Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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Offizierbundes“ wurde in die Wege geleitet, der die 
Regelung aller Standesfragen ins Auge faßte (Staats- 
zeitung 275). Da diese Organisation sich auf den Boden 
der Neuordnung stellte, so war ihr auch die Sympathie der 
neuen Negierung gewiß, was auf verschiedenen Versamm- 
lungen zum Ausdruck kam (Staatszeitung 288). Bald 
konnte die neue Organisation auch mit Forderungen hervor- 
treten. Besonders forderte man das Tragen der Uniform 
mit Abzeichen und Kokarde, der Waffe auf dem Wege vom 
und zum Dienste, Regelung des Dienstverhältnisses, Siche- 
rung der wirtschaftlichen Lage (Staatszeitung 289). Auch 
von seiten der aktiven Unteroffiziere wurden For- 
derungen gestellt. Insbesondere erwartete man in diesen 
Kreisen, daß die neue Regierung auch die Verpflichtungen 
der alten Regierung übernähme und den Unteroffiziersstand 
wirtschaftlich sicherstellte (Staatszeitung 278). 
Diese beiden militärischen Stände als besonders gefähr- 
dete Stände waren mit unter den ersten Berufen, die sich 
rührten. Der Arbeiterschaft wurde von seiten der Re- 
gierung genügend geholfen. Alle übrigen Stände mußten 
ihre Forderungen anmelden und betonen, wenn sie etwas 
erreichen wollten, daß sie auf dem Boden der Neuordnung 
stünden. Bürgerliche Berufe wurden in ihrer Gesamt- 
heit gegenüber der Arbeiterschaft durch die allmählich ins 
Leben tretenden Bürgerräte und Bürgerausschüsse 
vertreten, die oft mit den Arbeiter= und Soldatenräten und 
der revolutionären Arbeiterschaft auf dem Kriegsfuße standen. 
Besonders die Beamtenschaft aller Gattungen war ge- 
zwungen, Schritte zu ihrer Sicherstellung zu unternehmen, 
da sie sonst gegenüber der Arbeiterschaft allzusehr ins Hinter- 
treffen gekommen wäre. Näte geistiger Arbeiter, Studen= 
tenausschüsse, Beamtenausschüsse, Arbeitsgemeinschaften 
von Beamtenvereinen, Frauenorganisationen, sie alle be- 
gannen ihre Rechte anzumelden, ohne daß sie etwa ihre 
Plichten vergessen hätten. Angestellte in Industrie, Handel 
und Verkehr, Angestellte und Arbeiter in Landwirtschaft, 
alle forderten unausgesetzt und fingen an der Schraube zu 
drehen, die kein Ende haben sollte. Abgesehen davon, daß 
schon eine Teuerung herrschte, war durch eine derartige 
Steigerung der Löhne und Gehälter ein neuer Preisauftrieb 
an allen Waren zu erwarten. In der zur Beschreibung 
stehenden Periode fing zwar dieses Treiben erst an, zeigte 
aber bei einigen sehr betriebsamen Organisationen schon 
rechte Früchte. 
Recht schlecht war es in dieser sorgenvollen JZeit um die 
Pflege geistigen Lebens bestellt. Der Künstler, Ge- 
lehrte oder jeder andere, der im geistigen Berufe stand, war 
in den Strudel des wirtschaftlichen Kampfes gezogen. Die 
Preßfreiheit, der Fall der Theaterzensur zeigten 
ihre Folgen. Neue Organe sozialistischen Denkens und 
Strebens erstanden, und der Aufschwung der Broschüren- 
literatur zeigte, wie wenig man eigentlich in die Materie 
eines Problems eindringen wollte. Die Regierung selbst 
ließ natürlich das künstlerische Leben nicht verkümmern. 
Die Hoftheater wurden in Landestheater verwan- 
delt (Staatszeitung 269, 273). Die bisherige General- 
direktion der Königlichen Sammlungen wurde 
zwar aufgelöst, aber ihr Arbeitsgebiet in Vereinfachung 
der Verwaltungstechnik dem Ministerium des Kultus und 
öffentlichen Unterrichts unterstellt. 
Necht durchgreifend schienen die Veränderungen in 
Schule und Kirche werden zu wollen. Nasch wollte man 
die Forderungen der Sozialdemobratie durchführen, wie im 
Aufruf der Regierung ausgesprochen war (Gesetz= und Ver- 
ordnungsblatt 1918, Seite 365). Dissidentenkinder 
sollten in Zukunft vom Religionsunterricht frei bleiben (Ge- 
setz= und Verordnungsblatt 1918, Seite 385). Ortsschu- 
aufsicht und Schulleitung wurden neu geordnet (Ge- 
setz= und Verordnungsblatt 1918, Seite 380 ff.). 
& 1. 1. Der Pfarrer der Parochie gehört als solcher nicht 
mehr dem Schulvorstande an. 
2. Die Ortsschulaufsicht über die Volksschulen ohne Di- 
rektor wird aufgehoben. Diese Schulen unterstehen bünftig 
unmittelbar der Aufsicht des Bezirksschulinspektors. 
§& 2. 1. Die Lehrerversammlung, die der leitende Lehrer 
von Zeit zu Zeit einzuberufen und zu leiten hat, berät über 
a) die Hausordnung, 
b) den Lehrplan, 
) die Grundsätze für die Aufstellung des Stunden- 
planes, für Stellvertretungen, für die Zensurver= 
teilung, die Versetzung der Schüler und die Ordnung 
der Prüfungen, 
d) die Durchführung von Verordnungen und Verfü- 
gungen der Schulbehörden, 
e) besondere Veranstaltungen der Schule, 
4) Vorschläge für den Ankauf von Lehrmitteln und von 
Büchern für die Schüler= und. Lehrerbücherei, 
8) Wünsche und Anträge, die den inneren Schulbetrieb 
oder andere allgemeine Angelegenheiten der Schule 
betreffen. 
2. Das Ergebnis der Beratung ist durch Abstimmung 
festzustellen und in die Niederschrift aufzunehmen. 
& 3. 1. Zu den Obliegenheiten des leitenden Lehrers ge- 
hört auch die Anzeige notwendiger Stellenvertretungen an 
den Bezirksschulinspektor, die Anzeige vom Auftreten an- 
steckender Krankheiten an den Bezirksarzt, die Leitung der 
Prüfungen, die Einweisung von ständigen Lehrern und die 
Einführung von Hilfslehrern. 
2. Alleinstehende Lehrer und leitende Lehrer an mehr- 
klassigen Schulen werden von dem Vorsitzenden des Schul- 
vorstandes eingewiesen. 
3. Bei Feststellung der Schulreife in den Fällen, in denen 
es sich um die Zurückstellung schulpflichtiger, aber körper- 
lich oder geistig noch nicht genügend entwickelter Kinder, um 
die Verlängerung des Schulbesuchs, um die vorzeitige Ent- 
lassung von Volksschülern und um die Befreiung von Fort- 
bildungsschülern vom weiteren Besuch der Schule handelt, 
steht die bisher dem Ortsschulinspebtor übertragene Ent- 
schließung dem leitenden Lehrer zu. 
4. Beschwerden über Lehrer, die sich nicht durch Ver- 
ständigung der Lehrer mit den Beschwerdeführern erledigen, 
hat der leitende Lehrer an den Vorsitzenden des Schulvor- 
standes zur Abgabe an die Bezirksschulinspebtion weiter- 
zuleiten. 
& 4. Den Lehrern an Schulen ohne Direktor kann in 
dringenden Fällen der Vorsitzende des Schulvorstandes für 
einen Tag Urlaub erteilen. Dem Bezirksschulinspektor ist 
hierüber sofort Anzeige zu erstatten. 
& 5. Die Bestimmungen über die Lehrerversammlung in 
&2 gelten auch für die Schulen, die unter Leitung eines 
Direktors stehen. 
66. Vorstehende Bestimmungen treten mit dem 1. Ja- 
nuar lol in Kraft. 
Dresden, den 11. Dezember 1918. 
Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts. 
Buck. 
Neue Maßnahmen in Hinsicht auf Wegfall des 
Schulgeldes# und die Einführung der allgemei- 
nen Volksschule wurden getroffen (Gesetz= und Ver- 
ordnungsblatt 1918, Seite 392). 
& 1. Für die zum Besuche der Ortsschule verpflichteten 
Volbks= und Fortbildungsschüler darf kein Schulgeld er- 
hoben werden. 
& 2. 1. Die Volksschulen sind als allgemeine Volks- 
schulen für alle Kinder des Schulbezirkes ohne Unterschied 
des Vermögens und der Religion einzurichten.
	        
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