Seit Mitte Juli wurde auch die 23. Reservedivision von
der 22. Reservedivision abgelöst und zunächst hinter der
Front bereitgestellt, Reserve-Infanterieregiment 101 in Se-
mide, Reserve-Infanterieregiment 102 in Juniville und
Reserve-Infanterieregiment 103 in Vouziers. Am 22. Juli
folgte auch die Artillerie, am 24. Juli endlich auch das Ge-
neralkommando, zuletzt die Artillerie der 2 3. Reservedivision.
An der Somme, in der Hauptkampfzeit der Somme-
schlacht, traf sich das Generalkommando mit seinen Divi-
sionen wieder. Dort stand das Korps in der neuen Heeres-
gruppe Gallwitz (St. Quentin) bei der ersten Armee (Ge-
neral der Infanterie v. Below — Bourlon). Die zurück-
bleibende Division Fortmüller trat zum VIII. Reservekorps
über. Die Tätigkeit des XII. Reservekorps in seiner ur-
sprünglichen Zusammensetzung fand so am 23. Juli nach
fast zwei Jahren an der in zwei Abwehrschlachten vertei-
digten Champagnefront ihr Ende. Der Feind hatte nach
dem Absterben seiner Herbstoffensive nicht mehr gewagt,
die Sachsenfront ernsthaft anzugreifen. Das tapfere XII.
Reservekorps sollte nunmehr auf dem heißumstrittenen
Sommeschlachtfeld seine alte Tüchtigkeit erweisen.
2. An der Somme
Ende Juli bis Mitte September 1916
Der General der Artillerie v. Kirchbach übernahm den
Abschnitt Goßler (VI. Reservekorps) mit dem Kirchbachschen
Hauptquartier in St. Emilie westlich Ronssoy als Gruppe
Kirchbach. Es grenzte im Norden an den Abschnitt des
Generals der Kavallerie v. Laffert am Delvillewald. Die
dortigen schweren Kämpfe sind beim XIX. Armeekorps
beschrieben.
Die Gruppe v. Kirchbach umfaßte die beiden sächsischen
Divisionen, 23. und 24. Reservedivision, die bayerische 8.
Reservedivision (Mitte) und die württembergische 27. In-
fanteriedivision.
Als das XII. Reserveborps in die Schlacht eingriff, war
es dem Gegner in zweimonatlichem Ringen gelungen, die
ursprünglich von Montauban über Hardecourt bie Curlu
an der Somme verlaufende deutsche Front bis Delbdille-
wald—Guillemont—Maurepas—Monacu-Ferme östlich. Uem
allmählich zurückzuschieben.
Zunächst griff, noch unter dem Befehl der Gruppe Goß-
ler, die 24. Reservedivision Mitte Juli ein, als die feind-
lichen Anstrengungen um den Deloillewald und Guillemont
ihren Höhepunkt erreichten. Dioisionosgefechtsstand war
Saillisel.
Zuerst wurde Reserve-Infanterieregiment 107 am 14. Juli
eingesetzt. Es rang in schwersten Großkampftagen, am
15., 18., 19 und 20. Juli um den Delvillewald im Angriff
und am 15. und 1 8. Juli in Abwehr englischer Großangriffe.
Am Schlusse dieses blutigen Ringens war das Regiment
auf kaum 1000 Mann (II. 285, III. 300 Mann) zusammen-
geschmolzen. Noch größer waren die Verluste bei Reserve-
Infanterieregiment 104, das seit 15. Juli im Kampfe,
in blutigen Angriffen gegen den Delvillewald und Lon-
gueval am 18. und 22. Juli und bei Abwehr von fünf
englischen Angriffen am 23. Juli sogar bis auf 900 Manm
Gefechtsstärke zurückging (I. 2655 Mann).
Reserve-Infanterieregiment 133 wies am 10., 20., 21.
und 23. Juli englische Angriffe ab und ging am 23. Juli
zu erfolgreichem Gegenangriff über, an dem sich auch das
Reserve-Jägerbataillon 13 mit Auszeichnung beteiligte. Ol#e
Gefechtsstärke der Division sank auf 3700 Mann herab.
Das machte die sofortige Zusendung von je 1000 Mann
Ersatz an jedes Infanterieregiment aus der Heimat er-
forderlich. Der König beglückwünschte sofort telegraphisch
die tapfere Dibision zu ihrem wiederum vorbildlichen Aus-
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harren gegen die acht Tage und Nächte anhaltenden Groß-
angriffe des weitüberlegenen Feindes.
Auch hier wiederholte sich zunächst die Klage über unge-
nügende Fliegerzahl.
Endlich am 31. Juli konnte die 24. Reservedivision von
der württembergischen 27. Infanteriedivision in ihrem
schwierigen rechten Flügelabschnitt der Gruppe abgelöst
werden. Sie wurden zunächst in Erholungsquartiere zu-
rückverlegt.
Die 23. Reservedioision focht südlich davon in dem
Abschnitt, den die sächsische 123. Infanteriedivision die
Wochen vorher mit äußerster Kraft, aber auch furchtbaren
Verlusten verteidigt hatte.
Die Mitte der Front westlich Maurepas hatte die 8. baye-
rische Reservedioision inne. An diese anschließend verteidigte
die 23. Reservedivision die kurze, aber heißumkämpfte Strecke
von der Haltestelle östlich von Hem bis zur Monacu-Ferme
im Sommetal. Vor ihrer Front lag der Trümmerhaufen
des ehemaligen Dorfes Hem, zwei Kilometer hinter der
Front der größere Ort Cléry, das Ziel der feindlichen
Geschosse aller Kaliber, und östlich davon die Kunststraße
Bapaume—Peronne, das seit Wochen erstrebte Angriffsziel
der Franzosen.
Als der General der Artillerie v. Kirchbach den Befehl
am 30. Juli übernahm, war ein mächtiger feindlicher
Großangriff im Gange, unterstützt durch Schwärme feind-
licher Flieger, welche die Luft völlig beherrschten und mit
Bomben und Maschinengewehrfeuer direkt in den Erdkampf
eingriffen. Auch die feindlichen Geschützmassen und Minen-
werfer waren den dagegen verfügbaren deutschen Abwehr-
mitteln weit überlegen.
Trotzdem wurde der Angriff restlos abgewiesen. Ein
Kaisertelegramm sprach den Truppen für „die ausge-
zeichneten Leistungen bei Abwehr der englisch-französischen
Massenangriffe vollste Anerkennung und kaiserlichen Dank
von Herzen aus.“ „Sie haben in deutscher Treue getan,
was ich und das Vaterland von Ihnen erwarteten. Gott
helfe Ihnen weiter. Wilhelm.“
Tags darauf setzte der Feind den Angriff ebenso ver-
geblich fort. Bei der Monacuferme kam es zu erbittertem
Nahkampf. Schließlich vertrieb ein Stoßtrupp des Reserve-
Infanterieregiments 103 unter Leutnant Döring den dort
eingedrungenen Feind wieder. Ein nach Trommelfeuer ein-
setzender Angriff wurde von der 23. Reservedivision noch
vor Mitternacht abgewiesen.
Die Verteidigungsartillerie, die Tags zuvor den feind-
lichen Großangriff mit ihrem Vernichtungsfeuer zerschlagen
hatte, litt heute ganz besonders unter der zusammengefaßten
äuch der feindlichen Artillerie, Minenwerfer und Bomben=
lieger.
Auch die folgenden Tage hielt die feindliche Angriffotätig=
keit an. Zwischen den beiden Sachsengruppen Laffert und
Kirchbach wurde eine neue Gruppe Watter (s. und 27. In-
fanteriedivision) gebildet. Der Befehlsbereich Kirchbach endete
nunmehr rechts bei Guillemont (ausschließlich).
Die für die Nacht zum 4. August geplante Ablösung der
23. Reservedivision konnte nicht durchgeführt werden. Ein
am 4. August gegen diese Division vorbrechender Überfall
ohne Artillerie-Vorbereitung scheiterte an der Aufmerksam-
keit der Grabenbesatzungen und dem schnellen Eingreifen
der III. Abteilung Reserve-Feldartillerieregiments 23.
Die nächsten Tage beschränkte sich der Feind auf plan-
mäßiges Niederkämpfen unserer Artillerse, wobei die feind-
lichen Fliegermassen, fast ungehindert von den wenigen
deutschen noch kampffähigen Flugzeugen, das Feuer er-
folgreich leiteten. Endlich am 7. August trafen deutsche
Flieger in größerer Zahl ein und gingen gegen die feindlichen
Fesselballons, 15—20 allein vor der Front Kirchbach, und