24. Juli 125
in Serbien interessierte Land es aufnehmen würde,') wäre ich
völlig machtlos angesichts der Form des Ultimatums, irgend
einen beschwichtigenden Einfluss auszuüben. Ich würde sagen,
dass ich die einzige Möglichkeit irgend eines vermittelnden
oder beschwichtirgenden Einflusses darin sehe, dass Deutsch-
land, Frankreich, Italien und wir, die keine unmittelbaren In-
teressen in Serbien haben, gemeinsam im Interesse des Frie-
dens gleichzeitig in Wien und Petersburg handeln sollten.
Herr Cambon sagte, dass wenn eine Aussicht auf Vermitt-
lung der vier Mächte bestehe, seine Regierung zweifeilos erfreut
wäre, daran teilzunehmen; aber er wies darauf hin, dass wir
in St. Petersburg nichts vorbringen könnten, solange Russland
nicht irgend eine Meinung geäussert oder irgend einen Schritt
ergriffen habe. Aber wenn zwei Tage verflossen seien, würde
Oesterreich in Serbien einmarschieren, denn Serbien könne
unmöglich die österreichische Forderung annehmen.’) Russ-
land würde von der öffentlichen Meinung gezwungen werden,
eine Aktion zu unternehmen, sobald Oesterreich Serbien an-
greife, und daher wäre es, wenn die Oesterreicher einmal Ser-
bien angegriffen hätten, für irgend eine Vermittlung zu spät.’)
Ich sagte, ich hätte nicht daran gedacht, irgend etwas
in Petersburg zu sagen, ehe es nicht klar sei, dass zwischen
Oesterreich und Russland ein Konflikt bestehe. Ich hätte ge-
dacht, dass, wenn Oesterreich in Serbien einmarschiere und
Russland dann mobilisiere, es den vier Mächten möglich sein
würde, Oesterreichs und auch Russlands Vormarsch anzuhal-
ten, solange die Verhandlungen währten. Aber es würde für die
Erfolgsmöglichkeiten eines solchen Schrittes wesentlich sein,
dass Deutschland daran teilnehme.
Herr Cambon sagte, es würde zu spät sein, wenn Oester-
reich einmal gegen Serbien vorgegangen wäre. Das Wesent-
liche wäre, durch eine Vermittlung in Wien Zeit zu gewinnen.
Die beste Aussicht für ihre Annahme bestände, wenn Deutsch-
land sie den anderen Mächten vorschlagen würde.
Bib.Nr. 10. ') Grep billigt hiermit den russischen Anspruch auf eine
Kontrolle der österreichisch-serbischen Beziehungen, er hält die russische
Intervention für selbstverständlich und unausbleiblich: seineVersicherung,
dass ihn der österreichisch-serbische Konflikt nicht interessiere, sobald
er lokalisiert bleibe (das Wort lokalisiert umschreibt er geflissentlich),
ist daher durchaus platonisch. Die Lokalisierung erschwert Grey durch
die Anerkennung der russischen Intervention, ehe sie noch erfolgte.
*) Ein Beispiel dafür, mit welchem Pessimismus die französische
Diplomatie von vornherein arbeitete. Die Ereignisse zeigen, dass Oe-
sterreich nicht nur nach Ablauf der Frist nicht in Serbien einmarschierte,
sondern noch drei Tage lang mit der Kriegserklärung wartete.
°») Die Ereignisse zeigen, dass die Vermittlungstätigkeit durch
den Angriff auf Serbien nicht verhindert wurde.
Cambon will
eine deutsche
Einwirkung in
Wien und eine
Vermittlun
zwischen Wien
und Belgrad.