25. Juli Eu 155
Seitdem hat die subversive Bewegung, die in Serbien
gegen die Monarchie genährt wird, so exzessive Formen an-
genommen, dass die Lebensinteressen Oesterreich-Ungarns
und selbst unserer Dynastie durch die serbische Wühlarbeit
bedroht erscheinen.
Wir müssen annehmen, dass das konservative, kaiser-
treue Russland ein energisches Vorgehen unsererseits gegen
diese Bedrohung aller staatlichen Ordnung begreiflich und so-
gar notwendig finden wird.
Wenn Euer Exzellenz in Ihrem Gespräch mit Herrn Sa-
sonow an diesem Punkte angelangt sein werden, wird der
Moment gekommen sein, an die Aufstellung unserer Beweg-
eründe und Absichten den Hinweis zu knüpfen, dass wir zwar
— wie Euer Exzellenz bereits in der Lage gewiesen wären
darzulegen — keinen territorialen Gewinn anstreben und auch
die Souveränität des Königreiches nicht anzutasten gedächten,
dass wir aber andererseits zur Durchsetzung unserer For-
derungen bis zum Aeussersten gehen würden.
Dass wir bisher, soweit es an uns lag, bestrebt waren,
den Frieden zu erhalten, den auch wir als das kostbarste Gut
der Völker betrachten, zeige der Verlauf der letzten 40 Jahre
und die geschichtliche Tatsache, dass unser Aller-
snädigster Herr sich den glorreichen Namen
eines HNüters des Friedens erworben hat.
Wir würden eine Störung des europäischen Friedens
schon deslialb auf das lebhafteste bedauern, weil wir stets
der Ansicht waren, dass das Erstarken der Balkanstaaten zur
staatlichen und politischen Selbständigkeit unseren Beziehun-
gen zu Russland zum Vorteil gereichen würde, auch alle Mög-
lichkeit eines Gegensatzes zwischen uns und Russland be-
seitigen würden und weil wir immer bereit waren, die grossen
politischen Interessen Russlands bei unserer eigenen politischen
Orientierung zu berücksichtigen.
Eine weitere Duldung der serbischen Umtriebe würde
unsere staatliche Existenz untergraben und unseren Bestand
als Grossmacht, daher auch das europäische Gleichgewicht,
in Frage stellen. Wir sind aber überzeugt, dass es Russlands
eigenstes, von seinen friedlichen Staatsleitern wiohlverstan-
denes Interesse ist, dass das gegenwärtige europäische, für
den Weltfrieden so nützliche Gleichgewicht erhalten bleibe.
Unsere Aktion gegen Serbien, in welcher Form immer sie
erfolgt, ist eine durchaus konservative und ihr Zweck die not-
wendige Erhaltung unserer europäischen Stellung,
Appell an die
monarchische
Weltanschau-
ung der russi-
schen Regie-
rung.
Die Persön-
lichkeit Kaiser
Franz-Josephs
bürgt für die
österreichisch-
ungarische
Friedens-
politik.