Full text: Die Ministerverantwortlichkeit und der Staatsgerichtshof im Königreich Sachsen.

28 Die Ministerverantwortlichkeit des Deutschen Reichs. 
eines Ministers dies Gericht noch nicht gebildet sein sollte, bei dem rheinischen 
Revisionshofe in Berlin mit Zuziehung von Geschworenen. 
Es folgen nun specielle Bestimmungen über die Bildung des Geschworenen- 
gerichtes, von denen wir nur hervorheben, daß jeder der obersten Gerichtshöfe 
Deutschlands vier durch Charakter, Ehrenhaftigkeit und Kenntnisse als tauglich 
„ um Dienste der Geschworenen erkannte Männer, welche das 30. Lebensjahr 
erreicht haben, wählt. 
In Subsidium sollen die Vorschriften der rheinpreußischen Strafproceßord- 
nung zur Anwendung gebracht werden. 
Das Verfahren ist mündlich und ösfentlich. 
Der Präsident des Schwurgerichts stellt ohne vorheriges Resumé die Fragen, 
welche die Geschworenen zu beantworten haben. Bei der rechtlichen Beurtheilung 
des Falles wird das gemeindeutsche Strafrecht angewendet, dem Urtheile sind 
Entscheidungsgründe beizufügen. Ist der Angeklagte für schuldig erachtet worden, 
so sprechen die Richter, die nach den Gesetzen durch das Verbrechen, dessen der An- 
geklagte für schuldig erklärt worden ist, verwirkte Strafe aus, sie können neben 
dieser Strafe Dienstentsetzung und zwar mit dem Beisatze, ob der Minister un- 
fähig irgend eines Staatsamts sei, oder Dienstentlassung aussprechen. Ist die 
Handlung oder Unterlassung, deren der Angeklagte für schuldig erklärt wurde, 
durch kein bestimmtes Strafgesetz mit Strafe bedroht, so sprechen die Richter die 
Strafe aus, welche mit der Verschuldung des Falles im gerechten Verhältniß 
stehend erscheint, insbesondere können sie auch Dienstentsetzung oder Dienstent- 
lassung aussprechen. 
Das verurtheilende Erkenntniß hat der Präsident des Gerichtshofes dem 
Reichsministerium zur Verfügung vorzulegen. Die Begnadigung des verurtheilten 
Ministers findet nur vermöge eines Reichsgesetzes statt. 
Der Ausschußbericht erwähnt, daß es unzweckmäßig wäre, das Begnadigungs- 
recht in die Hände des Regenten zu legen, da in vielen Fällen der Minister nur 
deshalb verantwortlich sein wird, weil er die Befehle des Regenten vollzog. 
Wenn nun dieser vermöge des Begnadigungsrechtes den verurtheilten Mi- 
nister von der Strafe befreien könnte, so würde die ganze Ministerverantwort- 
lichkeit auf bloßer Illusion beruhen. 
Es enthalten daher auch andere Gesetze gleiche Bestimmungen wegen Nicht- 
ausübung des Begnadigungsrechtes durch die Regenten, wie z. B. die Belgische 
Verfassung Art. 91., jedoch kann hier der Regent auf den Antrag einer Rammer 
begnadigen. Coburg'sches Gesetz vom 23. Dechr. 1846 §s. 14. Bayersches Ge- 
setz über Ministerverantwortlichkeit Art. KlI. 
S. 47. 
Das jetzige Deutsche Reich. 
Das jetzige Deutsche Reich kennt bekanntlich keine verantwortlichen Reichs- 
ministerien. In der Reichsverfassung vom 16. April 1871 Art. 17. findet sich
	        
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