Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

I. Der Verlauf des Krieges 5 
zosen sie nicht als minderwertig geräumt hatten, wurden durch zurückgelassene 
Beeresabteilungen eingeschlossen und in kürzester GCeit genommen. Die 
6. Armee errang am 27. einen Sieg bei Mancy unmittelbar vor der Sperr- 
fortlinie, und die 5. umfaßte Verdun in weitem Bogen. Unerhörte Marsch- 
leistungen, bis zu 50 km den Tag, hatten sich zumal auf dem weit voraus 
eilenden rechten Flügel vollzogen, es schien als wenn nichts den Siegeslauf 
der Deutschen aufhalten könne. 
Da gelang es dem französischen Gberbefehlshaber Joffre, die ver- 
folgten Heeresteile vom Feinde zu lösen und Derstärkungen aus dem 
Inneren, von seinem durch die Festungen geschützten rechten Flügel und, 
der freundlichen Haltung Italiens sicher, von der italienischen Grenze 
mit der Eisenbahn heranzuführen und am GS. September zur Offensive 
überzugehen. Die Armee Klucks, die, Haris rechts lassend, die Marne über- 
schritten hatte, wurde gleichzeitig in der Front und von Haris her in der 
Flanke von großer Überlegenheit bedroht. Nach heißem Ringen in vier auf- 
einander folgenden Schlachttagen brach der deutsche Feldlerr im Einverständnis 
mit der obersten Beeresleitung die Schlacht ab und führte seine allmählich 
auf das rechte Marneufer zurückgenommene Armee in vollster Ordnung nach 
Norden. Die gleichzeitig angegriffene 2. und 5. deutsche Armee schlossen sich 
der rückzügigen Bewegung an. Alle drei Armeen hatten unglaubliche Anstren- 
gungen hinter sich und ihr rasches Doreilen hatte den Wachschub aller Bedürf- 
nisse ungemein erschwert. Crotz alledem erlitten die nachdrängenden Fran- 
zosen schwere Derluste. Die deutsche #. Armee suchte durch erfolgreiche 
Gegenangriffe die Bedrängten zu entlasten, während Teile der 5. auf dem 
rechten Maasufer energisch nach Westen vordrangen und am 25. September 
sogar bei St. Mihiel ein Sperrfort, Tamp des Romains, nahmen und den 
Stromübergang erkämpften. dene Kämpfe werden unter dem Imen 
„Marneschlacht“ zusammengefaßt. Ihre Folge war nicht, wie die Franzosen 
geplant hatten, eine Reinigung Frankreichs vom Feinde: der rechte deutsche 
Flügel und die Mitte setzten sich nördlich der Aisne fest mit im Artois 
zurückgebogenem rechten Flügel. Die Umfassungsversuche des Gegners 
wurden dadurch vereitelt. 
Das deutsche Heer in Frankreich war angriffsfähig geblieben, aber 
ein anderer Kriegsschauplatz nahm Kräfte in Anspruch, während das 
französische Heer sich aus Afrika verstärkte, aber doch auch das Bedürfnis 
einer gründlichen Wiederherstellung und Auffrischung empfand. Auf beiden 
Seiten war man bestrebt, zunächst den gegenwärtigen Besitzstand als 
Ausgangspunkt für neue entscheidende Heeresbewegungen zu sichern. So 
begann allmählich der heute noch fortdauernde Stellungskrieg, der durch 
die Umstände aufgezwungen, keineswegs ein Rückfall in die matte Krieg= 
führung des 17. und zum Teil des 18. Jahrhunderts ist. Im Ringen um 
einzelne Geländeteile sowie in Durchbruchsversuchen im großen Stil offenbart 
sich vielmehr die rücksichtsloseste Energie. Durch die andauernde Perstärkung 
der rasch geschaffenen Stellungen wurden die beiderseitigen Linien zu 
Festungen. Aus dem einfachen Schützengraben entwickelte sich ein dem 
Gelände angepaßtes System von hintereinander liegenden Gräben mit
	        
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