Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

288 A. Crecelius 
der erwerbstätigen Bevölkerung nicht große Geldmittel, wohl aber Arbeits- 
kraft, Arbeitslust und Geschäftstüchtigkeit besitzen, die sie durch persönlichen 
SGusammenschluß nicht minder leistungsfähig machen als die wohlhabenden 
LKreise. Die Genossenschaften sind daher die Unternehmungsform, in der 
sich die weniger Kapitalkräftigen, vornehmlich die Kreise des Mittelstandes, 
zur Förderung ihres Erwerbes und ihrer Wirtschaft zusammenschließen. 
Die Möglichkeit zur Errichtung eingetragener Genossenschaften gibt 
das Gesetz betr. die Erwerbs= und Wirtschaftsgenossenschaften, 
das am d. Juli 1868 ergangen und seither mehrfach abgeändert worden 
ist. Tach dem Gesetze können Genossenschaften zu den verschiedensten Zwecken 
errichtet werden, vorausgesetzt ist nur, daß der Sweck auf die Förderung 
des Erwerbs und der Wirtschaft der Mitglieder gerichtet ist. So ist z. B. 
zulässig die Gründung einer Molkereigenossenschaft. Aufgabe der Landwirt- 
schaft ist es u. a., die nicht landwirtschaftliche Bevölkerung mit Milch, Butter, 
Käse zu versorgen. Dies kann in der Weise geschehen, daß jeder einzelne 
Landwirt die Milch zu Butter und Uläse verarbeitet und sie in die Stadt 
bringt. Es bedarf aber keiner weiteren Ausführung, daß hbierin eine Kräfte- 
vergendung liegt und daß es zweckmäßiger ist, wenn eine einzige Stelle die 
gesamte Milch eines Dorfes nach der Stadt bringt und den Erlös an die 
einzelnen Landwirte nach den von ihnen angelieferten Milchmengen verteilt. 
Ferner wird eine gemeinschaftliche Derarbeitung der Milch zu Butter, Uäse 
usw. eine viel bessere Ausnutzung der Milch ermöglichen, wenn die Der- 
arbeitung durch Maschinen, z. B. große Sentrifugen geschieht. Derartige 
Maschinen sind für den einzelnen Landwirt zu teuer und daher unrentabel, 
aber die sämtlichen Landwirte eines Dorfes oder mehrerer Dörfer vermögen 
sie sich zu beschaffen. Durch einen Gusammenschluß zu einer Molkerei- 
genossenschaft, die die angegebenen Swecke erstrebt, wird also der Erwerb 
und die Wirtschaft der beteiligten Landwirte gefördert. 
wollen die Landwirte eine solche Molkereigenossenschaft gründen, so müssen 
mindestens sieben sich zusammentun und zunächst eine Satzung errichten. 
In dieser muß der Gegenstand des Unternebhmens angegeben werden, 
was bei einer Molkereigenossenschaft etwa durch Aufnahme der Bestimmung 
geschieht: „Hegenstand des Unternehmens ist die Derwertung der in den 
Betrieben der Mitglieder gewonnenen Milch.“ Ferner muß angegeben 
werden die Firma, z. B.: „Molkereigenossenschaft für Holzhausen und 
Umgegend“, der Sitz u. dgl. m. In der Satzung muß ferner die Einrichtung 
der Genossenschaft im allgemeinen festgelegt werden. Die Genossen- 
schaft muß einen Dorstand haben, der aus mindestens zwei Hersonen 
besteht und die Geschäfte zu führen hat, ferner einen Aufsichtsrat, der 
die Tätigkeit des Dorstandes zu überwachen hat, und eine Generalver- 
sammlung, d. i. eine Dersammlung der Mitglieder, der die oberste Ent- 
scheidung in allen wichtigen Angelegenheiten der Genossenschaft zusteht. 
Die Mitglieder müssen sich mit Geldeinlagen, sogenannten „Geschäfts- 
anteilen“, beteiligen. Die Höhe des Geschäftsanteils und die Art und Weise, 
wie die Einzahlungen darauf zu leisten sind, muß in der Satzung angegeben 
werden. Die Böhe des Geschäftsanteiles richtet sich in der Regel nach
	        
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