenfürsorge hochverdiente sächsische Sanitäts- 
rat Dr. Schanz in Dresden in der Zeitschrift „Heimatdank“ 
(Nummer vom 1. April 1918). Was er am Schlusse seiner 
vortrefflichen Ausführungen sagt, wird zweifellos nach wie 
vor für diese Tätigkeit des „Heimatdankes“ Ziel und Richt- 
schnur sein: „Wir dürfen nicht die riesengroße Aufgabe, 
die sich hier stellt, mit kleinen und kleinlichen Mitteln an- 
greifen. Nur eine große, unser ganzes Wirtschafts= und 
Erwerbsleben einbeziehende Organisation ist imstande, diese 
Aufgabe zu lösen.“ Eine so betriebene Kriegsverletzten- 
fürsorge wird in Industrie, Handel, Gewerbe und in der 
Landwirtschaft bei der überall weit durchgeführten Arbeits- 
teilung immer mehr Arbeitsplätze finden, deren Bedingungen 
auch der Kriegsverletzte gerecht werden kann. Unserm Wirt- 
schaftsleben wird dadurch ein guter Teil produktiver Kraft 
erhalten bleiben und neu zugeführt werden. 
Großer und nachhaltiger Anstrengungen aller Beteiligten 
wird es bedürfen, um das Erwerbsleben unserer engeren 
Heimat auf den gleich hohen Stand zu bringen, zu dem es 
vor dem Kriege emporgeblüht war. Bei all dieser Arbeit 
kann uns trotz der Schwere der Zeit ein Blick auf die Ver- 
gangenheit mit Zuversicht erfüllen. Vieles haben uns der Neid 
und Haß unserer Gegner im Kriege erschweren, manches 
werden sie uns beim Friedensschluß vernichten können, eins 
aber wird das sächsische Volk aus der Tiefe wieder zur Höhe 
führen können, das ist ein braftvoller Arbeitswille auf allen 
wirtschaftlichen Tätigkeitsgebieten: sie haben unserer wirt- 
schaftlichen Entwickelung die Bahnen gewiesen, die zur Höhe 
führten, sie werden auch künftig, wenn der Volkskörper von 
den schweren Fiebererscheinungen der Nevolution wieder ge- 
nesen sein wird, die unzerstörte und unzerstörbare Grund- 
lage bilden, von der aus sich die sächsische Volkswirtschaft 
ihren alten Ehrenplatz im Rahmen der Gesamtwirtschaft 
des deutschen Volkes sichern kann. Möge eine nicht zu ferne 
Zukunft dem hart schaffenden sächsischen Volke in einem 
neuen Aufblühen seines Wirtschaftslebens den Lohn bringen 
für das, was es mit seinem Blute und mit seiner Arbeit 
in Deutschlands schwerster Zeit freudig beigetragen hat zur 
Selbstbehauptung unseres nationalen und worrtschaftlichen 
Daseins!
	        
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