Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

VIII. Die Kriegsleistung der Franen 255 
Aufklärung der Landfrauen besonders interessierten Frauenvereine in Berlin 
veranstaltet wurden und dann in allen Teilen des Reiches Nachahmung 
fanden. Im Anschluß an diese Kurse sorgten dann auch die Behörden für 
eine ganz systematische Organisation des Aufklärungsdienstes. Einen Aus- 
schnitt aus dieser Organisation gibt die folgende Schilderung einer Frank- 
furter Frau über ihre Arbeit in 37 Landgemeinden des Gbertaunus- 
kreises: 
„Jch will“, so schreibt sie (die — beiläufig gesagt — eine Großmutter 
ist), „hier nur über meine Erfahrungen berichten, die ich in Landgemeinden 
und Dörfern gesammelt habe, die in geringer Entfernung oder nächster 
Nähe von Städten liegen und diese mit der Eisenbahn erreichen können, 
Landgemeinden, in denen die Bevölkerung zum Teil Landwirtschaft treibt, 
zum Teil in der Industrie beschäftigt ist. Als wir die Aufklärungsarbeit 
zuerst in kleinerem Kreise besprachen, war man allgemein der Ansicht, daß 
eine Stadtfrau auf dem TLande nichts erreichen bönne, daß es besser sei, 
Bäuerinnen selbst oder Hfarrer= und LTehrerfrauen zum wecke der Auf- 
klärung im Heimatsort heranzubilden. Von diesem Gesichtspunkt aus habe 
ich meine Arbeit begonnen. Ich suchte Bürgermeister, Lehrer, Lehrerinnen, 
Geistliche und Vorstände von Frauenvereinen zu einer Besprechung zu 
vereinigen, trug ihnen das Pichtigste über die Volksernährung im Kriege 
vor, bat sie dann, mit mir zu überlegen, wie man am besten an die Be- 
völkerung herankommen könne, und drang vor allem mit größter Bestimmt- 
heit auf die Errichtung von Beratungsstellen. Man war aber vielfach der 
Ansicht, daß ein Dortrag von einem in der Gemeinde Ansässigen keinen 
Erfolcg haben würde, und überredete mich, den Dersuch zu machen, in gleicher 
Weise wie in dem kleinen Kreise auch der Bevölkerung die Sache vorzu- 
tragen. Der Versuch gelang, ich habe in 37 Landgemeinden und Dörfern 
gesprochen und dabei überall das Gefühl gehabt, daß man den Ernst der 
Lage und die Wichtigkeit des Gegenstandes durchaus begriffen hat. Ich 
konnte auch überall die Einrichtung einer Beratungsstelle in die Wege leiten, 
abgesehen von einigen ganz kleinen Dörfern, die in der Llähe von kleinen 
Städten liegen und deren Beratungsstellen aufsuchen können. Alber selbst 
diese wollen doch auch im eignen Ort die Kochkiste vorführen, neue Repezte 
probieren und den Frauen Kostproben verabreichen. 
Als den wichtigsten Teil unserer Aufklärungsarbeit betrachte ich, wie 
schon gesagt, die Errichtung von Zeratungsstellen auch im kleinsten Dorf. 
Da gilt es vor allem, die geeigneten Hersönlichkeiten herauszufinden. In 
evangelischen Gemeinden ist die Hfarrersfrau zu gewinnen; auch die Fran 
des TLehrers wird helfen. Da ist ferner die Lehrerin, die jetzt öfters den ab- 
wesenden Lehrer vertritt; beim VDortrag selbst sucht man sich ferner die- 
jenigen Frauen heraus, die interessiert zuhören und geeignet erscheinen. Man 
fordert sie auf, sich der Sache anzunehmen, zeigt Mittel und Wege, sich zunächst 
selbst zu belehreen durch Besichtigung der Beratungsstelle einer kleineren oder 
größeren Stadt, durch den Dersuch mit der Kochkiste usw.; so wirbt man 
nach dem Dortrage, bis man einige Frauen gefunden hat. Sind die VDer- 
hältnisse danach, so muß die Gemeinde die Mittel beschaffen für die Fahrt
	        
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