Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

gesetzblatt, Seite 1345 ff.). Die am gleichen Tage ver- 
fügte Wahlordnung (ebenda, Seite 1353 ff.) hatte für 
Sachsen eine Ausführungsverordnung zur Folge (Gesetz- 
und Verordnungsblatt 1918, Seite 388). Danach wurden 
die Wahlkommissare für den 28. (bisherige sächsische Reichs- 
tagswahlkreise 1—9), für den 29. (10—14), für den 
30. (15—23) bestimmt, die Abgrenzung der Stimm- 
bezirke und die Aufstellung der Wählerlisten angeord- 
net. Das sächsische Ministerium des Innern, an dessen 
Spitze Lipinski, stand im Gegensatz zu den Anord- 
nungen des Reichs. Bis Ende des Jahres könnten keine 
Wählerlisten aufgestellt werden, die Demobilisation sei da 
noch im Fluß (Staatszeitung 2838). Der Leipziger Arbeiter- 
und Soldatenrat wollte überhaupt nichts von einer Natio- 
nalversammlung wissen, bis die wirtschaftliche Gleichstel- 
lung erreicht sei. Anders war die Ansicht des Groß-Dres- 
dener Nats, der einen Antrag auf Früherlegung der Na- 
tionalversammlung annahm (Staatszeitung 288). In der 
Tat war die Stellung Lipinskis, wie sich nachträglich 
herausstellte, eine der Unzuträglichkeiten dieses Ministers 
gegenüber seinen Kollegen (Staatszeitung 290). Nachdem 
nun die Reichskonferenz der Arbeiter= und Soldatenräte 
sich prinzipiell für die Nationalversammlung ausgesprochen 
hatte, trat die Landeskonferenz der sächsischen Sozialdemo- 
kratie dafür ein, daß die Wahlen zu beschleunigen seien, 
damit der Zusammentritt schon im Januar erfolgen könnte 
(Staatszeitung 294). Durch die Stellung der Mehrheits- 
sozialisten und des Bürgertums schien die Nationalver= 
sammlung gesichert. Man war bei der aufrührerischen Stim- 
mung der Nadikalen bloß noch nicht im Klaren, ob die 
Wahlen ordnungsgemäß zustande kamen. Für die einzelnen 
Wahlkreise waren ordnungsgemäß die Wahlvorschläge ein- 
gegangen. Der Dresdener Wahlkreis vereinigte sechs 
Wahlvorschläge: 
1. Liste der Sozialdemokratischen Partei: 
Dr. Gradnauer, Buck, Kahmann, Frau Lutze, Haack, Schmidt, 
Krätzig, Fischer, Bethke, Frau Kurt, Holzapfel, Braune. 
2. Liste der Deutsch-demokratischen Partei: 
Nitzschke-Leutzsch, Steinsdorff, Külz, Frau Stritt, Dr. Kraft, 
Neichelt, Zeuner, Kruspe, Schulze, Schmidt, Richter, 
Däßler. 
3. Liste der Unabhängig-sozialdemokratischen 
Partei: Fleißner, Schulze, Frau Jacob, Rauch, Hentzschel, 
Sterzel, Frau Schmieder, Fuchs, Frau Reinert, König, 
Schlegel, Menke. 
4. Liste der Christlich-demokratischen Partei: 
Burlage, Hille, Pilaczek, Lorenz, Dr. Tacken, Tholotowsky, 
Kretschmer, Heßlein, Fräulein Burtscher, Stolte, Scheffel, 
Hürter. 
5. Liste der Deutschen Volkspartei: Dr. Heinze, 
Dr. Koch, Fräulein Dr. Schurig, Sättler, Otto, Dr. Berge- 
mann, Gey, Dr. Boehm, Herrmann, Dr. Luthber, Keßler, 
Blüher. 
6 Liste der Deutsch-nationalen Volkspartei: 
Költzsch, Wetzlich, Fritzsche, Lehnig, Fräulein Ohne— 
Forge Schreiber, Rockstroh, Lubeck, Klotz, Pietsch, Frau 
v. Carlowitz, Schmidt. 
Die Listen 4—6 galten als verbunden (Staatszeitung 9). 
Im Chemnitzer Wahlkreis wurden fünf Listen an- 
erkannt: 
1. Liste der Sozialdemokratischen Partei: 
Noske, Meier, Schöpflin, Stücklen, Molkenbuhr, Frau 
Schilling, Röhle, Jungnickel, Raunacher, Heldt, Castan, 
Frau Wagner. 
2. Liste der Deutsch-demokratischen Partei: 
Brodauf, Dr. Seyfert, Günther, Ende, Frau Schumann, 
Hardt, Matthäi, Raabe, Britz, Nendell, Frau Crüwell. 
3. Liste der Unabhängig-sozialdemokratischen 
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Partei: Jäckel, Sachse, Fiedler, Puchta, Pöhlmann, Frau 
Nothe, Dressel, Frau Zöbisch. 
4. Liste der Christlich-demokratischen Partei: 
Nothe, Scholz, Albrecht, Dr. Glaß, Jäckel, Frau Albrecht, 
Bothe, Hoffmann, Puff, Dittert, Frau Heeg, Nachtmann. 
5. Liste der Deutsch-nationalen Volkspartei: 
Biener, Dr. Barth, Pezold, Frau Hanitzsch, Gulden, Fräu= 
lein Bräuer, Heymann, Claviez, Thieme, Hahn, Gräfe, 
Leithold. 
Die Listen 4 und § galten als verbunden (Staatszeitung 
11). 
Im Leipziger Wahlkreis wurden auch fünf Listen 
anerkannt: 
1. Liste der Sozialdemokratischen Partei: 
Pinkau, Lüttich, Lange, Frau Gradnauer, Staudinger, 
Bahrdt, Abicht, Möller. 
2. Liste der Deutsch-demokratischen Partei: 
Dr. Jöphel, Schneider, Dr. Goetz, Engelhardt, Fräulein 
Sander, Hecht, Dufour-Feronce, Loesche. 
3. Liste der Unabhängig-sozialdemokratischen 
Partei: Seger, Geyer, Dr. Geyer, Lipinski, Ryssel, Wolke, 
Frau Thiel, Liebmann. 
4. Liste der Christlich-demokratischen Partei: 
Burlage, Dr. Strieder, Lea, Baader, Frau Nietsche, Melde, 
Dr. Tacken, Langer. 
7. Liste der Deutsch-nationalen Volkspartei: 
Dr. Philipp, Schnauß, Frau Ackermann, Pietsch, Hennig, 
Grosch, Friedrich, Müller. 
Die Listen 4 und s galten als verbunden (Staatszeitung 
*9). 
Das Gesamtministerium erließ daraufhin einen Auf- 
ruf, der um geordnete Durchführung der Wahlen ersucht 
(Staatszeitung 10): 
An Sachsens Volk! 
Alle großen Parteien unseres Landes sind sich einig, daß 
die vom deutschen Rätekongreß beschlossenen Wahlen zur 
Nationalversammlung am 19. Januar durchzuführen sind. 
Demgemäß ist es Aufgabe aller Behörden, die zur Durch- 
führung der Wahl erforderlichen Maßnahmen zu treffen, 
und vorzusorgen, daß jede gewaltsame Verhinderung der 
Wahlfreiheit unterbunden wird. Die gesetzlichen Bestim- 
mungen geben Gewähr, daß Personen, die die Wahl be- 
hindern würden, sich strafbar machen. Die Regierung for- 
dert die gesamte Bevölkerung Sachsens auf, sich für die 
geordnete Durchführung der Wahl einzusetzen. 
Das Gesamtministerium: 
Buck, Fleißner, Geyer, Dr. Gradnauer, 
Lipinsbi, Schwarz. 
Die Wahlen zur Nationalversammlung hatten natür- 
lich alle Parteien auf den Kampfplan gebracht. Der 
unglücklich ausgegangene Weltkrieg und die Revolution 
hatten das politische Gewissen aufgerüttelt. Sehr nervös 
vergingen die Wochen in zäher Arbeit. Das neue Wahl- 
recht forderte neue Massen von Wählern heraus, darunter 
die Frauen, die sich politisch bisher überhaupt nicht be- 
tätigt hatten. Die Umstellung aller Parteien mit Aus- 
nahme der sozialdemokratischen war notwendig. Zwar war 
die sächsische Parteiarbeit nur ein Teilstück der großen 
Parteiarbeit im Reich. Die nach der Revolution erstandenen 
Parteien nannten sich alle Volksparteien. Die frühere Fort- 
schrittliche Volkspartei und der linke Flügel der National- 
liberalen vereinigten sich zur Deutsch-demokratischen 
Partei, die neben der mehrheitssozialistischen Partei die 
stärkste im Lande war. Sie entfaltete durch die al Wahl- 
kandidaten bekannten Führer eine kolossale Wahlpropaganda. 
Der rechte Flügel der Nationalliberalen konstituierte sich 
gemäß dem Vorbild im Reich zur Deutschen Volks-
	        
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