Diese Bekanntmachung hat Gesetzeskraft und Geltung
bis zum Erlaß eines Reichsgemeindewahlgesetzes. (Ver-
gleiche Gesetz= und Verordnungsblatt 1919, Nr. 48). —
Am 31. Dezember wurde in Ergänzung dazu eine Be-
stimmung getroffen, daß bei nur einem gültigen Wahl-
vorschlag es keiner Wahl bedarf, und daß Beamte, Geist-
liche, Lehrer und Militärpersonen zur Annahme einer auf
sie fallenden Wahl keiner Genehmigung ihrer Vorgesetzten
benötigten (Gesetz= und Verordnungsblatt 1919, Seite 5 f.).
Von einschneidender Bedeutung und zugleich als revolutio-
näre Errungenschaft gepriesen ist die Bekanntmachung
über die Vereinigung der Nittergüter und
Freigüter mit den benachbarten Gemeinden vom 31. De-
zember 1918 (Gesetz= und Verordnungöblatt lo#0, Seite
6ff.). Die Vereinigung ist von den Amtshauptmannschaf-
ten anzuregen und zu leiten. Kommt es bis Ende 1910
zu keiner freiwilligen Einigung, bei der die berechtigten
Interessen beider Teile ausgeglichen werden sollen, so wer-
den die Verhandlungen vom Ministerium des Innern
zwangsweise eingeleitet. Nach dieser Verordnung, die Ge-
setzeskraft hat, war es nun mit der Exemtion der Ritter-
güter vorüber. Freilich ist es sicher in den wenigsten Fällen
zu einer Vereinigung gekommen, so daß der ablaufende
Termin wahrscheinlich die Zwangslage schaffen wird.
Die Revolution hatte zwar mit einem Male die Institu-
tionen der alten Regierung über den Haufen geworfen.
Freilich war bisher offiziell der Landtag noch nicht
aufgehoben worden. Den Mitgliedern der Kammern
war mitgeteilt worden, daß nach Aufhebung des Landtags
ihre Mandate erloschen seien. Darauf wandte sich Abgeord-
neter Nitzschke an das Ministerium des Innern mit dem
Bedeuten, daß von einer Aufhebung des Landtags nichts
bekannt sei und die Mitglieder sich bis zu den Neuwahlen
als gesetzliche Vertreter ihrer Wahlkreise betrachteten. Sie
seien nur durch eine unbefugte Gewalt an der Ausübung
ihrer Mandate verhindert (Staatszeitung 1). Auch das
Direktorium der ersten Ständekammer legte Protest ein,
worauf unter nochmaliger Betonung der Beseitigung des
Landtags den Mitgliedern aber die Freifahrtkarte bis 2. Fe-
bruar belassen wurde (Staatszeitung 12). Die Beseitigung
des Landtags hatte zur Folge, daß auch der Landtags-
ausschuß zu Verwaltung der Staatsschulden
aufgehoben wurde. Künftighin sollten die Arbeiten vom
Finanzministerium übernommen werden (Gesetz= und Ver-
ordnungsblatt 1918, Seite 403 f., vergleiche Vorlagen usw.
Nr. 13).
Die eigentliche politische Macht lag in dieser Zeit bei den
Arbeiter= und Soldatenräten. Die Mitglieder eines Arbei-
ter= und Soldatenrats bezogen, wenn sie neben ihrer Tätig-
keit keinen Beruf ausfüllen konnten, Tagegelder aus öffent-
lichen Mitteln. Der Arbeiter= und Soldatenrat mußte aber
darüber Nechnung ablegen (Staatszeitung 273). Es war
nun eingetreten, daß örtliche Arbeiter= und Soldatenräte
ohne weiteres die gesamte politische Macht usurpierten und
die Gemeindevertretungen vorzeitig auflösten. Demgegen-
über wurde vom Gesamtministerium erneut darauf hingewie-
sen, daß die Räte nur ein Kontrollrecht hätten und auch
bei Bezirksausschüssen und Bezirksversammlungen Kon-
trolle ausüben sollten. Jeder Eingriff ins kirchliche und
schulische Leben habe zu unterbleiben, insbesondere sollte
jede Absetzung eines Nichters, Lehrers und Beamten ver-
mieden werden (Staatszeitung 278). Wie aus einer weiteren
Verfügung hervorgeht (Staatszeitung 279), hatten Arbeiter-
und Soldatenräte auch eigenmächtig in die Lebenemittel-
versorgung eingegriffen und Waren beschlagnahmt. Auch
diese Tätigkeit wurde vom Gesamtministerium untersagt.
Die Befugnisse der Räte wurden auf dem Landes=
Arbeiter= und Soldatenrat erneut festgelegt. Dieser
war auf den 3. Dezember 1918 nach dem Saale der ersten
430
Kammer im Ständehaus zu Dresden einberufen worden.
Schon am 19. November waren die Vertreter von Dres-
den, Leipzig und Chemnitz zusammengetreten, um einen
Landesrat zu bilden. Zuerst war geplant aus den Kreis-
hauptmannschaften Dresden, Leipzig und Chemnitz je zehn
Vertreter zu entsenden, die Kreishauptmannschaften Zwickau
und Bautzen sollten unvertreten sein. Darauf wurde Pro-
test eingelegt, und die Sozialdemokraten beantragten auch
die Heranziehung von je zehn Vertretern aus den Kreisen
Zwickau und Bautzen. Die Unabhängigen hingegen machten
einen Vorschlag, wonach die Kreishauptmannschaften Leip-
zig und Dresden zehn, Chemnitz acht, Zwickau sechs, Bautzen
vier Vertreter haben sollte. In den Bezirken Dresden,
Chemnitz, Zwickau, Bautzen sei die Parität zu beachten.
Dagegen verlangten die Mehrheitssozialdemokraten auch in
Leipzig die Parität, widrigenfalls dieser Grundsatz auch für
die andern Kreichauptmannschaften nicht gelten sollte. Der
Antrag der Mehrheitssozlaldemokraten ging durch, und man
beschloß gegen die Stimmen der Unabhängigen die Wahl
der Vertreter vornehmen zu lassen. Die Unabhängigen lehn-
ten darauf die Mitarbeit ab. Auf Grund dieser voran-
gegangenen Ereignisse wurde zum proolsorischen Lan-
des-Arbeiter= und Soldatenrat, wie erwähnt, zu-
sammengerufen, auf dem man den Bericht der Re-
gierung entgegennehmen wollte, über Aufgaben der ört-
lichen Räte und die Reichskonferenz der Arbeiter= und Sol-
datenräte beraten sollte (Staatszeitung 277).
Der zusammentretende Landeorat setzte sich zusammen
aus acht Vertretern aus Chemnitz (s Sp, 3 USP), zehn
Vertretern aus Dresden (lo Sph, zehn Vertretern aus
Leipzig (10 UhSp), sechs Vertretern aus Zwickau (3 Sp,
3 U#S, vier Vertretern aus Bautzen (4 Sy). Uhlig und
Seger wurden zu Vorsitzenden, Haack und Geyer zu Schrift-
führern gewählt. Volksbeauftragter Lipinski erstattete
den Bericht der Regierung, er warf einen Rück-
blick auf die Vorgänge bei der Revolution und ging
dann auf die Absichten der Regierung für die Zukunft
ein. Nach prinzipiellen Erörterungen über viele unge-
löste Fragen ging man dazu über, die künftige Ver-
waltung zu organisieren. Lipinskis Meinung war, daß
die gegenwärtigen Behörden vorläufig bestehen bleiben
sollten. Auf Grund bewiesener Tatsachen mußten wider-
strebende Beamte entfernt werden. In den Gemeinden seien
Arbeiterräte zu bilden, in Garnisonorten Arbeiter= und
Soldatenräte. Die letzteren würden nach und nach ver-
schwinden. Die örtlichen Arbeiter= und Soldatenräte sollen
sich zu Bezirks-, diese zu Kreisverbänden zusammenschließen.
Zum Landeerat sollen künftighin sechs Vertreter aus Baut-
zen, zwölf aus Chemnitz, je fünfzehn aus Dresden und
Leipzig, neun aus Zwickau kommen. Die Arbeiter= und
Soldatenräte sind die Träger der politischen Gewalt. Der
Landesrat ist das Bindeglied zwischen den Rä-
ten der Kreise und der Regierung und hat diese
zu beeinflussen und zu kontrollleren. Bei den
Gemeinden haben die Räte die behäördliche Tätigkeit zu
überwachen. Der Arbeiter= und Soldatenrat hat das Recht,
Abgeordnete zum Bezirksausschuß und zur Amtshaupt-
mannschaft zu entsenden, in gleicher Weise muß die Regelung
innerhalb der Kreishauptmannschafterfolgen. Alsdann wurden
noch Bestimmungen getroffen, die sich auf die Entschädi-
gung der Mitglieder der Arbeiter= und Soldatenräte be-
zogen (Staatszeitung 282). — Eine Aussprache über das
alles wurde erst am 27. Dezember eröffnet. Lipinski
nahm wieder zu einer großen Rede das Wort, in der er
auf die politischen Vorgänge der letzten Zeit einging. Es
kam zu sehr ernsten Zusammenstößen zwischen Mehrheits-
sozialisten und Unabhängigen, ja nach alledem war der
Bruch schon da, und es fehlte eigentlich nur noch die Er-
klärung der Trennung (Staatszeitung 301).