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30. April ein Posten mit Maschinengewehr im Abschnitt
Struyve nachts überfallen.
Die neuaufgestellte III. Abteilung des Reserve-Feldartil-
lerieregiments 23 trat zum Regiment und wurde alobald
eingesetzt. Ihre 9. Batterie hatte schon am 1. Mai durch
feindliche Granaten drei beschädigte Geschütze. Der ganze
Mai verlief unter Artilleriekämpfen. Mehrfach griffen auf
beiden Seiten schwere Flachbahngeschütze ein. Die englische
Fliegertätigkeit war dauernd sehr rege. In den Stellungen
des Gegners wurde eifrig gearbeitet. Es gelang nicht fesi-
zustellen, ob für Angriff oder Abwehr. Ein feindliches
Luftschiff ließ sich über den Abschnitt einmal sehen. Bomben=
geschwader suchten Langemarck heim. Sonst verlief der Mai
ruhig. Ende des Monats wurde die Didision abgelöst und
nach Gent und Umgegend verlegt, aber als Anfang Juni
Anzeichen für einen beabsichtigten Großangriff der West-
heere in Flandern eintraten, am 12. Juni als Kampf-
reserve der vierten Armee der Gruppe Dirmuide zur Ver-
fügung gestellt. Sie erreichte in vier Märschen ihr Ziel und
wurde in drei Eingreifgruppen am Houhoulsterwald, bei
Zarren und westlich von Staden untergebracht.
Am 25. Juni wurde die Division dann in ihrem alten
Abschnitt Langemarck wieder eingesetzt. Sie war voll kampf-
kräftig und neu aufgefüllt. Die Gruppe Meperen leitete
bis 31. Juli das III. Armeekorps, von da ab bis 24. August
wieder das XII. Reservekorps.
Zunächst blieb es im Abschnitt noch ruhig. Anfang
Juli nahm die Patrouillentätigbeit der Engländer sehr zu.
Seit Mitte Juli beherrschten die an Jahl weit überlegenen
feindlichen Flieger völlig die Luft. Die feindliche Artillerie
wurde anscheinend stark vermehrt. Weitschießende Geschütze
machten sich bemerkbar, ebenso weit vorn neu entstandene
Stellungen ganzer Batteriegruppen. Am 26. Juli steigerte
sich das feindliche Feuer gegen den Nachbar rechts zum
Trommelfeuer, auch die Kampfgräben der 23. Reserve-
division wurden eingeebnet. Bei Abschnitt Pilckem und
Struyve erfolgten Einbrüche englischer Patrouillen ins Vor-
feld, die im Gegenstoß vertrieben wurden. Am 27. und
28. Juli wiederholte der Feind seine Teilangriffe gegen
Grenadier-Reserveregiment 10o0 und Reserve-Infanterie-
regiment 102. Teile der vordersten Linie blieben in seiner
Hand. Stärkstes Artilleriefeuer lag Tag und Nacht auf
der ganzen Stellung. Am 29. Juli kurz nach Mittag ant-
wortete die deutsche Artillerie mit einem Gasschießen, was
den Gegner nicht abhielt, gegen Abend wieder anzugreifen.
In der folgenden Nacht begann die Ablösung durch die
3. Garde-Infanteriedivision. Am 1. August trafen die
letzten abgelösten Truppen um Brügge ein. Ein zusammen-
gesetztes Bataillon des Infanterieregiments 392 war noch
beim Abrücken in ein Gefecht verwickelt worden.
Das Reserve-Feldartillerieregiment 23 ging auf den
Schießplatz. Alle Truppen nahmen sofort die Ausbildung
der Verbände in Angriff. Die Division stand hier im Grenz-
zipfel gegen Holland und nahe der Küste für alle denkbaren
Uberraschungsfälle bereit. Divisionsstabsquartier war Schloß
St. Kruis, zwei Kilometer östlich Brügge. Grenadier=
Reserveregiment loo lag nordöstlich, Reserve-Infanterie-
regiment 102 südöstlich, Infanterieregiment 302 östlich von
Brügge. Den Truppenübungen wohnte am 13. August der
bayerische Kronprinz und am 20. August der Kaiser bei.
Ende August wurde die Division als Eingreifdioision für
die Gruppe Dirmuide näher an diese herangezogen. Der
aDivisionsstab übersiedelte nach Schloß Wynedaale bei Thou-
rout. Am 20. September wurde die Division der Gruppe
Yeperen zur Verfügung gestellt und beschleunigt in Gegend
östlich Passchendaele mit der Bahn befördert. Die große
Flandernschlacht hatte den Höhepunkt erreicht. Vom 22.
ab löste die Division die 2. Garde-Reservedivision im Ab-
schnitt Passchendaele, zunächst als Eingreifdivision, ab. Tags
zuvor hatte der große englische Angriff gegen die ganze
Gruppe eingesetzt. Er wurde am 23. September wieder-
holt. Die einzelnen Eingreifgruppen der 23. Reservedivision
rückten hierzu näher an die Kampffront heran.
Am 24. September erfolgte bei der südlich anschließenden
Gruppe Wytschaete ein Gegenangriff, der gut gelang. Die
deutsche Front war zu dieser Zeit etwa auf die Linie der
Skizze 4 — Xll. Reservekorps zurückgedrückt.
Die Division löste bis 24. September die 2. Garde-Reserve-
division im Abschnitt Passchendaele ab. Die Front verlief
zu dieser Jeit etwa 1000 Meter nordöstlich der Linie St. Ju-
lien —Freezenberg. Es waren keine Verteidigungsgräben
mehr vorhanden. Schwerstes Feuer lag Tag und Nacht über
dem ganzen Abschnitt.
Rechts stand Grenadier-Reserveregiment 100, in der
Mitte Infanterieregiment 392, links Reserve-Infanterie-
regiment 102. Die Hauptwiderstandslinie lag in der Flan-
dern-l-Stellung bei 's Gravenstafel und war kaum 2000 Me-
ter breit. Hinter der Dioision stand noch die 4. bayerische
Infanteriedivision als Gegenstoßdivision. Der Divisions-
stab lag in Schloß Rumbeke, ein Kilometer östlich von
Roulers.
Die Kampftruppen waren mit Schieß= und Mundvorrat
für vier Tage ausgestattet, Verkehr von und nach rückwärts
über das von den feindlichen Fliegern beherrschte Gelände
war denkbar erschwert. Die Verluste waren von Anfang an
sehr hoch. Am 26. September brach der Feind beim rechten
und linken Nachbar ein. Die Mitte der 23. Reservedioision
hielt, ihre Reserven von Passchendaele her kamen im feind-
lichen Trommelfeuer nicht vorwärts. Drei Kompagnien
von Grenadier-Reserveregiment loo machten 8 Uhr vor-
mittags einen anfangs erfolgreichen Gegenstoß. Später
hielten die Trümmer des Regiments '# Gravenstafel. Der
mit größtem Schneid ausgeführte Gegenstoß des -. baye-
rischen Infanterieregiments entlastete zwar das schwer-
bedrängte Grenadier-Reserveregiment 100 und auch Reserve-
Infanterieregiment 102. Aber die alte Kampflinie wurde
nicht erreicht. Nach erneutem Trommelfeuer machten die
Engländer abends neue Angriffe, die abgewiesen wurden.
Die Nacht verlief ohne Angriff, doch hielten die feind-
lichen Flieger und die Geschosse schwersten Kalibers das
ganze Hinterland von jeder Verbindungsaufnahme zu den
Kampftruppen ab.
Vorn bildete sich eine neue Abwehrlinie, rechts und links
Teile des §., in der Mitte Teile des 9. bayerischen In-
fanterieregiments, dahinter III./392 in der Mitte, die
Bataillone Fiedler und Kap-herr des Reserve-Infanterieregi-
ments 102 hinter dem linken Flügel. Sie machten einen
kräftigen Vorstoß am 27. September abends. Rechts hiel-
ten sich Reste des Grenadier-Reserveregiments 100, beson-
ders die tapfere 3. Kompagnie unter Feldwebelleutnant
Lange, weit vor der übrigen Front im sogenannten Artillerie=
Gehöft. Am 28. September nahmen die Sturmkompagnie
und ein Stoßtrupp des Reserve-Infanterieregiments 392
den Almenhof vor der Mitte wieder und siellten nach rechts
und links bis zum Abend die Verbindung mit den Neben-
divisionen wieder her.
In der folgenden Nacht wurde die schwergeprüfte Divi-
sion abgelöst. Blutige Verluste, Entbehrungen und das
schlechte Wetter der letzten Tage hatten die Frontstärken sehr
geschwächt. In der Nacht zum 30. September wurde die
Ablösung beendet. Der Feind war den Tag über ruhig ge-
blieben. Die Verluste der Division in diesen wenigen Tagen,
insbesondere in dem Großkampf des 26. September, be-
trugen 235 Tote (darunter 14 Offiziere), 1302 Verwundete
(darunter 37 Offiziere) und 721 Vermißte (darunter 12
Offiziere), Auch hier traf der Gesamtverlust von 2278