Full text: Das Regenbogen-Buch - Die europäischen Kriegsverhandlungen.

26. Juli 
  
Aus Petersburg erfahren wir, dass Herr Sasonow Ser- 
bien geraten hat, um Englands Vermittlung zu ersuchen.’) Iın 
Ministerrat vom 25., der unter dem Vorsitz des Kaisers abge- 
halten wurde, ist die Mobilmachung der 13 gegebenenfalls 
gegen Oesterreich operierenden Armeekorps ins Auge ge- 
fasst worden; diese Mobilmachung würde aber nur zu einer 
effektiven, wenn Oesterreich Serbien mit Waffengewalt 
zwinet, undnurnach Angabe des Ministers des 
Aeusseren, dem es anheimgestellt wird, das 
Datum festzusetzen, daihm die Freiheit ge- 
lassen wurde, die Verhandlungen fortzu- 
setzen, selbst wenn Belgrad besetzt sei.) Die 
russische öffentliche Meinung gibt die politische und moralische 
Unmöglichkeit kund, dass Russland Serbien niederwerfen lässt. 
In London wurde die deutsche Demarche am 25. mit dem- 
selben Wortlaut wie die des Baron von Schön in Paris ausge- 
führt.) Sir E. Grey hat dem Fürsten Lichnowsky geantwortet, 
dass, wenn der Krieg ausbrechen sollte, keine Macht sich in 
Europa desinteressiert verhalten könne. Er hat nicht präzisiert 
und hat dem serbischen Gesandten gegenüber sehr zurück- 
haltend gesprochen. Die Mitteilung, die am Abend des 25. der 
österreichische Botschafter überbrachte, stimmte Sir E. Grey 
optimistischer; da der diplomatische Bruch nicht sofortige mili- 
GIb.Nr.50. ?) Ein diesbezügliches Telegramm findet sich weder 
im Ob. noch im Bib. Bienvenu-Martin stützt diese Mitteilung auf ein Tele- 
gramm Pal&ologues aus St. Petersburg vom 26. Juli, das auch nicht 
als eigenes Stück im Gib. enthalten ist, sondern in einem Telegramm 
Bienvenu-Martins an den französischen Geschäftsträger in Berlin zi- 
tiert wird, in dem Bienvenu-Martin in Uebereinstimmung mit dem Bot- 
schafter Paul Cambon, der sich nach Paris begeben hatte, den Saso- 
nowschen Vorschlag bei der englischen Regierung unterstützt. Dieses 
Telegramm trägt die Nummer 53 und folgt merkwürdigerweise auf 
das obenstehende Telegramm. 
®) Das Original-Telegramm, aus dem diese höchst wichtige Mel- 
dung hervorgeht, befindet sich nicht im Gib. Keine andere Veröffent- 
lichung, also auch nicht das Ob., erwähnt diesen bedeutungsvollen 
Ministerrat, in dem Sasonow der Herr der Situation und damit der 
einzig Verantwortliche in Russland wurde. Er erhielt also das Recht, 
wann es ihm beliebte die Mobilmachung anzuordnen, und auch die Be- 
fugnis, sie nicht anzuordnen, selbst wenn Oesterreich Belgrad besetze! 
Wenn Russland also, ohne dass selbst Belgrad besetzt, ja überhaupt 
irgend ein ernster militärischer Schlag gegen Serbien ausgeführt 
wurde, später die Mobilmachung anordnete, so ist das einzig auf Sa- 
sonows Entscheid zurückzuführen. 
*) Wie aus Gib. Nr. 36 ersichtlich, behauptete Bienvenu-Martin 
zuerst, eine solche Demarche hätte in London nicht stattgefunden. 
Jetzt verlegt er sie auf den 25. Wir verweisen auf die Fussnote S. 138, 
aus der hervorgeht, dass die Demarche in London ebenso wie die in 
Paris am 24. Juli ausgeführt wurde. 
Bienvenu-Mar- 
tin unterstützt 
einen Rat Saso- 
nows, Serbien 
möge um Eng- 
lands Vermitt- 
lung bitten. 
Ein russischer 
Ministerrat: 
Sasonow erhält 
die Befugnis, 
die Mobilma- 
chung anzu- 
ordnen oder 
aufzuschieben.
	        
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