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schlecht inspiriert eine Einmischung in Belgrad wäre, wo man
darin eine Drohung des Wiener Kabineites sehen könnte.”)
Der englische Botschafter, den Herr Sasonow ver-
ständigte, sprach den Gedanken aus, dass seine Regierung sich
zweifellos einem Schritte anschliessen würde, der aui die Aus-
schaltung der Gefahr hinziele, die den allgemeinen Frieden
bedrohen kann und hat in diesem Sinne an seine Regierung
telegraphiert.°)
Herr Sasonow hat zu diesem Zwecke Herrn Schebeko*)
Instruktionen erteilt. Ohne dass es sich hier um ein Kollektiv-
vorgehen?) oder ein abgekartetes Vorgehen des Dreiverbandes
in Wien handelt, bitte ich Sie, sich über die Frage mit den
russischen und englischen Botschaftern zu unterhalten und sich
mit ihnen über das beste Mittel für einen jeden von Ihnen zu
verständigen, um ohne Zögern dem Grafen Berchtold die Rat-
schläge zur Mässigung zu erteilen, die die gegenwärtige Lage
zu erfordern scheint.
Ich füge hinzu, dass es angebracht wäre, Herrn Paul
Cambon zu bitten, bei Sir Edward Grey die Zweckmässigkeit
eines solchen Schrittes geltend zu machen und die Anregung
zu unterstützen, die der englische Botschafter in Russland zu
diesem Zwecke dem Foreign Office zukommen liess. Gral
Benckendorff ist beauftragt worden, eine ähnliche Empfehlung
vorzubringen.
G1b.Nr.22. ?) Hier wird aiso jede Forderung, die Oesterreich an
Serbien stellen könne, welcher Art sie auch sei, als ein Schritt bezeichnet,
der aus Rücksicht auf Serbien unbedingt vermieden und hintertrieben
werden müsse. Hier tritt auch deutlich hervor, dass noch vor Kennt-
nisnahme des Inhaltes der Note, noch vor ihrer Ueberreichung, der
Ministerpräsident, der sich bekanntlich in Begleitung des Präsidenten
der Republik befand, unbedingt den russischen Standpunkt zu dem
seinen machte. In diesem Zusammenhange mag auch an das Press-
communique erinnert werden, das nach der Begegnung des Präsi-
denten der Republik mit dem Kaiser von Russland ausgegeben wurde:
«Der Besuch, den der Präsident der französischen Republik soeben
Seiner Majestät dem Kaiser von Russland machte, hat den beiden
befreundeten und verbündeten Regierungen Gelegenheit gegeben,
die vollkommene Gemeinsamkeit ihrer Ansichten über die verschie-
denen Probleme festzustellen, vor welche die Sorge für den allge-
meinen Frieden und für das europäische Gleichgewicht die
Mächte namentlich im Orient stellt».
7?) Dieses Telegramm ist nicht im Bib. veröffentlicht worden.
*) Russischer Botschafter in Wien.
5) Ein Kollektivvorgehen war immerhin geplant, wie u. a. Bib.
Nr. 6 beweist. Auf ein offizielles Kollektivvorgehen des Dreiver-
bandes wollte aber England zunächst nicht eingehen. Immerhin zeigt
dieses Telegramm, dass Greps Stellungnahme vom ersten Tag an auf
bestimmten Dreiverbandsabmachungen fusste.