Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

tastbarkeit, ihre Leistungsfähigkeit und Dienstfreude voll 
erhalten und gefördert werden. (Bravo! und Sehr gut!) 
Die zahlreichen Wünsche und Bestrebungen der einzelnen 
Beamtenkreise werden bei der Regierung ein williges Ohr 
finden. Die Regierung fühlt mit jedem ihrer Beamten und 
weiß sich mit ihm solidarisch verbunden. (Bravo!) Daß 
auch jetzt nicht mit einem Schlage alle ihre Erwartungen 
sich verwirklichen lassen, dieser Einsicht werden sich die Be- 
amten in dieser schweren Zeit nicht verschließen. Sie können 
aber darauf vertrauen, daß die Regierung vor erheblichen 
Aufwendungen nicht zurückschrecken wird, wenn es gilt, un- 
seren Beamten ein den Zeitverhältnissen entsprechendes 
Diensteinkommen zu gewähren und sie dadurch vor Sorgen 
materieller Art zu schützen. Und sie dürfen gewiß sein, daß 
die Regierung nach Kräften ihre dienstliche Selbständigkeit 
ausbauen und in ihnen die Persönlichkeit hochhalten wird. 
(Sehr gut! Bravol) 
Daß das geltende sächsische Beamtenrecht besserungs- 
bedürftig und besserungsfähig ist, erkennt die Regierung an. 
Unser altes, lange Zeit hindurch bewährtes Zioildienergesetz 
wird trotz der Besserungen, die es dürch die Gesetzgebung 
der neueren Zeit wiederholt erfahren hat, den Forderungen 
der Zeit nicht mehr gerecht. Es bedarf der Erneuerung, eine 
Aufgabe, an die wir in Bälde treten müssen. 
Bei der Lösung dieser Aufgabe und der zahlreichen an- 
deren auf dem Gebiete der Beamtenpolitik zu treffenden 
Regelungen werden wir der Mitarbeit der Beamtenschaft 
selbst nicht entraten können. (Sehr gut!) Ich habe das 
volle Vertrauen zu den Vertretungen unserer Beamten, daß 
sie bei allem Eifer für das Wohl des eigenen Standes ein- 
sehen werden, wie die Interessen des Beamtenstandes mit 
denen der übrigen Kreise der Bevölkerung und mit denen 
das Staatsganzen im steten Einklang stehen müssen. (Sehr 
gut!) Dann wird die berufliche Tätigkeit unserer Beamten 
von dem Verständnis und Vertrauen aller Einsichtigen ge- 
tragen werden. 
Die Grundsätze, die ich für die Beamtenschaft entwickelt 
habe, gelten in gleicher Weise für die Lehrerschaft. 
Auch die Stellung der Staatsarbeiter, deren Lei- 
stungen im Kriege von großer Bedeutung gewesen sind, wird 
Gegenstand unserer besonderen Fürsorge sein. 
Für die Gesamtpolitik des Landes soll künftig der 
Staatsminister, der den Vorsißz im Gesamt- 
ministeriumhat, den Ständen imerhöhten Maße 
verantwortlich sein. Dadurch wird die Verantwort- 
lichkeit der übrigen Minister für ihre Departements nicht 
berührt. Es gilt aber, überall gewisse leitende Gesichtspunkte 
der Politik zur Geltung zu bringen und namentlich die Ver- 
tretung Sachsens im Reiche einheitlicher und damit 
wirkungsvoller zu gestalten als bisher. (Sehr gut!) Die 
erhöhte Tätigkeit des vorsitzenden Staatoministers bedingt 
die Einrichtung einer Staatskanzlei, deren Chef 
die Beziehungen Sachsens zum Reiche und diejenigen Fragen 
der inneren Politik zu bearbeiten haben wird (Sehr gut!), 
die einheitlich durch alle Ressorts durchgeregelt werden 
müssen, wie beispielsweise die Reorganisation des Beamten- 
wesens. Hier müssen gleiche Grundsätze für die Beamten 
der verschiedenen Ressorts gelten. 
Die Beziehungen, die Sachsen mit dem Reiche verknüpfen, 
gedenkt die Regierung mit besonderem Eifer und besonderer 
Hingebung zu pflegen (Bravol Sehr gutl), weiß sich 
Sachsen doch als einer der ersten deutschen Bundesstaaten 
auf Leben und Tod, auf Gedeih und Verderb mit dem 
Reiche verbunden. (Lebhaftes Bravo!) Wenn feindliche 
Stimmen einen Zerfall des Reiches in seine Einzelstaaten 
prophezeien, so zeigen sie damit nur, wie völlig sie den 
Geist des deutschen Volkes verkennen. (Sehr richtig!) Der 
ungeheure wirtschaftliche Aufschwung, den Deutschland in 
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den letzten Jahrzehnten genommen hat, ist nur dadurch mög- 
lich gewesen, daß es sich zu dem großen mächtigen Reiche 
zusammengefunden hat. (Sehr richtig!). In alle Städte, 
Gaue und Dörfer sind die Segnungen des Reiches einge- 
zogen, haben sie Wohlstand und Fortschritt verbreitet. (Sehr 
richtig!) Aber mehr noch als aus wirtschaftlichen Gründen 
hängt Sachsen aus Gründen nationaler Natur und natio- 
naler Begeisterung am Reiche, das die Sehnsucht vieler Ge- 
schlechter endlich erfüllt hat (Sehr richtig!) und bis in die fernste 
Jeit den Stolz kommender Geschlechter bilden wird. (Leb- 
haftes Bravol) Sachsen ist Teil des Reiches und Mitträger 
der Reichsgewalt. Dieser Stellung ist es sich bewußt. An 
dem Aufbau des Reiches, der die Selbständigkeit der Ein- 
zelstaaten in wunderbarer Weise mit der Einheit des Reiches 
verbindet, wollen wir festhalten. Gerade diese Selbständig- 
keit der Einzelstaaten gibt dem Reiche Festigkeit und führt 
dem gesamten Vaterland eine Fülle lebendiger Kräfte zu. 
Die Reichsangelegenheiten sind auch sächsische Angelegen- 
heiten. Darum ist die sächsische Regierung gewillt, tat- 
kräftig und voller Hingabe an der Entwicklung der Reichs- 
angelegenheiten mitzuarbeiten, die Reichspolitik durch aktive 
Teilnahme zu fördern, die besten Kräfte, über die Sachsen 
verfügt, dem Reichsdienste vor allen Dingen zur Verfügung 
zu stellen. Was unser Beamtentum angeht, so halte ich einen 
regen Wechsel zwischen Reichs= und Landesdienst für wün- 
schenswert (Sehr richtig!), derart, daß Sachsen die Be- 
amten, die es ans Reich abgibt, bei Gelegenheit in den sächsi- 
schen Staatsdienst zurücknimmt, um dann anderweit Be- 
amte dem Reiche zu überlassen. Auf diese Weise lösen sich 
die Reichsbeamten nicht von dem Boden, auf dem sie er- 
wachsen sind, los, gewinnen die sächsischen Beamten den 
weiten Blick, den ihnen die größeren Verhältnisse im Reiche 
eröffnen. 
Unser gesamtes öffentliches Leben sieht unter dem un- 
geheuren Drucke der Gegenwart. Noch tobt #mn Westen die 
gewaltigste Schlacht der Weltgeschichte. Völlig allein kämpft 
Deutschland gegen eine Welt, und dennoch vertrauen wir 
auf die Zukunft. Tiefe Wunden hat der Krieg und geschla- 
gen und wird der Frieden lassen. Aber ein Volk, das im 
Felde vier Jahre gegen eine ungeheure Übermacht ruhmvoll 
gekämpft, das in der Heimat alle Entbehrungen willig ge- 
tragen hat, ein solches Volk ist im Kerne gesund und kann 
nicht untergehen. Ich will in dieser Stunde nicht nach den 
Gründen der Katastrophe fragen. Soviel steht fest, inner- 
lich morsch ist unser Volk nicht. Wir haben Anspruch auf 
einen Frieden, der und die Entwicklungomöglichkeit läßt. 
Die Menschheit muß endlich zur Ruhe kommen, soll nicht 
das tausendjährige Kulturwerk Europas in Naus und Asche 
aufgehen. Dieser Krieg muß der letzte sein. Das ist aber 
nur möglich, wenn Deutschland im Frieden den Platz an 
der Sonne erhält (Sehr richtig!), auf den es gerechten An- 
spruch hat, und den es sich in Zukunft als freies Volk im 
friedlichen Wettbetwerb mit anderen Völkern täglich neu er- 
obern wird. — 
Der kolossale Beifall, der der programmatischen Erklä- 
rung folgte, bezeugte die Ubereinstimmung der Parteien 
mit der Regierungserklärung, die dann auch noch durch 
Erklärungen der Parteien bekanntgegeben wurde. Die kon- 
servative Partei vermochte sich aber noch nicht mit den 
Worten Dr. Heinzes zufrieden zu geben, da in den vielen 
Konzessionen, die gemacht wurden, sich eine Schwäche 
der neuen Regierung zeige (vergleiche die Rede Dr. Böhmes 
in den Mitteilungen der II. Kammer, Seite 2196 bis 
2205). Die drei Unabhängigen verharrten nach wie vor in 
scharfem Widerspruch, wie die Reden Segers und Fleißners 
bewiesen (ebenda Seite 2212—2210, 2223—2226). — 
Vornehmer waren die Verhandlungen in der ersten Kammer 
gelegentlich der Regierungoerklärung am 6. Nobember. 
Sehr sachlich waren die Zustimmungen der einzelnen Ab-
	        
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