Berchtold
hofft, dass
Russland
durch die terri-
toriale Unei-
ennützigkeit
esterreich-
Ungarns beru-
hiet werde.
Szöpäry möge
Sasonow auf
das Dossier
aufmerksam
machen.
154 25. Juli
Dieser Situation sind die nachfolgenden Darlegungen an-
gepasst, die Euer Exzellenz im gegebenen Moment und in der
Ihnen geeignet erscheinenden Weise und nach der von Ihnen
zu ermessenden ÖOpportunität bei Herrn Sasonow und dem
Herrn Ministerpräsidenten verwerten wollen :
Ich setze im allgemeinen voraus, dass Euer Exzellenz
unter den gegenwärtigen Verhältnissen ein enges Einver-
nehmen mit Ihrem deutschen Kollegen hergestellt haben, der
seitens seiner Regierung gewiss beauftragt worden sein dürfte,
der russischen Regierung keinen Zweifel darüber zu lassen,
dass Oesterreich-Ungarn im Falle eines Konfliktes mit Russ-
land nicht allein stehen würde.
Darüber gebe ich mich keiner Illusion hin, dass es nicht
leicht sein wird, für unsern unvermeidlich gewordenen Schritt
in Belgrad bei Merrn Sasonow Verständnis zu finden.
Es gibt aber ein Moment, das seinen Eindruck auf den
russischen Minister des Aeusseren nicht verfehlen kann, und das
ist die Betonung des Umstandes, dass die österreichisch-unga-
rische Monarchie, dem von ihr seit Jahrzehnten fest gehaltenen
Grundsatze entsprechend, auch in der gegenwärtigen Krise und
bei der bewafineten Austragung des (Gegensatzes zu Serbien
keinerlei eigennützige Motive verfolgt.
Die Monarchie ist territorial saturiert und trägt nach ser-
.bischem Besitz kein Verlangen. Wenn der Kampf mit Serbien
uns aufgezwungen wird, so wird dies für uns kein Kampf um
territorialen Gewinn, sondern lediglich ein Mittel der Selbst-
verteidigung und Selbsterhaltung sein.
Der Inhalt des Zirkularerlasses, der an sich schon beredt
genug ist, wird in das rechte Licht gerückt durch das Dossier
über die serbische Propaganda gegen die Monarchie und die
Zusammenhänge, die zwischen dieser Propaganda und dem
Attentat vom 28. Juni bestehen.
Auf dieses Dossier wollen Euer Exzellenz die Aufmerk-
samkeit des Herrn russischen Ministers ganz speziell lenken
und dartun, es sei eine in der Geschichte singuläre Erscheinung,
dass eine Grossmacht die aufrührerischen Umtriebe eines an-
grenzenden kleinen Staates durch so lange Zeit mit so bei-
spielloser Langmut geduldet hätte wie Ossterreich-Ungarn jene
Serbiens.
Wir wollten keine Politik gegen das Aufstreben der christ-
lichen Balkanstaaten machen und haben daher — trotzdem
ıns der geringe Wert serbischer Versprechungen bekannt war
— nach der Annexionskrise vom Jahre 1908 zugelassen, dass
sich Serbien beinahe um das Doppelte vergrössere.