29. Juli 233
Souveränitätsrechte; Oesterreich-Ungarn habe ver-
sprochen, durch Erklärung seines territorialen Desinteresse-
ments Rücksicht auf russische Interessen zu nehmen, ein
erosses Zugeständnis seitens eines krieg-
führenden Staates. Man sollte deshalb die Doppelmonar-
chie ihre Angelegenheit mit Serbien allein regeln lassen. Es
werdebeimFriedensschlussimmernoch Zeit
sein,aufSchonungderserbischenSouveräni-
tätzurückzukommen.
Sehr ernst habe ich hinzugefügt, dass augenblicklich die
ganze austroserbische Angelegenheit der Gefahr einer
europäischenKonflagrationgegenüberinden
Hintergrund trete, und habe mir alle Mühe gegeben,
dem Minister die Grösse dieser Gefahr vor Augen zu führen.
Es war nicht möglich, Sasonow von dem Gedanken abzu-
bringen, dass Serbien von Russland jetzt nicht
im Stich gelassen werden dürfe.
Der russische Minister des Aeusseren, Sasonow, an die rus-
sischen Botschafter in London und Paris.
Orangebuch Nr. 50.
St. Petersburg.
Als ich meine letzte Unterhaltung mit dem deutschen
Botschafter hatte, hatte ich noch nicht das Telegramm Schebe-
kos vom 28. Juli erhalten.
Der Inhalt dieses Telegramms stellt die Weigerung des
Wiener Kabinettes dar, einen direkten Meinungsaustausch mit
der kaiserlichen Regierung vorzunehmen.')
Infolgedessen bleibt uns nichts mehr übrig, als uns völlig
auf die englische Regierung zu verlassen für die Initiative der
Demarchen, die ihr nützlich erscheinen.
In Wien, Rom und Berlin mitgeteilt.
Ob. Nr. 50. ') Die Lektüre der Telegramme Rb. Nr. 40 und Ob.
Nr. 45 genügt, um festzustellen, dass diese Behauptung Sasonows falsch
ist. Berchtold weigerte sich, die Note an Serbien abzuändern, lehnte
aber nicht die direkten Verhandlungen mit St. Petersburg ab, was der
russische Botschafter in Wien, Schebeko, selbst zugab. Sasonow
übrigens hatte nach Blb. Nr. 70 — II. selbst die direkten Verhandlungen
als erledigt erklärt und im Ob.Nr.49 das Projekt direkter Aussprache
durch einen neuen Vorschlag ersetzt. Siehe auch Rb. Nr. 47 und Nr. 50.
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Sasonow lässt
in London und
Paris die un-
berechtigte
Mitteilung ma-
chen, dass
Oesterreich-
Ungarn direkte
Verhandlun-
sen abgelelnt
habe.