Freiherr von
Giesl hält ein
äusserst ener-
gisches Ein-
schreiten ge-
gen Serbien für
unumgänlich
nötig.
80 21. Juli
dächtigungen anlässlich des Todes Hartwigs ?), überhaupt die
lügenhafte Presskampagne, welche aber die Serben in der
Ueberzeugung bestärken dürfte, dass die Regierung und die
Vertreter Oesterreich-Ungarns vogelfrei sind und Bezeichnun-
gen wie Mörder, Lump, infamer Oesterreicher etc. für uns als
schmückende Beiwörter gelten müssen.
Der Tod Hartwigs 'hat in der Erkenntnis der Schwere
dieses Verlustes in der serbischen politischen Welt einen fana-
tischen Kultus des Verstorbenen ausgelöst und man liess sich
dabei nicht allein von der Dankbarkeit für die Vergangenheit,
sondern auch von der Sorge um die Zukunit leiten und überbot
sich in sklavischer Unterwürfigkeit vor Russland, um dessen
Wohlwollen für kommende Zeiten zu sichern.
Als dritter Faktor vereinigt die Wahlkampagne alle Par-
teien auf ‘der Plattform der Feindseligkeiten gegen Oester-
reich-Ungarn. Keine der auf die Regierungsgewalt aspirieren-
den Parteien will in den Verdacht kommen, eines schwäch-
lichen Nachgebens gegenüber der Monarchie für fähig gehalten
zu werden. So wird die Wahlkampagne unter dem Schlag-
worte der Bekämpfung Oesterreich-Ungarns geführt.
Man hält die Monarchie aus inneren und äusseren Grün-
den für ohnmächtig, zu ieder energischen Aktion unfähig und
glaubt, dass die ernsten Worte, die schon an massgebenden
Stellen bei uns gesprochen worden sind, nur Bluff seien.
Die Urlaube des k. u. k. Kriegsministers und Chefs des
Generalstabes haben in der Ueberzeugung bestärkt, dass die
Schwäche Oesterreich-Ungarns nunmehr evident ist.
Ich habe die Geduld Euer Exzellenz etwas länger in An-
spruch zu nehmen mir erlaubt, nicht weil ich mit Vorstehendem
etwias neues zu bringen glaubte, sondern weil ich diese
Schilderung als Ausgang zu der sich aufdrängenden Kon-
klusion betrachte, dass eine Abrechnung mit Serbien, ein
Krieg um die Grossmachtstellung der Monarchie, ja um
ihre Existenz als solche, auf die Dauer nichtzuumgehen
ist.
Versäumen wir es, Klarheit in unser Verhältnis zu Ser-
bien zu bringen, so werden wir mitschuldig an den Schwierig-
keiten und der Ungunst der Verhältnisse bei einem künftigen
Rb. Nr. 6. ?) Der russische Gesandte in Belgrad, von Hartwig,
starb am 10. Juli an einem Schlaganfall, während eines Besuches auf der
österreichisch-ungarischen Gesandtschaft. Er galt als heftiger Feind
Deutschlands und Oesterreichs. Mit ausdrücklicher Genehmigung Saso-
nows fand am 14. Juli seine Beisetzung in Belgrad statt, unter unge-
heurer Teilnahme des offiziellen Serbiens und der ganzen Oeffentlichkeit.