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unannehmbare Missregeln fordern könne: (die serbische Re-
gierung, selbst wenn sie sich unterwerfen wolle, liefe Gefahr,
von einer Revolution fortgefegt zu werden.
Ich gab gleichfalls Herrn von Schön zu verstehen, dass
seine Note nur zwei Hypothesen ins Auge jasse : die einer
vollständigen Ablehnung oder die einer herausfordernden Hal-
tung Serbiens. Eine dritte Hypothese (die einer Verständigung
die Tür öffnete) müsste jedenfalls in Betracht gezogen werden:
die Hypothese einer Annahme der Note durch Serbien, das
einwillige, sogleich alle Genugtuungen zur Bestrafung der
Mitschuldigen und alle Garantien zur Unterdrückung der
österreichisch-feindlichen Propaganda, die mit seiner Souverä-
nität und Würde vereinbar seien, zu geben.
Ich fügte hinzu, dass, wenn innerhalb dieser Grenzen die
von Oesterreich bezweckte Genugtuung annehmbar sei, die
Modalitäten ihrer Durchführung geprüft werden könnten; wenn
Serbien offenbare Beweise von Gutwilligkeit gebe, könne man
nicht verstehen, dass Oesterreich nicht zu einer Unterhaltung
bereit sei.
Vielleicht wäre es nicht angebracht, es dritten Mächten,
die sich weder moralisch noch gefühlsmässig an Serbien des-
interessieren können, zı schwer zu machen, eine dem Wunsche
Deutschlands nach Lokalisierung des Konfliktes entsprechende
Haltung einzunehmen.
Herr von Schön erkannte den Wert dieser Bemerkungen
an und erklärte unbestimmt, dass diese Hoffnung immer noch
möglich bliebe. Als ich ihn fragte, ob die österreichische Note
den Charakter einer einfachen « mise en demeure » habe, die
eine Diskussion zulässt, oder eines Ultimatums, antwortete er,
dass er darüber keine persönliche Meinung habe.?)
Gib. Nr. 28. ?) Diese Darstellung, die Bienvenu-Martin gibt, wider-
spricht ihrem Inhalt, mehr noch ihrem Geiste nach einem Bericht, den Graf
Szecsen auf Grund der Mitteilungen von Schöns an Berchtold tele-
graphierte, Rb. Nr. 15. Es heisst da vor allem: «Herr Bienvenu-
Martin hat ihm gesagt, er könne sich noch nicht definitiv äussern,
soviel könne er aber schon jetzt sagen, dass die französische Re-
gierung auch der Ansicht sei, unsere Kontroverse mit Serbien
ginge nur Belgrad und Wien an und dass man hier hoffe, dass.
die Frage eine direkte und friedliche Lösung finden werde».
Diese Darstellung stimmt dagegen mit Rb. Nr. 11 überein. Vergleiche
auch die Denkschrift des Wb., in der es heisst: «Auf unsere Er-
klärung, dass die deutsche Regierung die Lokalisierung des Konflikts
wünsche und erstrebe, wurde sowohl von der französischen als der
englischen Regierung eine Wirkung in dem gleichen Sinne zugesagt».
Es ist merkwürdig, dass sowohl der Bericht Bienvenu-Martins über
die erste Österreichische wie über die erste deutsche Demarche ganz
wesentlich von den entsprechenden deutschen und Österreichischen.
Berichten abweicht.