184 VII. Abschn. Gesetze, Verordnungen u. Verträge.
zu enge; denn das Wesen derselben besteht nicht nur in der
Vollziehung der Gesetze, sondern auch in einer pflegenden,
die Volkswohlfahrt fördernden Tätigkeit, welche regelmäßig
nicht durch Gesetze bestimmt wird. Die Vollziehung scheidet
man dann wieder in Rechtsprechung und Verwal—
tung.
Zum Verständnis des Wesens der Gesetzgebung ist nun
zu bemerken, daß das Wort Gesetz zweierlei Bedeutungen hat;
man spricht von Gesetzen im materiellen und for—
mellen Sinn und will damit sagen, daß der Begriff des
Gesetzes im ersteren Sinn durch seinen Inhalt, im letzteren
Sinn durch seine Form bestimmt wird. Im Leben verwendet
man das Wort Gesetz regelmäßig im letzteren Sinn; man
pflegt damit diejenigen Anordnungen der Staatsgewalt zu
bezeichnen, welchen das Parlament seine Zustimmung gegeben
hat. Gesetz im formellen Sinn ist also jede von
den gesetzgebenden Organen (Regierung und
Volksvertretung) ausgehende Anordnung. Daß
das Wort Gesetz aber noch eine andere Bedeutung haben
muß, geht z. B. aus den Verfassungsurkunden hervor, in
welchen bestimmt ist, daß kein Gesetz ohne Zustimmung
des Landtags ergehen kann. Denn das ist ja nun die
Frage: Welcher Inhalt macht eine Anordnung der Staats-
gewalt zum Gesetz? Es muß also einen Begriff des Gesetzes
in materiellem Sinn geben. Weder in der Wissenschaft noch
in der Praxis herrscht aber völlige Einigkeit darüber, was
ein Gesetz im materiellen Sinn ist, und es gibt manche
Jälle, bei denen das Parlament seine Mitwirkung verlangt,
obwohl deren verfassungsmäßige Notwendigkeit von der Re-
gierung bestritten wird. Wir können hier auf diesen Streit
nicht eingehen. Gesetz im materiellen Sinn ist nach der über-
wiegenden Ansicht die für die Bürger verbindliche
Anordnung eines Rechtssatzes; in der Regel er-
hält dieser Befehl allgemeine Vorschriften. Gesetze im ma-