Full text: Das Regenbogen-Buch - Die europäischen Kriegsverhandlungen.

28. Juli 215 
  
  
Ich dankte dem Herrn Botschafter für die Mitteilung Sir 
E. Greys und erwiderte ihm, dass ich der Auffassung des Herrn 
Staatssekretärs volle Würdigung zu zollen wisse. Sein Stand- 
punkt sei aber von dem meinigen naturgemäss verschieden, 
da England an dem Streitfall zwischen uns und Serbien nicht 
direkt interessiert sei und der Herr Staatssekretär wohl 
kaum gründlich orientiertseinkönne über die 
schwerwiegende Bedeutung der zu lösenden 
Fragenfürdie Monarchie. Wenn Sir E. Grey von der 
Möglichkeit rede, den Ausbruch der Feindseligkeiten zu ver- 
hindern, so komme dieser Gedanke zu spät, da gestern bereits 
serbischerseits auf unsere Grenzscoldaten geschossen und heute 
von uns der Krieg an Serbien erklärt wurde. Was die Idee 
eines Transigierens auf Grund der serbischen Antwortnote an- 
belangt, müsse ich eine solche ablehnen. Wir hätten die inte- 
grale Annahme gefordert, Serbien habe sich durch Winkelzüge 
aus der Verlegenheit zu ziehen gesucht. Uns seien diese ser- 
bischen Methoden nur zu gut bekannt. 
Sir Maurice Bunsen könne unseren Standpunkt durch 
seine hier erworbenen Lokalkenntnisse gewiss richtig ein- 
schätzen und werde in der Lage sein, Sir E. Grey hierüber 
ein genaues Bild zu geben. 
Insoferne Sir E. Grey dem europäischen Frieden dienen 
wolle, würde er gewiss nicht auf Widerstand bei uns stossen. 
Er müsse jedoch bedenken, dass der europäische Friede nicht 
dadurch gerettet wiürde, dass sich Grossmächte hinter Serbien 
stellen und für dessen Straifreiheit eintreten. 
Denn selbst wenn wir auf einen solchen Ausgleichsversuch ein- 
gehen wollten, würde dieses dadurch nur um so mehr ermutigt, 
auf dem bisherigen Pfade weiterzugehen, was den Frieden 
binnen der allerkürzesten Zeit abermals in Frage stellen 
möchte. 
Der englische Botschafter versicherte mich zum: Schlusse, 
dasserunsern Standpunkt vollkommen ver- 
stehe, andrerseits aber bedauere, dass unter diesen Um- 
ständen der Wunsch der englischen Regierung, einen Ausgleich 
zu erzielen, derzeit keine Aussicht auf Verwirklichung habe. Er 
hoffe, mit mir weiterhin in Kontakt bleiben zu dürfen, was ihm 
gleichgültig und fürchtete er seine europäische Erweiterung, so gab 
es nur eine Haltung: dafür zu sorgen, dass er weiterhin gleichgültig 
bleiben durfte, dass die europäische Erweiterung nicht eintraf, d. h. 
er musste für das Prinzip der Lokalisierung eintreten, wie Deutsch- 
land. Grey aber tat das Gegenteil: auf Frankreichs Anregung führte 
er die von Russland gewünschte, von ihm selbst angeblich gefürch- 
tete europäische Erweiterung durch seine Vermittlungsvorschläge herbei.
	        
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