Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

X. Die Genossenschaften und der Krieg 295 
sachverständigen und unabhängigen Revisor. Diese Revision, die sogenannte 
„Derbandsrevision“, ist von den Verbänden des Allgemeinen Deutschen 
Genossenschaftsverbandes schon in den sechziger Jahren des vorigen Jahr— 
hunderts eingeführt worden, wurde dann auch von den übrigen Verbänden 
aufgenommen und hat schließlich im Jahre 1880 Eingang in das Genossen- 
schaftsgesetz gefunden, das ihre Dornahme alle zwei Jahre verlangt. Bei 
Genossenschaften, die Derbänden angeschlossen sind, wird der Revisor durch 
den Derband, bei den übrigen durch das Gericht bestellt. Mun ist es ganz 
besonders bemerkenswert, daß sich die Revisionsverbände, was nach dem 
Gesetz nicht nur zulässig wäre, sondern allein vorgesehen ist, keineswegs 
darauf beschränken, die Revision vorzunehmen, sondern ihre Hauptaufg#be 
darin sehen, die durch die Revision etwa festgestellten Mängel in Geschäfts- 
führung und Organisation zu beseitigen. Kein andres Gebiet unfres Wirt- 
schaftslebens hat etwas Ahnliches aufzuweisen. Während alle andern wirt- 
schaftlichen Unternehmungen, insbesondere Aktiengesellschaften, Gesell- 
schaften mit beschränkter Baftung, nach der Gründung im wesentlichen sich 
selbst überlassen sind, wird an der Fortbildung der VDerbandsgenossenschaften 
unablässig gearbeitet. Der praktische Erfolg des Gusammenschlusses zu 
Verbänden kann innerhalb des Genossenschaftswesens selbst festgestellt werden. 
Im Jahre 1015 sind 38 Genossenschaften in Konkurs geraten, hiervon ent- 
fallen auf Derbandsgenossenschaften nur 10, auf Genossenschaften, die 
keinem Derbande angehören, dagegen 28. Dabei ist noch zu berücksichtigen, 
daß die Derbandsgenossenschaften rund 87 % der bestehenden Genossen- 
schaften ausmachen. 
Die unermüdliche Arbeit der Derbände hat es erreicht, daß sich in der 
Geschäftsführung der Genossenschaften richtige geschäftliche Grundsätze 
durchgesetzt haben. Denn daran ist vor allem festzuhalten, daß die Genossen- 
schaften bei aller Gemeinnützigkeit ihres Wirkens doch geschäftliche Unter- 
nebhmungen sind, die nur dann segensreich wirken können, wenn sie gesunde, 
geschäftliche Grundsätze nicht verletzen. Diese Grundsätze betreffen in erster 
Linie die Bildung eines ausreichenden eigenen Dermögens. Don der 
gesicherten geschäftlichen Grundlage unseres Genossenschaftswesens kann 
man sich ein Bild machen, wenn man erfährt, daß die zur Statistik berichtenden 
rund 28 000 Genossenschaften über ein eigenes Dermögen an Geschäfts- 
guthaben und Reserven von rund 818 Millionen Mark verfügen. Um diese 
Summe richtig zu würdigen, muß man bedenken, daß die „kleinen Kreise"“, 
die Minderkapitalkräftigen, sie aufgebracht haben. An fremden Geldern, 
Spareinlagen, Depositen usw. hatten diese Genossenschaften rund 5300 Mil- 
lionen Mark aufgenommen, woraus sich ergibt, daß sie die Derwalter eines 
beträchtlichen Teils unfres Dolksvermögens sind. Die geschäftliche Tätigkeit 
der Genossenschaften drückt sich in dem Umsatz aus. Dieser belief sich auf 
einer Seite des Hauptbuches im Jahre l015 auf rund 30⅛ Milliarden Mark. 
3. Dieser außerordentlichen Bedeutung der Genossenschaften für das 
Wirtschaftsleben trägt auch die Königliche Staatsregierung dadurch Rech- 
nung, daß sie sich die Förderung des Genossenschaftswesens in hohem Maße 
angelegen sein läßt. Im Jahre 1896 wurde die Hreußische Sentral-
	        
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