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hatte, seine etwaige Verantwortung an dem Verbrechen
zu sühnen und der Erregung in Oesterreich-Ungarn Rech-
nung zu tragen. Keines der 31 Stücke Kann diese Aufgabe
erfüllen. Kein einziges Stück verzeichnet irgendwelche wirk-
lich freundschaftliche Demarche in Wien, irgendwelches den
österreichisch-ungarischen Schritten zuvorkommendes Aner-
bieten. Dafür bringt das Blaubuch aber Stücke, in denen
Serbien als Ankläger gegen Oesterreich- Ungarn auftritt,
durch dessen Presse es sich seit der Mordtat beleidigt fühlt.
Ehe es zu einem österreichisch-ungarischen Schritte kam,
sehen wir die serbische Diplomatie in Paris und St. Peters-
burg gegen Oesterreich Stimmung machen und nicht ohne
Erfolg. Zwei Dokumente sind hierbei besonders bedeutsam:
eines, in dem Sasonow deutlich Serbien seine Spmpathien
ausdrückt, ein anderes, in dem Ministerpräsident Viviani sein
Verständnis für die serbischen Bestrebungen bezeugt. Nicht
minder wichtig sind die Stücke, in denen der serbische Ge-
sandte in Wien sich genötigt sieht, der serbischen Presse
einen anständigeren Ton anzuraten. Dass sich daneben
Stücke befinden, die unwillig über Oesterreich-Ungarsns festen
Willen, Serbien mit Krieg zu überziehen, berichten, Kann
kaum verwundern.
Was man über die Vorgeschichte des Ultimatums von
serbischer Seite erfährt, unterstützt also nicht nur die Öster-
reichischen Veröffentlichungen, sondern verschärft auch ihre
Serbien belastende Bedeutung. Von weniger Interesse sind
die der Krisis vom 23. bis zum 28. Juli gewidmeten Stücke.
Aber auch sie, wie das Orange-, wie das Gelb-, wie das
Blaubuch, weisen keinen einzigen Beleg auf für etwaige
ernsthafte Bemühungen des Dreiverbandes, Belgrad im
Sinne der Mässigung zu beeinflussen. Sie zeigen vielmehr
das feste Vertrauen Serbiens in die russische Unterstützung
und bringen Beweise dafür, dass dieses Vertrauen durchaus
gerechtfertigt war. Nichts ist in diesem Zusammenhange
charakteristischer als ein Telegramm des serbischen Ge-
sandten in St. Petersburg, in dem berichtet wird, wie er
dem deutschen Botschafter, als dieser die Hoffnung auf die
Lokalisierung des Konfliktes aussprach, eine spöttische Ab-
fuhr erteilte.