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dabei aber die zum Wohl des Landes etwa gebotene Fort-
führung der Geschäfte anheimgestellt. Er hat weiter alle
Offiziere und Beamte, Geistliche und Lehrer des ihm ge-
leisteten Treueids entbunden und dem Wunsch Auedruck
gegeben, daß auch sie der veränderten Regierungsform un-
geachtet fortfahren möchten, dem Vaterlande mit all ihren
Kräften zu dienen.
Im Interesse der öffentlichen Ordnung, deren Versagen
unnennbares Elend nach sich ziehen müßte, sind wir an un-
serem Teil bereit, die uns anvertrauten Ministerien weiter
zu verwalten, insoweit und solange uns dazu die Möglichkeit
bleibt. Aber auch für den Fall unseres endgültigen Aus-
scheidens bitten wir alle, die im Dienste des Heeres, im
unmittelbaren oder mittelbaren Dienst von Staat und Ge-
meinde, Kirche und Schule stehen, auf ihrem Posten aus-
zuharren und ihre Berufspflichten auch fernerhin mit aller
Gewissenhaftigkeit zu erfüllen. Die Sicherung und För-
derung des Gemeinwohls sei nach wie vor und in den schweren
Wochen und Jahren, die unser warten, mehr denn je Richt-
schnur für unser Tun und Lassen.
Die Minister der Justiz und der auswärtigen An-
gelegenheiten, des Kriegs, der Finanzen, des Innern
und des Kultus und öffentlichen Unterrichts:
Dr. Heinze, v. Wilödorf, Dr. Schroeder,
Dr. Koch, v. Nostitz-Wallwitz.
Nunmehr dachte man daran, in das Chaos des Um-
sturzes Ordnung zu bringen. Noch gab es keine Landes=
behörde. Die örtlichen Arbeiter= und Soldatenräte handel-
ten sehr willkürlich, zum Teil gewalttätig und terrorisierend
und setzten langverdiente, ihnen aber nicht genehme Beamte
ab, so daß von der anscheinend noch einzig funktionierenden
Stelle des Ministeriums des Innern sehr scharf dagegen
Einspruch erhoben wurde. Die drei großen Arbeiter-
und Soldatenräte von Dreöden, Leipzig und
Chemnitz glaubten indes nicht das Land solange im un-
sicheren Zustand lassen zu dürfen. Beauftragte von den
drei Räten fanden sich zusammen und erließen den ersten
Aufruf, der so blang, als ginge er von einer neuen Regie-
rung aus (Staatszeitung 267);
Das kapitalistische System hat seinen Zusammenbruch er-
lebt. Die bürgerliche monarchische Regierung ist gestürzt.
Das revolutionäre Proletariat hat die öffentliche Gewalt
übernommen. Sein ziel ist die sozialistische Republik. Ver-
wirblichung des Sozialismus heißt: Verwandlung der kapi-
talistischen Produktion in gesellschaftliche; Enteignung des
Privateigentums an Grund und Boden, Berg= und Hütten-
werken, Rohstoffen, Banken, Maschinen, Verkehrsmitteln
usw.; Umwandlung der Warenproduktion in sozialistische;
Übernahme der Produktion durch das Proletariat. Aufgabe
der sozialistischen Regierung ist, die Revolution fortzusetzen
und zu steigern bis zur völligen Uberwindung der herrschen-
den bürgerlichen Klassen. Verwirklichung der Republik heißt
absolute Herrschaft des Willens der Arbeiterklasse, Beseiti-
gung der Knechtschaft in jeder Form, allgemeine Volks-
bewaffnung zum Schutze der Errungenschaft der Revolu-
tion, Abschaffung aller Arten des arbeitslosen Einkommens,
Trennung der Kirche vom Staat, Abschaffung aller bürger-
lichen Gerichte. Die republikanische Regierung Sachsens hat
die besondere Aufgabe, die Liquidierung des sächsischen
Staates herbeizuführen und die einheitliche sogialistische
deutsche Republik zur Tatsache zu machen.
Die Beauftragten der Arbeiter= und Soldatenräte von
Dreoden, Leipzig und Chemnitz:
Schwarz, Neuring, Fleißner, Rühle, Geyer, Lipinski,
Seger, Heckert, Mälzer, Fellisch.
Sehr erpicht waren diese Auserwählten die noch nicht
firierten, aber doch im Wunsche vorhandenen Errungen-
schaften der jungen Revolution zu sichern. Um in das
zurückflutende Heer nicht vollends die Auflösung und Diszi-
plinlosigkeit zu bringen, hatte die Reichsregierung angeord-
net, daß das Vorgesetztenverhältnis im Heere bleiben sollte
und die Soldatenräte nur beratende Stimme hätten. In
Sachsen an der maßgebenden Stelle war man entrüstet über
den Erlaß und veröffentlichte sofort einen geharnischten
Protest dagegen, zugleich die erste Auflehnung gegen
dar Reich und der erste Befreiungsversuch von der
Politik der eben gebildeten Neichsregierung (Staatszeitung
267), trotzdem im eben zitierten Aufruf der Reichsgedanke
stark im Vordergrund stand:
Gegen die von der Reichsregierung getroffenen Bestim-
mungen über die Heereedisziplin, wonach das Vorgesetzten-
verhältnis des Offiziers zu den Mannschaften bestehen bleibt
und die Soldatenräte nur beratende Stimme bei Fragen der
Verpflegung, des Urlaubs und der Verhängung von Diszi-
plinarstrafen haben sollen, protestieren wir auf das ent-
schiedenste, weil wir darin eine Preisgabe wichtiger revo-
lutionärer Errungenschaften zum Nachteil des Proletariats
sehen. Wir fordern die Reichsregierung auf, jene Bestim-
mungen sofort aufzuheben und zu veranlassen, daß die Ar-
beiter= und Soldatenräte die Bestimmenden auch in dieser
Frage sind. #
Die Vertreter der Arbeiter= und Soldatenräte von
Leipzig, Dresden und Chemnitz.
Die Reichsregierung antwortete darauf in einem Tele-
gramm, daß jeder Eingriff der Arbeiter= und Soldatenräte
in den Verwaltungsbetrieb bei der Demobilisation zu unter-
lassen, jede tätige Mitarbeit sehr erwünscht sei (Staats-
zeitung 270).
Die Verhandlungen der von den drei Arbeiter= und Sol-
datenräten ernannten Bevollmächtigten waren inzwischen
soweit gediehen, daß von seiten der revolutionären Arbeiter-
schaft die Regierung übernommen werden konnte. Damit er-
ledigte sich die Bereitwilligkeit der alten Minister, die Geschäfte
weiterzuführen. Sie traten nun endgültig zurück und eine
neue Regierung, deren Mitglieder sich den Namen Volbs-
beauftragte gaben, konstituierte sich. Sie setzte sich aus
den Mehrheitssozialisten Dbr. Gradnauer (Justiz), Buck
(Kultus und Unterricht), Schwarz (Arbeitsministerium)
und den Unabhängigen Lipinski (Inneres und Außeres),
Geper (Finanzen), Fleißner (Militärwesen) zusammen.
Mit zwei großen Bekanntmachungen wandte sich diese ge-
mischt-sozialistische Regierung an die Offentlichkeit, denn ihr
lag unendlich viel daran, daß die Diensigeschäfte ordnungs-
gemäß weitergeführt wurden, daß die Arbeiter= und Sol-
datenräte in ihrer Tätigkeit festgelegt waren, daß wichtige
sozialistische Grundsätze sofort zur Durchführung kamen
(Gesetz= und Verordnungsblatt 1918, Seite 361 f.):
Die Übernahme der Geschäfte durch die neue Regierung
hat eine Anderung der Zuständigkeit der behördlichen Orga-
nisation zunächst nicht zur Folge. Insbesondere bleibt die
bestehende Über= und Unterordnung der Behörden bis auf
weiteres unberührt. Die nachgeordneten Behörden erhalten
bindende Verfügungen ausschließlich von den zuständigen
Ministerien. Ortliche Arbeiter= und Soldatenräte haben keine
Befugnis, den Behörden Befehle zu erteilen, die mit den
Verordnungen der vorgesetzten Behörde in Widerspruch
stehen.
Über die Befugnisse der örtlichen Arbeiter= und Soldaten-
räte wird eine für die nächste Woche in Aussicht genommene
Versammlung entscheiden, zu der Abgeordnete der Arbeiter-
und Soldatenräte des ganzen Landes zusammentreten. Bis
dahin beschränkt sich die Arbeit der Arbeiter= und Soldaten-
räte auf die Kontrolle der einzelnen Verwaltungsbehörden bei
der Durchführung der von der Zentralbehörde erhaltenen