Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

152 F. Tusensky 
Erntejahr auf 220 M. verblieben. Die so bestimmten Hreise erhöhten sich 
von einem festgelegten Seitpunkte (dem 1. Februar ab) halbmonatlich um 
1,50 M. als Entgelt für die Aufwendungen für Lagerung und Bearbeitung, 
für Lagerungsverluste, Ginsverluste, Dersicherungskosten. Als zu Beginn 
des Jahres 1916 die R. G. St. Wert darauf legte, das Getreide, auf das sie 
Anspruch hatte, vor Ende März des Jahres zu erhalten, wurden, um einen 
Anreiz für schnelle Lieferung zu schaffen, die bereits fälligen Hreiszuschläge 
durch Hinzurechnung der Suschläge, die bei der normalen späteren Lieferung 
entstanden wären, erhöht. 
Die Höchstpreise, die ursprünglich als Großhandelspreise gedacht 
waren, haben von Anfang an die Eigenschaft als Erzeugerhöchstpreise an- 
genommen. Es wurde deshalb nötig, für den Umsatz im Hhandel einen Su- 
schlag zu gestatten, der Kommissions-, Dermittlungs= und sonstige Gebühren 
und Aufwendungen decken soll mit Ausnahme der Auslagen für Säcke und 
gewisse Frachten. Dieser Guschlag liegt zwischen 4 und 0 M. für die Tonne. 
Ein Bedürfnis nach allgemeinen Höchstpreisen für Mehl bestand nach Ein- 
führung der Gemeinbewirtschaftung nicht mehr. Die K. G. und später die 
R. G. St. bot als gemeinnütziges Unternehmen und infolge des staatlichen 
Einflusses auf ihre Tätigkeit die Gewähr, daß sie das Mehl so billig als sie 
nur konnte liefern würde; ebenso war von den selbstwirtschaftenden Kom- 
munalverbänden zu erwarten, daß sie ihrer Bevölkerung nur einen ihre 
Selbstkosten nicht wesentlich überschreitenden Dreis berechnen würden. 
Die Regelung des Getreide-, Mehl- und Brotverkehrs hat sich wohl 
bewährt. Sie hat bewirkt, daß das deutsche Dolk sein täglich Zrot zwar nicht 
reichlich, aber ausreichend erhalten hat, und sie hat diesen Erfolg erreicht, 
obschon die Getreidevorräte aus der Ernte 10 1# bei ihrem Inkrafttreten 
bereits bedenklich zusammengeschmolzen waren und die Ernte des Jahres 
1015 sehr schlecht war und an Brotgetreide einen Ertrag lieferte, der um 
5 bis 4 Millionen Tonnen hinter den Ernten der Jahre 1012 und 10|13 zurück- 
blieb. So ist, was für die weitere Kriegsdauer sehr beruhigend ist, der Beweis 
erbracht, daß eine normale oder gar eine reiche Getreideernte nicht nur den 
Brotbedarf der Bevölkerung voll decken, sondern auch Uberschüsse zur Der- 
fügung stellen wird, die als Futter verwendet, den Diehbestand so heben 
werden, daß sich die Fleischversorgung bedeutend günstiger gestalten wird 
als in diesem Jahre. Daß bei der getroffenen Regelung die freie Betätigung 
des Getreidehandels ausgeschaltet werden mußte, ist gewiß für diese Berufs- 
kreise ein hartes Opfer, das aber für die Allgemeinheit gebracht werden 
mußte. Die dem Getreidehandel bhierdurch erwachsenen Derluste sind eben 
Kriegsschäden, wie sie auch andern Erwerbskreisen — es sei nur an die 
Reederei, den Ausfuhrhandel, die Kursmakler erinnert — leider nicht erspart 
werden konnten. Am meisten Anfechtung hat die Mühlenpolitik der R. G. St. 
erfahren. Indessen ist auch hier zu berücksichtigen, daß die R. G. St., wenn 
sie im Interesse der Miedrighaltung der Mehlpreise ökonomisch arbeiten 
und zwecks Erhaltung des Getreides für eine unbedingt sachgemäße TLage- 
rung der Vorräte einsteben sollte, gezwungen war, den Kreis der von ihr 
beschäftigten Mühlen einzuschränken. Dazu kommt, daß nur ein Teil der
	        
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