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Offizierbundes“ wurde in die Wege geleitet, der die
Regelung aller Standesfragen ins Auge faßte (Staats-
zeitung 275). Da diese Organisation sich auf den Boden
der Neuordnung stellte, so war ihr auch die Sympathie der
neuen Negierung gewiß, was auf verschiedenen Versamm-
lungen zum Ausdruck kam (Staatszeitung 288). Bald
konnte die neue Organisation auch mit Forderungen hervor-
treten. Besonders forderte man das Tragen der Uniform
mit Abzeichen und Kokarde, der Waffe auf dem Wege vom
und zum Dienste, Regelung des Dienstverhältnisses, Siche-
rung der wirtschaftlichen Lage (Staatszeitung 289). Auch
von seiten der aktiven Unteroffiziere wurden For-
derungen gestellt. Insbesondere erwartete man in diesen
Kreisen, daß die neue Regierung auch die Verpflichtungen
der alten Regierung übernähme und den Unteroffiziersstand
wirtschaftlich sicherstellte (Staatszeitung 278).
Diese beiden militärischen Stände als besonders gefähr-
dete Stände waren mit unter den ersten Berufen, die sich
rührten. Der Arbeiterschaft wurde von seiten der Re-
gierung genügend geholfen. Alle übrigen Stände mußten
ihre Forderungen anmelden und betonen, wenn sie etwas
erreichen wollten, daß sie auf dem Boden der Neuordnung
stünden. Bürgerliche Berufe wurden in ihrer Gesamt-
heit gegenüber der Arbeiterschaft durch die allmählich ins
Leben tretenden Bürgerräte und Bürgerausschüsse
vertreten, die oft mit den Arbeiter= und Soldatenräten und
der revolutionären Arbeiterschaft auf dem Kriegsfuße standen.
Besonders die Beamtenschaft aller Gattungen war ge-
zwungen, Schritte zu ihrer Sicherstellung zu unternehmen,
da sie sonst gegenüber der Arbeiterschaft allzusehr ins Hinter-
treffen gekommen wäre. Näte geistiger Arbeiter, Studen=
tenausschüsse, Beamtenausschüsse, Arbeitsgemeinschaften
von Beamtenvereinen, Frauenorganisationen, sie alle be-
gannen ihre Rechte anzumelden, ohne daß sie etwa ihre
Plichten vergessen hätten. Angestellte in Industrie, Handel
und Verkehr, Angestellte und Arbeiter in Landwirtschaft,
alle forderten unausgesetzt und fingen an der Schraube zu
drehen, die kein Ende haben sollte. Abgesehen davon, daß
schon eine Teuerung herrschte, war durch eine derartige
Steigerung der Löhne und Gehälter ein neuer Preisauftrieb
an allen Waren zu erwarten. In der zur Beschreibung
stehenden Periode fing zwar dieses Treiben erst an, zeigte
aber bei einigen sehr betriebsamen Organisationen schon
rechte Früchte.
Recht schlecht war es in dieser sorgenvollen JZeit um die
Pflege geistigen Lebens bestellt. Der Künstler, Ge-
lehrte oder jeder andere, der im geistigen Berufe stand, war
in den Strudel des wirtschaftlichen Kampfes gezogen. Die
Preßfreiheit, der Fall der Theaterzensur zeigten
ihre Folgen. Neue Organe sozialistischen Denkens und
Strebens erstanden, und der Aufschwung der Broschüren-
literatur zeigte, wie wenig man eigentlich in die Materie
eines Problems eindringen wollte. Die Regierung selbst
ließ natürlich das künstlerische Leben nicht verkümmern.
Die Hoftheater wurden in Landestheater verwan-
delt (Staatszeitung 269, 273). Die bisherige General-
direktion der Königlichen Sammlungen wurde
zwar aufgelöst, aber ihr Arbeitsgebiet in Vereinfachung
der Verwaltungstechnik dem Ministerium des Kultus und
öffentlichen Unterrichts unterstellt.
Necht durchgreifend schienen die Veränderungen in
Schule und Kirche werden zu wollen. Nasch wollte man
die Forderungen der Sozialdemobratie durchführen, wie im
Aufruf der Regierung ausgesprochen war (Gesetz= und Ver-
ordnungsblatt 1918, Seite 365). Dissidentenkinder
sollten in Zukunft vom Religionsunterricht frei bleiben (Ge-
setz= und Verordnungsblatt 1918, Seite 385). Ortsschu-
aufsicht und Schulleitung wurden neu geordnet (Ge-
setz= und Verordnungsblatt 1918, Seite 380 ff.).
& 1. 1. Der Pfarrer der Parochie gehört als solcher nicht
mehr dem Schulvorstande an.
2. Die Ortsschulaufsicht über die Volksschulen ohne Di-
rektor wird aufgehoben. Diese Schulen unterstehen bünftig
unmittelbar der Aufsicht des Bezirksschulinspektors.
§& 2. 1. Die Lehrerversammlung, die der leitende Lehrer
von Zeit zu Zeit einzuberufen und zu leiten hat, berät über
a) die Hausordnung,
b) den Lehrplan,
) die Grundsätze für die Aufstellung des Stunden-
planes, für Stellvertretungen, für die Zensurver=
teilung, die Versetzung der Schüler und die Ordnung
der Prüfungen,
d) die Durchführung von Verordnungen und Verfü-
gungen der Schulbehörden,
e) besondere Veranstaltungen der Schule,
4) Vorschläge für den Ankauf von Lehrmitteln und von
Büchern für die Schüler= und. Lehrerbücherei,
8) Wünsche und Anträge, die den inneren Schulbetrieb
oder andere allgemeine Angelegenheiten der Schule
betreffen.
2. Das Ergebnis der Beratung ist durch Abstimmung
festzustellen und in die Niederschrift aufzunehmen.
& 3. 1. Zu den Obliegenheiten des leitenden Lehrers ge-
hört auch die Anzeige notwendiger Stellenvertretungen an
den Bezirksschulinspektor, die Anzeige vom Auftreten an-
steckender Krankheiten an den Bezirksarzt, die Leitung der
Prüfungen, die Einweisung von ständigen Lehrern und die
Einführung von Hilfslehrern.
2. Alleinstehende Lehrer und leitende Lehrer an mehr-
klassigen Schulen werden von dem Vorsitzenden des Schul-
vorstandes eingewiesen.
3. Bei Feststellung der Schulreife in den Fällen, in denen
es sich um die Zurückstellung schulpflichtiger, aber körper-
lich oder geistig noch nicht genügend entwickelter Kinder, um
die Verlängerung des Schulbesuchs, um die vorzeitige Ent-
lassung von Volksschülern und um die Befreiung von Fort-
bildungsschülern vom weiteren Besuch der Schule handelt,
steht die bisher dem Ortsschulinspebtor übertragene Ent-
schließung dem leitenden Lehrer zu.
4. Beschwerden über Lehrer, die sich nicht durch Ver-
ständigung der Lehrer mit den Beschwerdeführern erledigen,
hat der leitende Lehrer an den Vorsitzenden des Schulvor-
standes zur Abgabe an die Bezirksschulinspebtion weiter-
zuleiten.
& 4. Den Lehrern an Schulen ohne Direktor kann in
dringenden Fällen der Vorsitzende des Schulvorstandes für
einen Tag Urlaub erteilen. Dem Bezirksschulinspektor ist
hierüber sofort Anzeige zu erstatten.
& 5. Die Bestimmungen über die Lehrerversammlung in
&2 gelten auch für die Schulen, die unter Leitung eines
Direktors stehen.
66. Vorstehende Bestimmungen treten mit dem 1. Ja-
nuar lol in Kraft.
Dresden, den 11. Dezember 1918.
Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts.
Buck.
Neue Maßnahmen in Hinsicht auf Wegfall des
Schulgeldes# und die Einführung der allgemei-
nen Volksschule wurden getroffen (Gesetz= und Ver-
ordnungsblatt 1918, Seite 392).
& 1. Für die zum Besuche der Ortsschule verpflichteten
Volbks= und Fortbildungsschüler darf kein Schulgeld er-
hoben werden.
& 2. 1. Die Volksschulen sind als allgemeine Volks-
schulen für alle Kinder des Schulbezirkes ohne Unterschied
des Vermögens und der Religion einzurichten.