Grey erklärt
dem deutschen
Botschafter,
dass England
im Falle eines
Krieges sofort
an Frankreichs
und Russlands
Seite treten
wird.
250 29. Juti
Der englische Staatssekretär des Aeusseren, Sir Edward Grey,
an den englischen Botschafter in Berlin, Sir E. Goschen.
Blaubuch Nr. 89.
London.
Nachdem ich heute nachmittag mit dem deutschen Bot-
schafter über die europäische Lage gesprochen hatte, sagte
ich ihm, dass ich ihm privat und ganz freundschaftlich etwas
zu sagen wünsche, das auf mir laste. Die Lage sei äusserst
ernst. Solange sie sich auf die gegenwärtig in Betracht kom-
menden Fragen beschränke, hätten wir nicht an eine Inter-
vention gedacht. Aber wenn Deutschland hineinverwickelt
würde und Frankreich mit ihm, dann würde das Problem so
umfassend, dass es die europäischen Interessen mithineinziehe,
und ich wünsche nicht, dass er durch den freundschajftlichen
Ton unserer Unterhaltung — der, wie ich hoffe, andauern
wird — getäuscht werde und so weit ginge, zu
slauben, dass wir beiseite stehen würden.
Er sagte, er verstände das durchaus, aber er fragte, ob
ich sagen wolle, wir würden unter gewissen Um-
ständeneingreifien.
Ich antwortete, dass ich das nicht zu sagen wünschte
und auch nicht damit irgend eine Drohung oder einen Druck
ausüben wolle, wenn ich erkläre, dass, wenn die Dinge sich
schlimmer gestalten, wir intervenieren würden. Unsere
Intervention würde gar nicht in Betracht kommen, wenn
Deutschland oder selbst Frankreich nicht in die Krisis ver-
wickelt wären. Aber wir wüssten recht wiohl, dass wenn
die Lage sich derart gestalte, dass englische Inter-
essen nach unserer Meinung unsere Inter-
vention eriorderten, wir sofortintervenie-
ren müssten und dass unser Entschluss sehr
schnellsein müsse, genau so wie die Entschlüsse der
anderen Mächte. Ich sprach die Hoffnung aus, dass der
freundschaftliche Ton unserer Unterhaltung andauern werde
und dass ich weiterhin mit der deutschen Regierung in
der Arbeit für die Wahrung des Friedens in so engen Be-
ziehungen bleiben könne. Aber wenn unsere Bemühungen
für die Erhaltung des Friedens scheitern sollten und wienn die
Frage sich derart erweitere, dass sie tatsächlich alle euro-
päischen Interessen umfasse, wolle ich mich nicht irgend einem
Vorwurfe aussetzen, dass der freundschaftliche Ton all unse-
rer Unterhaltungen ihn oder seine Regierung getäuscht und zu
der Annahme berechtigt habe, dass wir keinerlei Aktionen
unternehmen würden, wie auch nicht dem Vorwurfe, dass